Stereophonie

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Als Stereophonie (auch: Stereo; engl. stereo, stereophonie sound, stereophony) wird jedes räumliche, in der Praxis das zweikanalige Schallübertragungsverfahren, bezeichnet.

Ein Richtungseindruck, um den es beim zweikanaligen Verfahren geht (eine Rauminformation erhält der Hörer schon bei jedem einzelnen Kanal über den Hallanteil), kann mit drei prinzipiell unterschiedlichen Aufnahmetechniken erreicht werden:

  • Intensitätsstereophonie (auch: Koinzidenzmikrophon-Stereophonie, MS-Stereophonie, XY-Stereophonie; engl. coincidental stereo, X-Y stereo). Hierbei basiert der Richtungseindruck im Idealfall ausschliesslich auf Intensitätsunterschieden der verschiedenen Schallquellen. Diese Unterschiede werden von Mikrophonen erfasst, die so dicht wie möglich aneinander plaziert, aber für unterschiedliche Raumabschnitte zuständig sind. Auf diese Weise werden Phasenunterschiede zwischen den beiden Kanälen vermieden, und das Stereosignal ist voll kompatibel (siehe Kompatibilität).
  • Laufzeitstereophonie (auch: AB-Stereophonie; engl. spaced microphone stereo, A-B stereo). Hierbei sind Mikrophone in beliebigem Abstand voneinander plaziert. Da Phasenunterschiede auftreten, ist dieses Verfahren nicht kompatibel. Die heutige Polymikrophonie führt in der Praxis zu häufiger Vermischung beider Techniken.
  • Kopfbezogene Stereophonie (auch: Kunstkopf-Stereophonie; engl. dummy head stereo). Dabei werden die anatomischen Verhältnisse am menschlichen Ohr nachgebildet: Zwei sehr kleine Mikrophone sind am Ende des äusseren Gehörgangs eines nachgebildeten Kopfes angebracht. Die kopfbezogene Stereophonie verlangt für die Wiedergabe Kopfhörer, andernfalls ist der Stereoeindruck gering.

Bereits 1929 experimentierte der deutsche Rundfunk mit stereophonischer Übertragungstechnik. 1931 meldete Alan D. Blumlein, Ingenieur bei der britischen EMI, ein Patent für die Stereo-Schallplatte an, jedoch wurde seine Erfindung nicht kommerziell ausgewertet. Zur gleichen Zeit machten die Bell Telephone Laboratories, Inc. Stereo-Testaufnahmen mit dem Philadelphia Orchestra unter Leopold Stokowski. Alle diese Projekte wurden zunächst nicht weitergeführt. Erst 1944 wurde die Stereophonie wieder aufgegriffen, der Reichssender Berlin machte seine erste Stereo-Versuchsaufnahme. Herbert von Karajan dirigierte dabei das Berliner Staatsopemorchester im Finale von Anton Bruckners 8. Sinfonie.

Das Tonband, inzwischen immer häufiger als Originaltonträger verwandt, ermöglichte eine Kanaltrennung, die vorerst bei allen bekannten Schallplatten-Schneidverfahren nicht erzielt werden konnte. Seit Mitte der 1950er Jahre wurde in verstärktem Masse stereophon produziert. RCA war die erste grosse Schallplattenfirma, die stereophone Aufnahmen machte. Ihre erste Stereoeinspielung ist Berlioz' Damnation de Faust mit dem Boston Symphony Orchestra unter Charles Münch, am 21./22. Februar 1954 in Bostons Symphony Hall aufgenommen, Produzent war Jack Pfeiffer. RCA bediente sich bei dieser und den folgenden Aufnahmen der Laufzeitstereophonie. Im selben Monat begann auch die EMI in ihren Londoner Abbey Road Studios mit Stereoaufnahmen, und zwar in Intensitätsstereophonie. 1955 begann die Firma parallel zur Mono-Aufzeichnung eine stereophone Tonbandversion mitzuschneiden. Zunächst wurden einige dieser Stereoversionen auf Spulentonbändern als High Fidelity Stereosonic Tape Recordings parallel zu den Mono-Schallplatten verkauft.

1957 stellte die britische Decca die ersten Stereo-Schallplatten vor. 1958 kamen die Stereo-Schallplatten in den Handel, wobei sich die Industrie auf eine Schneidenorm geeinigt hatte, so dass der Käufer seine Repertoirewahl unabhängig von irgendwelchen Systembeschränkungen treffen konnte. Stereo-Schallplatten fanden schnell Absatz, obwohl sie zunächst noch nicht als "auch mono abspielbar" (siehe Kompatibilität) vermarktet wurden. 1959 stellte die westdeutsche Schallplattenindustrie bereits 1.3 Millionen Stück her, und zwar ausschliesslich Langspielplatten. Die Stereo-Single wurde erst Mitte der 1960er Jahre lanciert.

1960 betrug der Anteil der Stereo-Schallplatten am gesamten Langspielplattenumsatz bereits 25%. Doch die Mono-Schallplatte existierte weiter, obwohl ab den frühen 1960er Jahren fast alle Stereo-Schallplatten als kompatibel gehandelt wurden. Seit damals wurde ausnahmslos stereophon für die Schallplatte produziert, wenn auch des öfteren Aufnahmen zunächst nur in der abgemischten Monofassung veröffentlicht wurden. Erst seit Juli 1967 presste beispielsweise die englische EMI alle ihre Neuerscheinungen nur noch in Stereo. Bis zu diesem Zeitpunkt waren alle Stereo-Produktionen dieser Firma auch in simultanen Mono-Fassungen erhältlich gewesen.

Siehe auch: Aufnahmeverfahren, Flankenschrift, stereophonisierte Platte

Literatur

  • Johannes Webers: Tonstudiotechnik : Handbuch der Schallaufnahme und -wiedergabe bei Rundfunk, Femsehen, Film und Schallplatte. - München : Franzis, 4/1985
  • Michael Dickreiter: Handbuch der Tonstudiotechnik : Band 1. - München u. a. : K. G. Saur 5/1987
  • John Borwick (Hrsg.); Sound recording practice. - Oxford, New York : Oxford University Press 3/1987
  • Robert E. Runstein: Modern recording techniques. - Indianapolis: Sams, 1974
  • Hans-Peter Reinecke: Stereo-Akustik : eine Einführung in die physikalischen, psychologischen und technischen Grundlagen stereophonen Musikhörens. - Köln: Gerig, 1966
  • Wilhelm Schlemm: Zur Problematik der künstlerischen Gestaltung bei der elektroakustischen Übertragung von Musik. - Diss. Berlin (Freie Universität), 1970
  • Fritz Bergtold: Moderne Schallplattentechnik [...]. - München : Franzis-Verlag, 2/1959. - S. 246-255
  • Michael H. Gray: The birth of Decca stereo. - In: ARSC Journal 18 (1986), Nr. 1/3, S. 4-19
  • Arthur C. Keller: Early hi-fi and stereo recording at Bell Laboratories (1931-1932). - In: Journal of the Audio Engineering Society 29 (1981), Nr. 4, S. 274-280
  • H. E. Roys (Hrsg.): Disc recording and reproduction. - Stroudsburg, PA : Dowden, Hutchinson and Ross, 1978. - S. 339-346