Text "Scheint nur so, als ginge es um Ihre Unterhaltung" (Edo Reents)
Autor | Edo Reents |
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Texttitel | Scheint nur so, als ginge es um Ihre Unterhaltung |
Sprache | Deutsch |
Textform | |
Veröffentlichung | 2006.10.25 Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 248 S. 44 |
Text
Stephan Remmler zum Sechzigsten
Scheint nur so, als ginge es um Ihre Unterhaltung
Im Herbst 1981 raunte man sich in den progressiven ostfriesischen Diskotheken zu, es gebe eine neue Band, die Musik mache, wie sie noch nie jemand gehört habe, und unter komischen Verrenkungen Lieder zum besten gebe, die "Ja ja ja" oder so ähnlich hiessen. Bald sagte jeder, der etwas auf sich hielt, "ab dafür", obwohl natürlich niemand so genau wusste, was damit gemeint war.
Für die Musik galt das auch; die Kritiker bissen sich die Zähne daran aus und sprachen abwechselnd von genialem Dilettantismus, zeitgemässem Dadaismus und der hohen Kunst des Minimalismus. Es war von allem etwas. Aber damit war die Sache noch nicht erfasst.
Etwas Neues und sehr Dreistes in der Popmusik
Sie lässt sich auch nicht erfassen. Trio waren die erste deutsche Band, die ihren sehr spezifischen Humor weltläufig machte. Als im Frühjahr 1982 das Lied "Da da da (Ich lieb dich nicht du liebst mich nicht)" in die Hitparaden kam, wusste jeder, dass sich etwas Neues und sehr Dreistes in der Popmusik ereignet hatte, die zu dieser Zeit unter der Bezeichnung Neue Deutsche Welle eine beispiellose Kreativität entfaltete. Dass Trios grösster Hit zum Inbegriff der Bewegung erklärt wurde, war allerdings ein Missverständnis. Die NDW gebrauchte trotz mancher Neuerungsleistung wiedererkennbare Versatzstücke; "Trio" erhoben in vermutlich einzigartiger Reduktion das Ratlos-Achselzuckende oder bloss ein Füllwort zum Stilprinzip und vermieden dabei jede Aussage, auf die man sie hätte festlegen können. Dass dies auf die Dauer nicht tragfähig sein würde, wussten sie.
Die erste Platte teilte dem Hörer mit: "Achtung! Achtung! Lassen Sie sich nicht täuschen, obwohl es zunächst so aussieht, als ginge es um Ihre Unterhaltung, geht es doch letztlich darum, dass Sie Ihre Sympathien und Ihr Geld dem Trio geben. Ab dafür." Von den drei versierten Musikern hatte Sänger Stephan Remmler, der zuvor Lehrer gewesen war und sich die meisten Texte ausdachte, am besten begriffen, was man alles machen kann: "Ich unterschreite ein Niveau, von dem die Leute glauben, dass ich es sowieso nicht habe." Der Welterfolg, den Trio erzielten, verdankte sich massgeblich seiner in jeder Hinsicht unkonventionellen, seltsam teilnahmslosen Art, die in der Folge noch einige Soloerfolge hervorbrachte, welche zwar auch fast nur aus Unsinn bestanden, aber das lebenserleichternd-humane Erbe des Schlagers nie verleugneten. An diesem Mittwoch wird er sechzig.
Versionen
Datum | Autor | Format | Titel | Verlag | Anmerkungen |
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2006.10.25 | Edo Reents | Artikel | Scheint nur so, als ginge es um Ihre Unterhaltung | DE: Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 248 | S. 44 |