Just Us/Biografie
Just Us waren Mitte der 1960er Jahre wohl unumstritten die "Beatfürsten" an der Unterweser: Publikumsmagneten ohne Ende, rappelvolle Häuser und schwitzendes Personal hinter'm Tresen und an der Kasse. Angeblich sollen sie ein Jahr Freifahrt auf der Weserfähre geschenkt bekommen haben, weil sie mit ihrem Bremenhavener Fankreis für einen überwältigenden Ansturm auf Nordenham's "Ammen"-Saal sorgten - aber möglicherweise ist dies bloss ein Gerücht.
Im Nordenhamer Ortsteil Blexen spielen Just Us jeweils am Sonntagsnachmittag in der Gaststätte "Ammen", wohin nicht selten 800 Zuhörer aus Bremerhaven und der ganzen Wesermarsch anreisen - Abendveranstaltungen sind damals wegen des Jugendschutzgesetzes nicht vertretbar. So sitzt Remmler einmal auf dem Bühnenrand bei "Ammen", links das Mikrofon, rechts seine grosse Liebe Heike Kuhlmann im Arm, und schnulzoliert vor 800 Zuschauern "Time is on my side". Dabei imitiert er Mick Jagger nicht nur perfekt mit Gesten, er kommt ihm auch stimmlich recht nahe - die Lokalzeitungen nennen ihn den "Mick Jagger von der Wesermarsch".
Mit zunehmender Bekanntheit treten Just Us dann im gesamten nordwestdeutschen Raum sowie bei einer Sendung von Radio Bremen auf, bei der einige Aufnahmen entstehen. Als Höhepunkt der Karriere von Just Us bezeichnet Stephan Remmler 2006 ein zweiwöchiges Gastspiel in Hamburg im Star-Club.
Die Gruppe kauft sich irgendwann auch einen Bandbus. Remmler: "Wir gingen zu einem Gebrauchtwagenhändler direkt neben dem Polizeihochhaus und fragten nach einem Ford Transit. 'Hab ich, hab ich', tönte der Verkäufer. 'Aber 700 Mark anzahlen.' Der hat wohl gesehen, dass wir vom Land kamen, und wollte uns über den Tisch ziehen. Er vertröstete uns ständig, unseren Ford haben wir nie gesehen. Schliesslich sind wir zur Polizei, die war ja gleich nebenan. Die Beamten haben den Autohändler dann fix unter Druck gesetzt, und wir bekamen unser Geld zurück." Schliesslich kauft die Gruppe ihren Ford Transit vom Vater eines Gruppenmitglieds, der Metzger war und mit seinem Ford über die Märkte zog. Remmler: "Man konnte eine Seite nach unten klappen und in einen Verkaufstresen verwandeln." So konnte die Gruppe bei Regen spielen und sass selbst im Trockenen.
1966
März: Die Gruppe Just Us entsteht durch eine Umbenennung der 1965 gegründeten Beatgruppe Macbeats.
Mai: Horst Brinkmann (Black Beats): "Ich kann mich an einen Auftritt der Black Beats im Mai 1966 in der Sonne erinnern. Wir waren damals 17 Jahre alt und hatten eigentlich nie zuvor auf einer so grossen Bühne gestanden. Den Gig haben wir damals mit den Just Us bestritten. Vor dem Gig trafen wir uns bei Stephan Remmler in der Walter-Delius-Strasse in Bremerhaven und fuhren zusammen mit den Just Us nach Cuxhaven. Weil unser Drummer Klaus Sültmann nicht wirklich gross war (er mass wohl nicht mehr als 1.60 m) sprach mich in der nachfolgenden Woche eine Arbeitskollegin an, die meinte, dass sie ganz verzückt war, als der "kleine" Junge sich an das Schlagzeug setzte und kräftig draufhaute. Zum ersten Mal hatten wir auch in der Sonne eine Lichtanlage (das wohl drei Leuchten auf jeder Seite), aber wir waren mächtig stolz. Stolz waren wir auch, dass wir zum ersten Mal eine Künstlergarderobe hatten. In dem Raum waren mehrere grosse Spiegel, in der wir uns ausführlich und eingehend betrachten konnten. Zu guter letzt haben wir selbige Spiegel mit Lippenstift und anschliessend tierischen Ärger mit dem Inhaber gekriegt. Fragt wie der hiess, ich weiss es nicht mehr."
Oktober: In Bremerhaven erscheint ein Zeitungsartikel über Just Us, in dem es über Remmler heisst: "Er trägt die Verantwortung und seine Leute die Verstärkerboxen." Der Sänger wird zitiert: "Ich heisse Stephan Remmler, ihr könnt mich auch schlicht Meister nennen."
1967
Peter Gloystein (Bass) verlässt die Gruppe ("Ich wurde vor die Tür gesetzt"), was das Ende seiner Musikerkarriere bedeutet. Er muss dann zur Bundeswehr und wird später Lehrer. Heute wohnt er in Harrierswurp.
Auch Bultmann (Schlagzeug) verlässt die Gruppe.
Neu zu Just Us stossen Micky Kaiser (Bass, Stimme; ex-Soulbeats) und George B. Miller (Schlagzeug; ex-Soulbeats). Weiter mit dabei sind Remmler (Stimme), Peter Lüddecke (Saxofon), Delf Jacobs (Gitarre, Stimme), Günther Abels (Tasteninstrumente) und Gert Krawinkel (Solo-Gitarrist). Aus der Beatband ist inzwischen eine "Soulband" geworden, nicht zuletzt durch Micky, der Titel von Ray Charles und anderen Soulmusikern vertritt und zusammen mit Remmler Sam and Dave imitiert. Ebenfalls gespielt wird "Look at granny run run" von Howard Tate.
Geprobt wird einmal wöchentlich zu besten Bedingungen, herzlich und familiär, im Hause der Familie Jacobs in Nordenham. Immer wieder ist es Stephan, der am Programm feilt, verbessert, auf sein Publikum hört und mit der Musik experimentiert, neue Wege geht, um anders zu sein als die anderen, während Delf, auch etwas anders als die anderen, sein Saxofon immer noch mit Gummibändern traktiert, die undichte Luftklappen schliessen sollen.
1968
Günter Abels kann erst nicht folgen, steht noch zu sehr unter dem Einfluss seiner Tanzmuckerzeit. Remmler legt ihm nahe, einen etwas strafferen Riemen auf die Orgel zu legen, und nicht so zu nölen.
Februar: Die Gruppe Nice gastiert erstmals im Star-Club in Hamburg. Hauptattraktion der Gruppe ist Keith Emerson, der seine Orgel mit Händen, Ellbogen, Kopf und Füssen traktiert und auch mal ein Messer zwischen die Tasten rammt. Abels hört sich die Gruppe an und schlägt bei der nächsten Just Us-Probe Dave Brubeck's "Blue rondo a la turk" vor. Das bringt ihm den gewünschten Stammplatz. Allerdings haben es die Bee Gees an dem Abend im Star-Club wesentlich schlechter getroffen - sie kommen als Gäste, hören und gehen unerkannt.
Im "Jaguar Club" in Herford holt die Polizei Miller während eines Konzerts von der Bühne weil er angeblich Rauschgift (gemeint sind Aufputschtabletten) zu sich genommen haben soll. Miller wundert sich, dass man so etwas auf der 2.5 Meter hohen, ehemaligen Kinobühne von ganz da unten erkennen kann. Es stellt sich dann auch als völlig daneben gesehen heraus, weil man einfach davon ausgeht, dass Vorbilder nicht nur musikalisch Einfluss üben. Aber Just Us, selbst ein Vorbild für die Jugend, haben neben dem Imagegewinn eine Anekdote mehr und die Presse sättigt sich wieder am Ga Ga-Futter.
Stefan, Delf und Micky kleiden sich eine Weile auch indisch, sympathisieren vorübergehend mit dem Beatles-Guru Maharishi Mahesh Yogi, ohne sich aber der Transzendentalen Meditation zu verschreiben.
Just Us touren umher, entern ein weiteres Mal ihr eigenes Schiff in der "Friedeburg", werden Headliner der wieder abgehaltenen "Dance"-Veranstaltungen von Peter Lede und Bernhard Tschöpe in Nordenham, lassen Bodo Albes aus Bremerhaven zum Manager avancieren, reisen voller Elan hier und dort hin, um mit leeren Taschen wegen geplatzter Auftritte wieder heimzukommen. Abels steigt aus, um sich der englischen Rockgruppe Light anzuschliessen. Jacobs will nach Berlin, um zu studieren, bekommt aber keinen Platz an der Universität und geht deshalb nach Hamburg. Miller muss Hamburg Wentorf bei der Luftwaffe seine Grundausbildung bei der Bundeswehr absolvieren.
Als neuer Schlagzeuger holt sich Remmler zuerst Olaf Casalich (später Ougenweide), danach Zappa Lindner, der allerdings mit Arrangements herzlich wenig anfangen kann. So bleibt das Konzert in der Bremer Stadthalle mit "Dave Dee und Co." der letzte nennenswerte Höhepunkt in der Geschichte der "Weser Kings".
Mai: Nach Auflösung der Gruppe Mushroams stösst Jochen "Jocki" Laschinsky (Bass, Chor) zu Just Us und gibt sich redlich Mühe.
August: Nach einem Auftritt in Bederkeesa wird Laschinsky "gebeten", zu gehen; im November schliesst er sich den Happy Times an. An seiner Stelle kehrt Micky Kaiser (Bass) zu Just Us zurück, der gerade seine Dienstzeit bei der Bundeswehr beendet hat.
1969
Kralle Krawinkel, Micky Kaiser und George B. Miller gründen die Rockgruppe Cravinkel, welche zwei Alben veröffentlicht.
Manager von Just Us ist zu dieser Zeit Bodo Albes, der auch die Rattles, die German Bonds und die Happy Times unter Vertrag hat.
11. Mai: Auftritt in Bremen in der Stadthalle.
November: Ein oder mehrere Auftritte als Vorgruppe von Ohio Express.
28. November: Die Just Us-Neubesetzung mit Gert Krawinkel, Micky Kaiser und George B. Miller gibt ihr erstes Konzert in Bremerhaven in der Waldschenke. Dabei schafft es der Techniker zwei Stunden vor Konzertbeginn, den Bananenstecker der B 80, für den Laien von den Lautsprechersteckern kaum zu unterscheiden, statt in den Bass King Verstärker in die Netzsteckdose zu stöpseln.
1970er Jahre
Remmler und Krawinkel wohnen in den 1970er Jahren zeitweise in der Elbestrasse in Hamburg unter einem Dach.
1979
27. Januar: Die wiedervereinigte Gruppe Just Us gibt ein ausverkauftes Konzert in Bremerhaven im Stadttheater - allerdings ohne Micky Kaiser, der sich irgendwo im Süden aufhält. An seiner Stelle übernimmt George Meier (Wolfsmond) den Bass. Das Konzert am Samstag ist ausverkauft, und ebenso das Zusatzkonzert am Sonntag.
28. Januar: Ausverkauftes Zusatzkonzert von Just Us in Bremerhaven im Stadttheater.
Anlässlich der beiden Just Us-Konzerte beschliessen Bernd Suhr und Chester Müller, das "Beat-Festival No. 9" zu veranstalten, um aus dem leer stehenden Bahnhof Lehe ein Kommunikationszentrum zu machen. Dort soll ein Treffpunkt für verschiedene Generationen von Kindern bis zu Senioren entstehen, mit einem breiten Kulturangebot von Musik über Theater bis zu Literatur, Film und Kunst, in dem die eigene Initiative des Publikums an erster Stelle steht. Zusammen mit Dieter Brückler gründen sie den Förderverein für Kommunikation und Kultur e. V. Das Startkapital sollen sechs Musikgruppen aus Bremerhaven erspielen, die bereits in den 1960er Jahren zu den Pionieren der Rockmusik an der Unterweser gehörten: die Black Beats, Competition, die Griffins, die Soulbeats und die Tombstones proben monatelang für dieses einmalige Ereignis. Sogar die Black Stars um Uli John und Heiner König können reaktiviert werden. Suhr schafft es schliesslich, die Anlage von Udo Lindenberg kostenlos aus Hamburg anrollen zu lassen.
23. Dezember: "Beat-Festival no. 9" in Bremerhaven in der Stadthalle vor über 4'500 Zuschauern. Bernd Gutt, einer der besten Mischer im Showgeschäft, bedient das Mischpult. Das Festival geht als grosse, stimmungsvolle Party von Freunden vonstatten.
- Black Beats: http://www.youtube.com/watch?v=MijZneqnaTY
Folgende Fotos sollen vom "Beat festival no. 9" stammen - wobei es ganz danach aussieht, als ob Stephan Remmler und Kralle Krawinkel da auch aufgetreten wären. Interessant ist auch, dass beide offenbar dieselbe mit "Braves '60" beschriftete Jacke tragen.
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Kralle Krawinkel, Kally Kallweit (Black Beats) und Delf Jacobs am 23. Dezember 1979 in Bremerhaven in der Stadthalle am "Beat-Festival No. 9"
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unbekannt, Stephan Remmler am 23. Dezember 1979 in Bremerhaven in der Stadthalle am "Beat-Festival No. 9"
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Stephan Remmler am 23. Dezember 1979 in Bremerhaven in der Stadthalle am "Beat-Festival No. 9"
Aus dem Kommunikations-Zentrum im Bahnhof Lehe wird allerdings nichts, da die Deutsche Bahn andere Pläne hat. Das erspielte Geld fliesst deshalb in den Verein für Kommunikation und Kultur e. V. am Rotensand, dem davon auch ein Klavier gestiftet wird.
Bernd Suhr gründet dann den Musikverlag "Volkmarst Musik" und kommt für kurze Zeit mit Stephan Remmler und seiner Gruppe Wind (später Trio) ins Geschäft.
2006
15. August: Radio Bremen TV (RB TV) zeigt in der Sendung Buten un binnen einen 13-minütigen Beitrag über Just Us mit Filmdokumenten über Stephan Remmler, Kralle Krawinkel, George B. Miller und George Meyer.
2008
19. Oktober: Radio Bremen TV (RB TV) zeigt in der Sendung Buten un binnen (Das Beste) Musiker wie die Mushroams, die Happy Times, die Rattles und Just Us.
Besetzungen
- 1966-1967: Horst Bultmann (Schlagzeug), Peter Gloystein (Bass), Delf Jacobs (Tasteninstrumente), Gert "Kralle" Krawinkel (Gitarre), Stephan Remmler (Stimme) und evtl. weitere
- 1967: Günter Abels (Tasteninstrumente), Boris "George B. Miller" Haupt (Schlagzeug; ex-Soulbeats), Delf Jacobs (Tasteninstrumente), Rolf "Micky" Kaiser (Bassgitarre, Stimme; ex-Soulbeats), Gert "Kralle" Krawinkel (Gitarre), Peter Lüddecke (Saxofon), Stephan Remmler (Stimme)
- 1967-1968: Günter Abels (Tasteninstrumente), Karl-Heinz "Karlchen" Bremser (Bassgitarre; ex-Mushroams; verliess die Gruppe für die Bundeswehr, starb am 12. Oktober 1996), Boris "George B. Miller" Haupt (Schlagzeug), Delf Jacobs (Tasteninstrumente), Gert "Kralle" Krawinkel (Gitarre), Peter Lüddecke (Saxofon), Stephan Remmler (Stimme),
- Mai - August 1968: Günter Abels (Tasteninstrumente), Boris "George B. Miller" Haupt (Schlagzeug), Delf Jacobs (Tasteninstrumente), Gert "Kralle" Krawinkel (Gitarre), Jochen "Jocki" Laschinsky (Bass, Stimme; ex-Mushroams; ging zu den Happy Times), Stephan Remmler (Stimme)
- August 1968: Günter Abels (Tasteninstrumente), Boris "George B. Miller" Haupt (Schlagzeug), Delf Jacobs (Tasteninstrumente), Rolf "Micky" Kaiser (Bassgitarre, Stimme), Gert "Kralle" Krawinkel (Gitarre), Stephan Remmler (Stimme)
- 1970-1970.01: Gert "Kralle" Krawinkel (Gitarre; gründete Cravinkel), Rolf "Micky" Kaiser (Bassgitarre, Stimme; gründete Cravinkel), Boris "George B. Miller" Haupt (Schlagzeug; ging zu den Happy Times, dann zu Cracker Jack)
- 1979: Boris "George B. Miller" Haupt (Schlagzeug), Delf Jacobs (Tasteninstrumente), Gert "Kralle" Krawinkel (Gitarre), George Meier (Bass), Stephan Remmler (Stimme)