Harald Juhnke/Biografie/1929-1969

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1929

  • 10. Juni: Harry Heinz Herbert Juhnke wird in der städtischen Frauenklinik Charlottenburg in Berlin geboren. Harry wird er wegen eines Faibles seines Vaters für den Kino-Draufgänger Harry Piel getauft. Der Vater Herbert Hermann Heinrich Juhnke stammt aus Znin, einer kleinen ostpreussischen Kreisstadt im Regierungsbezirk Bromberg und war ab 1916 im Ersten Weltkrieg Soldat. 1923/24 war er kurz Buchhalter bei der Deutschen Bank in Berlin bevor er er als ziviler Sachbearbeiter für Löhne und Gehälter bei der Polizeiverwaltung in Frankfurt an der Oder zu arbeiten begann. Alös diese Dienststelle 1929 aufgelöst und nach Berlin verlegt wurde wurde er schliesslich Angestellter im Archiv des Berliner Polizeipräsidiums. Die Mutter Margarete, geborene Kolberg, Tochter eines Bäckermeisters, stammt aus Frankfurt an der Oder. Die Familie wohnt zu der Zeit im Wedding in einer 2-Zimmer-Wohnung in der zweiten Etage der Stockholmer Strasse 29. Harry bleibt ein Einzelkind und soll den Vorstellungen seiner Mutter gemäss Bäcker werden.

1933

Familie Juhnke zieht in eine 2 1/2-Zimmer-Wohnung mit Loggia an die Fordoner Strasse und der Vater tritt schliesslich der NSDAP bei. Harry geht dann zuerst in die Volksschule gleich nebenan, später auf die Oberschule in die Badstrasse.

1939

Harry tritt als Pimpf dem Deutschen Jungvolk (DJ) bei, der Hitler-Jugend-Abteilung für die 10- bis 14-jährigen, und ist davon begeistert. Juhnke später: "Ich war nicht die Ausnahme, ich war die Regel." Er bringt es bis zum Anführer und versäumt kein Zeltlager und keine Schnitzelbank. Zwar fühlt er sich durch einen Händedruck von Propagandaminister Goebbels geehrt, äfft ihn aber dennoch nach mit Sprüchen wie: "Die Zeiten, in denen die Filmschauspielerinnen durch die Betten der Regisseure gingen, ist vorbei - jetzt sind wir dran!" Später sagt Juhnke, er sei zu der Zeit zur Hälfte ein Raufbold, zur Hälfte ein Aufschneider gewesen - "So'n Mini-Münchhausen von der Berliner Plumpe."

Bei der Flieger-HJ macht Harry dann zwei Lehrgänge mit und schafft den A- und den B-Segelfliegerschein.

1941

Gemeinsam mit Jo Herbst wird Harry per Kinderlandverschickung nach Hohensalza (Kóscielec) in den Warthegau verfrachtet wo sie beide Karl May einstudieren, Harry als Winnetou.

1944

Harry meldet sich freiwillig als Offiziersbewerber zur Luftwaffe und wird tatsächlich registriert. Per Kinderlandverschickung geht's dann aber erstmal nach Tschaslau (Cáslav) im Protektorat Böhmen-Mähren (Tschechoslowakei). Als er anstatt Panzergr äben auszuheben im Bett bleibt, pflegt ihn ein älteres tschechisches Mädchen, mit dem er erstmals "zur Sache" kommt. Wenig später wird Harry zum Fliegerhorst Schüttenhofen (Susice) verlegt.

1945

  • März: Während einer Dienstfahrt nach Leipzig zur Beschaffung von Panzerfäusten, entfernt sich Harry von der Truppe und findet sich mit einem "Blitzmädchen" im Zug nach Halle fahrend wieder. "Wir taten, was angezeigt war. Dalli-dalli." Auf der dritten Station verabschiedet er sich und wird von einem LKW-Fahrer nach Leipzig zurückgefahren.
  • Mai: Nachdem Harry wegen Hitlers Tod geheult hat und allein mit einer Panzerfaust die auftauchenden US-Panzer bekämpfen will, wird er wenig später zusammen mit seinem Freund Heini Heise von einem schwarzen US-Soldaten gefangengenommen. Als die beiden an die Russen ausgeliefert werden, fliehen sie aus dem Gefangenenlager und trampen auf abenteuerlichen Wegen zurück nach Berlin, wo sie am 31. Mai eintreffen.

Wie Juhnke später dem deutschen Bundeskanzler Helmut Schmidt mitteilte, entwirft er noch nach der Kapitulation 1945 gemeinsam mit seinem Freund Manfred ein Flugblatt mit schwarzweissroter Fahne und der Überschrift: "Die deutsche Jugend bleibt wachsam!" Wachgerüttelt haben ihn dann erst Überlebende aus dem KZ.

Wieder in der Heimat geht Harry wieder in die Schule und bandelt in der Westminster-Bar mit der "Franzosen-Uschi" an, in deren Auftrag er Penicillin für russische Offiziere schmuggelt. Später beginnt Harry dann selbst zu schieben und lernt Heini Holl kennen. Bald beginnt er in Berlin den Korn zu verkaufen, den er sich bei seinem Vetter Harald in Frankfurt an der Oder beschafft. Dort lernt er auch Annelore kennen, in die er sich zum erstenmal verliebt. Zur selben Zeit lernt er den "schönen Horst" (Horst Motzek) kennen und beginnt blaue Wildlederschuhe mit Keilabsatz, einen hellgrauen Zweireiher mit dunkelbraunen Nadelstreifen und dazu einen breitkrempigen Hut zu tragen. Harry's Berufswunsch ist es inzwischen, Mediziner zu werden. Nachdem beide in der Schule nicht versetzt werden, leisten sie sich von ihrem selbstverdienten Geld eine Privatschule, die sie jeweils nachmittags besuchen wollen - nur dass da immer die guten Filme im Kino laufen. Beide rasseln durch die Prüfung.

1948

  • Ende März: Zufällig begegnet Harry auf der Strasse seinem alten Schulkameraden Jo Herbst, der jetzt eine Schauspielschule besucht und auch schon in einem Film mitgespielt hat.
  • 8. April: Harry sieht sich auf Einladung von Jo Herbst hin im Deutschen Theater in der Schumannstrasse "Romeo und Julia" mit Horst Caspar und Antje Weisgerber an. Von dem Abend an steht für Harry fest - er will och an die Schauspielschule. Anstatt mit Käse, Cognac und Zigaretten zu handeln beginnt Harry nun zu lesen, besonders Richard Biedrzynski's Buch "Schauspieler, Regisseure, Intendanten" (1944) über die Berliner Theaterszene hat es ihm angetan. Zwei- bis dreimal pro Woche geht er ins Theater: Wolfgang Borcherts Draussen vor der Tür, Bert Brechts Furcht und Elend des Dritten Reiches, Jean-Paul Sartres Fliegen und Klassiker ebenso wie die Friedrich-Schröder-Revue Chanel Nr. 5 sind von nun an sein Brot.
  • Juni: Nach der Währungsreform hört Harry auf zu schieben und verkauft sogar seine schicken Klamotten um flüssig zu werden. Er spricht beim Schauspieler Hans Söhnker vor, der zwar über Harry's Aussprache lacht, ihm aber auch sagt: "Irgendwas ist in dir, mein Junge. Du brennst. Verstehst du mich? Und wenn einer brennt - ich meine, vor Leidenschaft sich verzehrt, dann... dann gehört er ans Theater." Seine Eltern sind davon zuerst allerdings nicht sonderlich begeistert, doch Harry kann bereits bei der 62jährigen Marlise Ludwig Schauspielunterricht nehmen. Das kostet ihn allerdings 90 Mark im Monat und die hat er nicht - also beginnt Frau Ludwig ihn "auf Verdacht" zu unterrichten.

Im ersten Jahr bei Marlise Ludwig taucht Klaus Kinski oft auf. Harald Juhnke: "Kinski, damals einundzwanzig, hatte bereits seinen Krokodilsblick, mit dem er die Umwelt vereinnahmte oder abstiess. Mich verwirrte und entzückte er gleichermassen. Ich sass zu seinen Füssen, wenn er eine Rolle probte und danach kundgab, warum diese Rolle und weshalb auf jene Weise. Klaus erzählte nicht, er manifestierte. Ich fragte mich: Muss man als Schauspieler so sein? Wortlos kam ich mir ihm gegenüber vor. Wortlos und leise und brav. Er verströmte Barrikadenluft - ich schrübte und kämmte mich."

  • 9. November: Harry Juhnkes erster von Marlise Ludwig vermittelter Auftritt in Trenjows "Ljubow Jarowaja", zusammen mit Hans Anselm Merten und Marlise Ludwig. Harrys Mutter sitzt im Publikum und ist begeistert. Regie: Hans Rodenberg., ein Stanislawski-Jünger. Für 15 (Tapeten-)Mark und ein Pajok (die russische Form des Care-Pakets) spielt Harry einen jungen Offizier während der Russischen Revolution. Nach der Première bietet Hans Rodenberg Harry Juhnke einen Platz an der DEFA-Nachwuchsschule an doch Harry lehnt ab. Mit Marlise Ludwig lernt er seine Rollen in Rekordzeiten. "Der Harald, der geht so gut, seht euch den an", sagt sie zu seinen Mitschülerinnen. Unter acht Frauen ist er der einzige Mann. An freundlichen Tagen erklärt im Marlise Ludwig: "Du wirst einmal ein Viktor-de-Kowa-Nachfolger werden."

1949

  • Sommer: Harry Juhnke spielt eine Hauptrolle (Dr. Trench) im Stück Die Häuser des Herrn Sartorius in Neustrelitz.

1950

Harry Juhnke erhält sein erstes Engagement am Theater Neustrelitz bei Schwerin. Von dort wechselte er an die Freie Volksbühne in Berlin. Später tritt er in Hamburg, Köln, Düsseldorf und München auf, wo er gelegentlich in der "Kleinen Komödie" gastiert.

  • 20. September: Harry Juhnke spielt in Per Schwenzens Karthagischer Komödie seine erste Hauptrolle. Mit im Stück dabei sind Waltraut Runze und Otto Graf.

195?

Harald Juhnke verheiratet sich mit der Schauspielerin Sybil Werden, einer früheren Primaballerina an der Berliner Staatsoper. Sohn Peer stammt aus dieser ersten Ehe, die nach neun Jahren geschieden wird.

1952

  • 2. Februar: Harald Juhnke spielt im Berliner Theater am Kurfürstendamm im Stück Fips mit der Angel mit Nils-Peter Mahlau.

1953

Noch während seines Aufenthalts auf der Schauspielschule wird Harry von Carl Fröhlich für den Film Drei Mädchen spinnen engagiert. Fröhlich attestiert ihm: "Du kannst mal sone Mischung aus Albers und Rühmann werden."

1954

  • 5. November: Deutsche Première des Elia Kazan-Films Die Faust im Nacken [Originaltitel On the waterfront]. Die Stimme Marlon Brando's wurde dafür von Harald Juhnke synchronisiert, der für diesen Job vom US-Produzenten Sam Spiegel persönlich ausgewählt wurde. Harald hatte für den Job eigens in schwarzer Lederjacke vorgesprochen.
  • 23. Dezember: Première von Kleists Stück Der zerbrochene Krug im Berliner Theater am Kurfürstendamm. Harald Juhnke spielt den Ruprecht, Ernst Schröder den Dorfrichter Adam. Das Stück wird auch in London aufgeführt.

1955

Das Ehepaar Juhnke verliert seine vierzehn Monate alte Tochter. Juhnke erzählt viele Jahre später, seine Frau habe damals behauptet, seine Frau habe damals behauptet, das Kind wäre unter Alkohol gezeugt worden und deshalb zum Sterben verurteilt gewesen: "Die Ärzte haben mir das ausgeredet."

1957

  • 21. Februar: Käthe Dorsch, Antje Weisgerber, Harald Juhnke und Werner Bruhns spielen im Renaissance-Theater Berlin in Sidny Howard's Stück Die Silberschnur.

1958

  • 26. Februar: Harry Meyen inszeniert mit Harald Juhnke im Renaissance-Theater Berlin Oscar Wilde's Komödie Bunbury. Im Stück spielen auch Ursula Herking und F. O. Krüger.

1959

  • 26. Februar: Juhnke liefert der Polizei eine filmreife Verfolgungsjagd im Auto durch die südlichen West-Berliner Bezirke. Später wird es im Polizei-Protokoll heissen: "Wenige Minuten nach Mitternacht beobachtete eine Zivilstreife, wie ein Volkswagen drei Ampelanlagen in der Schlossstrasse bei rotem Licht überquerte. Die Wachtmeister nahmen sofort die Verfolgung auf. Als der Fahrer des Volkswagens seine Verfolger bemerkte, versuchte er mit Vollgas zu entkommen. Der verfolgte Schauspieler schaltete mehrmals bei voller Geschwindigkeit das Licht aus, überquerte mit hoher Geschwindigkeit Vorfahrtsstrassen und brachte Fussgänger und Kraftfahrer in höchste Gefahr." Juhnke erklärte später, ein plötzliches Angsgefühl habe ihn dazu gebracht, so schnell zu fahren. Dass er verfolgt wurde, habe er gar nicht bemerkt. Nachdem die Funkstreife den Raser an der Lichterfelder Finckensteinallee gestellt hat, beschimpft Juhnke die Beamten als "Rotzköppe" und "Drecksäue" und droht mit der Roten Armee: "Wenn die Russen erst in West-Berlin sind, werdet ihr schon eure Quittung erhalten." Beim anschliessenden Faustkampf wird einer der Wachtmeister verletzt.
  • 22. Mai: "Ich weiss nichts mehr", sagt Juhnke zu den Ereignissen der Nacht vom 25. auf den 26. Februar aus. "Mir muss der Faden gerissen sein." Als Entlastungszeugen hat er seinen Freund mitgebracht, den Boxer Bubi Scholz. Das Urteil des Landgerichts Moabit lautet wegen Verkehrsgefährdung, Trunkenheit am Steuer, Körperverletzung, Beleidigung und Widerstand gegen die Staatsgewalt auf sieben Monate Gefängnis.

1960

  • Juli: Harald rückt im schicken Anzug in die Justizvollzugsanstalt Tegel ins Haus II ein, die Abteilung für Schwerverbrecher.
  • Oktober: Nach einigen Wochen als Tomatenpflücker in der Gefängnisgärtnerei sowie auf der Krankenstation wird Juhnke nach zweieinhalb Monaten Vollzug vorzeitig entlassen, der Rest der insgesamt siebenmonatigen Haftstrafe wird - nach einer zunächst erfolglosen Berufung - zur Bewährung ausgesetzt. Freunde erwarten ihn mit einer Whiskyflasche vor dem Gefängnistor. Harald erklärt, er habe sich zu dem Entschluss durchgerungen, nie wieder ein Auto zu lenken. Und: "Keinen Tropfen mehr!" Die Abstinenz vom Auto hat er durchgehalten, bis heute.

Im Wolfgang Staudte-Film Der letzte Zeuge (1960) spielt Harald Juhnke Martin Held, einen Polizeibeamten.

1961

  • Januar: Deutsche Uraufführung des Stücks Irma la Douce in Baden-Baden. Mit dabei sind Margrit Saad und Harald Juhnke.
  • März: In Hugh Herbert's Stück Wolken sind überall an der Komödie Berlin spielt Harald Juhnke neben Chariklia Baxevanos.

Mit der Schauspielerin Chariklia "Baxi" Baxevanos geht Harald Juhnke eine zehn Jahre andauernde Berliner Traumbeziehung ein. Beide spielen Boulevard-Theater am Kurfürstendamm.

196?

In München verlässt Harald Juhnke Hals über Kopf die Dreharbeiten zu einem Fernsehspiel, als er in der Zeitung liest, Chariklia und Harry Meyen, die am Kurfürstendamm gemeinsam auf der Bühne stehen, hätten allem Anschein nach nun auch privat angebandelt. Juhnke steigt ins nächste Flugzeug nach Berlin, die Vorstellung läuft bereits, als er im Theater ankommt. Er macht Chriklia eine Szene und ruft nach Meyen. Das Publikum bemerkt den Tumult hinter den Kulissen, der Inspizient greift ein und verständigt die Polizei. Juhnke wird aus Harry Meyens Garderobe abgeführt, er ist betrunken.

1966

Harald Juhnke spielt in der Münchner "Kleinen Komödie" in F. H. Herberts Boulevardstück Jungfrau auf dem Wolkenkratzer die ihm häufig zugedachte Rolle des Liebhabers. Hanns Braun spricht daraufhin in der Süddeutschen Zeitung von "jener an genehmen Nonchalance, die ein Mitbringsel des Schauspielers ist".

Veröffentlichung des Albums MIT BEIDEN HÄNDEN IN DEN TASCHEN, das u. a. folgende Lieder enthält: "Ein Whisky zuviel", "Ich bin ich", "Ich versetze Berge", "Was nützt das schlechte Leben", "Eine schöner als die andere" und "Mich nennen alle Frauen Casanova".