Text "Da da da" ()

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Autor
Texttitel Da da da
Sprache Deutsch
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Veröffentlichung 1982.07.19 Der Spiegel Nr. 29 S. 150-151

Text

Rock-Musik

Da da da

1980 spielte die ostfriesische Rock-Gruppe Trio in Jugendklubs noch vor 30 Leuten. Seit Erscheinen ihrer ersten LP aber reissen sich die TV-Anstalten um die gutgelaunten drei mit dem Garagensound.

Von erfolgreichen Kollegen im Musikgeschäft ernten Newcomer oft nur ein müdes Lächeln. Beim Trio aus 2907 Grossenkneten 2, Telefon 004435/23 00, ist das anders. Da schütteln sich selbst Showprofis wie Amanda Lear, Milva oder Helen Schneider bei einer Live-Sendung des Schweizer Fernsehens vor Lachen. Die drei Jungs aus Ostfriesland zeigen mit ihrer Mischung aus Rock'n'Roll, Comedy und anarchistischen Spässen der saturierten Unterhaltungskunst zur Zeit, was eine Harke ist.

Bei den Auftritten vergeht kaum eine Sekunde, in der nicht einer der drei mit irgendeiner Regelverletzung brilliert. Gitarrist Kralle Krawinkel zieht sich wie ein Bankräuber die Mütze übers Gesicht, bevor er zu einem sehr reduzierten Solo schreitet; Sänger Stephan Remmler kaut beim Playbacksingen ostentativ Kaugummi und schaut angestrengt finster in die Kamera, und Trommler Peter Behrens dreht taktvoll ein Schweizer Miniaturfähnchen vor dem Bauch, statt synchron zum eingespielten Band zu trommeln.

Mit Variationen solcher Gags hat Trio in den letzten Monaten Medienkarriere gemacht wie kaum eine deutsche Band zuvor. Der Berliner Morgenpost gelten die drei Musiker denn auch als "Schräge Vögel GmbH", Münchens TZ hält sie "für so lustig wie Otto", und Springers Hörzu preist sie dem Fernsehpublikum als "die ungewöhnlichste und originellste Rockentdeckung aus deutschen Landen" an.

In den acht Monaten seit Erscheinen der ersten Langspielplatte hat Trio 20 TV-Auftritte im In- und Ausland absolviert, und die Single Da da da ich lieb dich nicht du liebst mich nicht aha aha aha steht nicht nur in der Bundesrepublik seit Wochen ganz oben in den Charts - sie wurde auch in Belgien, Österreich und der Schweiz Nummer eins, und in England rangiert sie derzeit auf Platz sieben, wo der Melody Maker der Band schon attestierte, sie sei in der Mediokrität der "Neuen deutschen Welle" eine "Offenbarung". Zweisprachig singt die Band zur Irritation der Kritiker sowieso schon.

Zur "Neuen deutschen Welle", auf der inzwischen fast jeder Musikspross der goldenen Schallplatte entgegenzusurfen versucht, lässt sich Trio jedoch nicht so einfach zuordnen. Der Züricher Musiker und Filmemacher Dieter Meier (Jetzt und alles), der es für eine "Schandtat" hält, Trio "auf das Schafott des Nenners zu bringen", sieht in dem liebenswürdigen Skandalon denn auch eher die "Wiederherstellung der deutschen Unterhaltungsmusik" in der Tradition von "Fritzi Massari und Marlene Dietrich".

Trio unterscheidet sich schon deshalb von "Wellen"-Bands wie Extrabreit ("Hurra, hurra, die Schule brennt") oder DAF ("Tanz den Mussolini"), weil rebellische Punk-Chöre und die für die "Neue deutsche Welle" typische Koketterie mit dem Faschismus völlig fehlen. Vielmehr parodiert Trio den Sprachfetzen-Minimalismus und das dumpfe No-future-Gehabe. "Neue deutsche Fröhlichkeit" annonciert Sänger Remmler auf der Bühne, seit ihm das bei einem Strassenkonzert in Berlin ein Fan zugerufen hat.

Als "Gute-Laune-Band" oder Kabarett-Truppe in der Art von Jango Edwards, "wo Musik ja nur Nebensache ist", will Trio allerdings nicht verstanden werden. "Unsere Basis is Rock'n'Roll", beharrt Gitarrist und Komponist Krawinkel, der schon unter dem Spassvogel-Image leidet. "Ich nehme mir nicht wie Frank Zappa vor, Sachen zu verarschen. Wir reduzieren nur."

Vielleicht ist die Komik das zwangsläufige Ergebnis der Trio-Methode, "alles Überflüssige wegzulassen, was normalerweise im Rockbiz zur Aufwertung gebraucht wird" - von Starposen bis hin zu Instrumenten-Bombast. Peter Behrens - Bühnenname "Karl Knapp" - spielt auf einem Mini-Standschlagzeug, das nicht im entferntesten den Standards moderner Schiessbuden genügt; Kralle Krawinkel hat zwei der drei Tonabnehmer aus seiner Gitarre herausgebaut und spielt über einen kleinen Kofferverstärker.

Sänger Remmler kommt mit einem Minimum an Melodien aus und garniert den aufs Allernötigste reduzierten Rock gelegentlich mit Spielzeug-Instrumenten. Diese auch klangtechnisch nicht geglättete Mischung aus Garagensound und Sprechgesang (der oft als Telefonstimme aufgenommen ist) lenkt das Ohrenmerk auf die dürftige Substanz aller populären Musik, die Trio querbeet zitiert, von Harry Belafonte bis Elvis Presley, von Blues über Hardrock zum Punk.

Vor allem diese musikalische Qualität war es auch, die den Studiomusiker und ehemaligen John-Lennon-Bassisten Klaus Voormann aufhorchen liess. Voormann, nach fünfzehn Jahren US-Musikbusiness frustriert nach Deutschland zurückgekehrt, stieg im Frühjahr 1981 als Produzent bei Trio ein.

Da war die Band noch völlig unbekannt. Nach einem Bühnendebüt zu Weihnachten 1980 bei "Bommerlunder und Grünkohl" in der Gaststätte ihres Wohnortes Grossenkneten hatte die Band nur ein paar Auftritte "vor 3 bis 30 Leuten" in Clubs und Jugendzentren der norddeutschen Tiefebene absolviert. Allen Unkenrufen zum Trotz glaubte der an grosse Unternehmungen gewöhnte Voormann (er spielte unter anderem beim "Concert for Bangla Desh") an die Mini-Truppe und unterstützte ihren Jahres-Vertrag bei der Plattengesellschaft Phonogram.

Für das Marketing der ersten LP wählte die Gruppe dann gleich unbekümmert den direkten Weg: Die erste Tournee führte durch deutsche Schallplattenläden. Der geringe technische Aufwand machte es möglich.

Danach ging es so schnell aufwärts, dass der Band schon unterstellt wurde, sie werde von klugen Werbeleuten gemanagt. Aber es war die enorme Mundpropaganda, die den Rockpalast veranlasste, schon im Februar eine Ein-Stunden-Show mit den Newcomern aufzunehmen.

Als dann im März ihr berühmtes "Da da da" die Hitparaden hinaufkletterte, wurde die Band schon für Festivals gebucht - und spielte, wie in Mannheim, vor 30'000 Leuten, die die ebenso witzigen wie hintersinnigen Lieder über die "zwischenmenschliche Vergeltscherung" mitsangen.

Trotz des Erfolges wollen die Musiker ihrer Methode treu bleiben, "allen Star-Tran wegzulassen". Remmler: "Unsere Politik ist es, nichts aus der Zeit vor Weihnachten 1980 zu erzählen." Nicht einmal ihr Alter wollen die vorgeschichtslosen Musiker nennen. "Es ist doch auch völlig egal, ob wir Egon oder Ernst heissen."

Dafür gibt es auf der Bühne Gags. Remmler, 35, ehedem Lehrer (wie ihm mal beim Interview rausgerutscht ist), stellt den Trommler vor, der mit Roller auf die Bühne gefahren kommt und eine Bierdose im Takt schüttelt:

"Vor kurzem noch bei uns in Grossenkneten am Grünkohlpflücken, jetzt bei uns im Trio am Standschlagzeug - Karl Knapp. Obwohl er einer der besten weissen Reggae-Schlagzeuger überhaupt ist - wie seine Freundinnen sagen -, verzichtet er bei uns im Trio darauf, Virtuosität zu demonstrieren, denn dynamische Inkonsequenz ist angesagt..."

Die wird vom Trio kompetenter inszeniert als von jeder Punk-Band.

Versionen

Datum Autor Format Titel Verlag Anmerkungen
1982.07.19 Artikel Da da da DE: Der Spiegel Nr. 29 S. 150-151

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