Vico Torriani/Biografie
Vico Oxens wurde in Genf als Sohn einer Familie lombardischer Abstammung geboren. Er wuchs in St. Moritz auf, erlernte dort das Hotelfach, Konditor, Kellner, Koch, und betätigte sich als Skilehrer. Als Soldat erlernte er Gitarre und Akkordeon im Selbstunterricht und erfreute damit und zusätzlich singend seine Kameraden, verunglückte jedoch 1943 schwer und lag zwei Jahre im Lazarett. Mit seiner einschmeichelnden, melodischen Stimme gewann der neubenamste Vico Torriani 1946 in Zürich bei einem Gesangswettbewerb, arbeitete dann zunächst fürs Radio, trat in Nachtklubs auf und spielte 1947 seine erste Platte "Addio Donna Grazia" ein. Es folgten erste Gastspielreisen in Europa, die er alle selber organisierte: "Ich brachte meine eigenen, selber hergestellten Plakate in die Geschäfte und erklärte, wer ich bin." Schmachtende Geigen, seine schmalzige Stimme und südländischer Charme prägten in der Folge sein Image. Daneben begann er in über einem Dutzend Filme mitzuspielen, in denen er mit jungenhaftem Frohsinn und unerschütterlichem Optimismus gegen die üblichen Bedrängnisse realitätsferner Lustspiele ansang - die perfekte Vermarktung seiner Lieder. Sein bekanntester Film war wohl Gitarren der Liebe (1954).
Vico Torriani war bereits 37 Jahre alt, als sein rockig-swingender Titel "Siebenmal in der Woche" 1957 Platz eins der deutschen Hitparade erreichte. Bis 1964 sang er 27 Titel in die deutsche Hitparade, darunter "Ananas aus Caracas" (1957), "Schön und kaffeebraun" (1958) oder "Kalkutta liegt am Ganges" (1960), das wiederum bis auf Platz eins vorstiess. Torriani pflegte bewusst sein Image als polyglotter Künstler - er beherrschte sechs Sprachen und sang in zwölfen. So wie er auf der Bühne und im Fernsehen immer wieder internationale - vorwiegend italienisch gesungene - Titel einstreute, so nahm er regelmässig nicht nur deutsche, sondern auch Platten auf italienisch, französisch, spanisch oder gar rätoromanisch und hebräisch auf. Er galt bereits in den erfolgreichsten Phasen seiner Laufbahn als "Schnulzensänger". Das konservative, ländliche Publikum liebte Vico Torriani, die Jugend lehnte ihn ebenso kategorisch ab. Er war in allen Phasen der Karriere ein Künstler für die Erwachsenenwelt. Und hier wiederum zollten ihm die Frauen wegen seines südländischen Charmes am meisten Beifall. Vico Torriani war auch in seiner erfolgreichsten Phase als Schallplattenstar wegen seines penetranten Saubermann-Image und dem Schmalz in der Stimme nie "in" bei den Teenagern - von Rock'n'Roll keine Spur. Bravo widmete ihm deshalb wenig Aufmerksamkeit und bei den Otto-Wahlen gewann er nie eine Auszeichnung. Trotzdem überlebte Torriani. Bis 1969 verkaufte er über 12 Millionen Platten (der Blick berichtete nach seinem Tod gar von 30 Millionen) und nahm insgesamt über 500 Lieder auf.
Mit "Grüezi Vico" hatte er ab 1959 seine erste eigene Fernsehsendung in Deutschland. Dem breiten Publikum wurde er mit "Hotel Victoria" bekannt, die ebenfalls ab 1959 über zehn Jahre lief und in der er auch seine Erfahrungen als Koch einbringen konnte. Bereits 1964 ging jedoch Torrianis Ära als Schlagerstar zu Ende - wie soviele andere wurde er von der Beatwelle aus den Hitparaden geschwemmt. Ab 1966 spielte Vico Torriani in verschiedenen Musicals wie beispielsweise in "Can Can" und "Gigi" sowie in den Operetten "Im Weissen Rössl" und "Eine Nacht in Venedig" mit. Insgesamt stand er nahezu eintausendmal auf der Bühne. Den eigentlichen Höhepunkt der TV-Popularität erreichte Vico Torriani zwischen 1967 und 1969, als er die Spielsendung "Der goldene Schuss" präsentierte. Die Sendung erzielte Traum-Einschaltquoten von 80 Prozent. Dann folgte seine ganz persönliche Sendung "Veni Vidi Vici". Im Schweizer Fernsehen machte besonders seine Kochserie Furore.
In den 1970er Jahren wandte sich Vico der Volksmusik zu. 1976 feierte er mit "La Pastorella" ein glanzvolles Comeback im Plattengeschäft. Die Nummer entwickelte sich zu einem Hit der volkstümlichen Szene. Vico erhielt dafür gar eine Goldene Schallplatte. Daneben übernahm Vico auch etliche Musical-Rollen. Er gehörte in die Kategorie "Superstar" - Medien und Öffentlichkeit haben diesen Status kaum je richtig wahrgenommen. Sie haben ihn permanent unterschätzt, übte Vico Torriani doch Zeit seiner Karriere eine polarisierende Wirkung auf die Massen aus. 1995 wurde er mit einem Ehren-Bambi, 1996 für Verdienste um das Schweizer Showbusiness mit dem "Prix Walo" ausgezeichnet. Im Alter machte sich Torriani dann noch auch als Autor von Kochbüchern einen Namen. In den letzten Jahren lebte er, belastet von gesundheitlichen Problemen, zurückgezogen in seiner Villa Solaria in Agno (Tessin).
Walter Studer (1996): "Das Image des Vico Torriani sollte Weltgewandtheit und Internationalität vermitteln. Hinter dieser Fassade konnte er nur schlecht eine brave Biederkeit verstecken. Dem Publikum entging nicht, dass sein Erfolg auf harter Arbeit basierte, und Fleiss und Ausdauer seine hervorragenden Charaktereigenschaften bilden. Gerade diese Spannung zwischen Image und Realität mag zur besonderen Aura und damit zum anhaltenden Erfolg des Vico Torriani beigetragen haben. Da sang ein Künstler, der so war wie die schweigende Mehrheit: arbeitsam und anständig - und konnte gleichzeitig vorgeben, so lässig und cool zu sein wie ein Vertreter des Jet-Set. Die schweigende Mehrheit hat Vico Torriani zum Star gemacht. Es ist das Schicksal solcher Künstler, die vom einfachen Volk zu Stars gemacht werden, dass sie von den Gruppierungen der Gesellschaft, die sich als Trendsetter und geistige Elite verstehen, mit Häme überzogen oder ignoriert werden, weil sie auf die Lancierung solcher Karrieren keinen Einfluss nehmen können. Und hier äussert sich ein interessantes Paradoxon von Vico Torrianis Laufbahn. Die Karriere des kleinbürgerlichen angepassten Sängers hat oppositionellen Charakter, weil sie gegen die veröffentlichte Meinung und gegen den Willen der geistigen Elite stattgefunden hat. Die Rolle als Widerpart zum herrschenden Zeitgeist wertet diese Ikone des deutschen Schlagers auf zu einer zeitgeschichtlich wichtigen Persönlichkeit."
Als Vico Torriani am 25. Februar 1998 in Agno an Lymphdrüsenkrebs starb, war es dann endgültig aus mit dem Zeitgeist und die geistige Elite in Gestalt des Filmchefs des Schweizer Fernsehens überzog ihn verdientermassen einmal mehr mit Häme - anstatt die alten Filme des Schnulzenstars zu senden, erklärte er: "Seine Filme sind schrecklich! Auch die Drehbücher taugen nichts. Die Geschichten sind unendlich langweilig." Andere hingegen versuchten einen "Kult" herbeizuschreiben, erfolglos zum Glück. Endo Anaconda (Stiller Has) berichtete anschliessend auf der "Chole"-Tour von Vicos vergeblichen Bemühungen, bei der Kelly Family als Schlagzeuger anzuheuern. Auch Hene weiss inzwischen wieder wo er hingehört - jedenfalls nicht zu Vico Torriani in den Himmel, wo Natacha Weihnachtsmärchen erzählt und der Bo Katzman Chor Weihnachtslieder singt...