1797 Augustin Fangé Buch "Geschichte des männlichen Barts unter allen Völkern der Erde bis auf die neueste Zeit (Für Freunde der Sitten und Völkerkunde)"/Siebentes Kapitel: Unterschied zwischen den Versionen

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Es war eine alte Gewohnheit, zur Verstärkung des Ansehens der öffentlichen Traktaten, die man abschloss, einige Haare des Barts an das Siegel zu befestigen, welches an alten Urkunden hängt. Dom Claude Estiennot erzählt in seiner handschriftlichen Sammlung alter Stücke von einer Urkunde aus dem Jahr 1121, wo dieser Gebrauch ausdrücklich bezeichnet ist. "Damit gegenwärtiges mehrere Gewisheit und Festigkeit erhalte, habe ich ihm die Bekräftigung meines Siegels , nebst drey Haaren meines Barts ertheilt." (<i>Glossar.</i> unter dem Wort, "Bart") Dasselbe liest man in einer Schenkung, die 1181 vom heiligen Florent de Saumur zu Stande gebracht wurde. "Und damit dieses Allmosen den Mönchen unangestastet bleibt, habe ich es durch Aufdrückung meines Siegels, nebst dreyen von meinen Haaren, wie der Augenschein ergibt, bekräftigen lassen." (<i>Ducang. Suppl. Gloss.</i> Theil III, unter dem Wort "Pilum")
 
Es war eine alte Gewohnheit, zur Verstärkung des Ansehens der öffentlichen Traktaten, die man abschloss, einige Haare des Barts an das Siegel zu befestigen, welches an alten Urkunden hängt. Dom Claude Estiennot erzählt in seiner handschriftlichen Sammlung alter Stücke von einer Urkunde aus dem Jahr 1121, wo dieser Gebrauch ausdrücklich bezeichnet ist. "Damit gegenwärtiges mehrere Gewisheit und Festigkeit erhalte, habe ich ihm die Bekräftigung meines Siegels , nebst drey Haaren meines Barts ertheilt." (<i>Glossar.</i> unter dem Wort, "Bart") Dasselbe liest man in einer Schenkung, die 1181 vom heiligen Florent de Saumur zu Stande gebracht wurde. "Und damit dieses Allmosen den Mönchen unangestastet bleibt, habe ich es durch Aufdrückung meines Siegels, nebst dreyen von meinen Haaren, wie der Augenschein ergibt, bekräftigen lassen." (<i>Ducang. Suppl. Gloss.</i> Theil III, unter dem Wort "Pilum")
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Man liest in einem alten Fragment von einer <i>Geschichte Frankreichs</i>, die zu Canisius herausgekommen ist, es sey in dem Traktat, welcher zwischen Alrich, dem König der Gothen, und Clodwich, dem König der Franken abgeschlossen worden, ausdrücklich bedungen worden, dass Alrich den Bart von Clodwich berühren sollte, um dadurch sein Verwandter zu werden. "Dass Alrich Clodwichs Bart berühren soll, wodurch er sein Verwandter werde." Bey Duchesne in der Geschichte der Franken lehrt uns Gerard von Roo, Friedrich, Herzog von Oesterreich und Römischer König habe seinen Bart, nachdem er ihm sich abscheren lassen, Karl, dem König von Ungarn als ein Unterpfand der Verbindung und Freundschaft überschickt, die er mit ihm habe errichten wollen.
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== II. Bärte, die man verpfändete ==
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Hier ist ein sonderbares Faktum, welches deutlich zu erkennen gibt, wie sehr die Orientaler im zwölften Jahrhundert den Bart schätzten; es würde für unglaublich gehalten werden können, wenn es nicht von Wilhelm von Tyrus, einem sehr ernsthaften Schriftsteller, der fast Augenzeuge davon war, bestätigt würde. Baudouin du Boury, Graf von Edesse, ein Cousin von Gottfried von Bouillon, König von Jerusalem, und in der Folge dessen Nachfolger; Baudouin, sage ich, sah seine Finanzen durch den Krieg, den er hatte fortführen müssen, erschöpft, und da er nicht wusste, wovon er die Truppen, die er in seinem Dienste hatte, besolden sollte, fiel er, um von Gabriel, Herrn von Melidine, seinem Schwiegervater Geld zu bekommen, auf folgendes Auskunftsmittel:
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Da er wusste, dass man im Orient viel auf den Bart hielt, den man in diesen Gegenden für eine Hauptzierde des Mannes ansah, zumahl wenn er sehr lang war, so besprach sich Baudouin, der einen Bart trug, welcher ihm bis auf die Brust ging, mit einem Officier von den Truppen, unter deren Begleitung er zu seinem Schwiegervater gekommen war, dem er seine Visite machen wollte: er sollte, wenn sie sich miteinander unterhielten, eintreten und ihm gleichsam im Namen seiner gesammten Truppe Vorstellungen darüber thun, welche Gefahren und Strapazen sie in seinem Dienst und um ihm wieder zu seiner Grafschaft Edesse zu verhelfen, ausgestanden hätten; sie hätten schon lange den Sold, der er ihnen versprochen gehabt habe, nicht erhalten, und da sie nun aufs Aeusserste gebracht wären, so wäre es Zeit, ihnen entweder ihren Sold auszuzahlen oder das Versprechen zu erfüllen, das er ihnen, im Fall er nicht im Stande wäre, sie zu bezahlen, gethan hätte.
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Der Herr Gabriel, welcher sich die Klagerede des Officiers hatte erklären lassen, wünschte zu wissen, was der Graf Baudouin seinen Soldaten eidlich versprochen hätte. Der Graf stellte sich, als könnte er es seinem Schwiegervater nicht gestehen. Der Offizier antwortete für ihn, Baudouin habe sich, für den Fall er sie in einem gewissen dazu bestimmten Tage nicht bezahlen könnte, verbindlich gemacht, sich seinen Bart abschneiden zu lassen. Der Herr Gabriel war über dieses Versprechen ganz erstaunt, denn alle Orientaler unterhalten, wie Wilhelm von Tyrus an dieser Stelle versichert, ihren Bart mit äusserster Sorgfalt und betrachten es als einen Schimpf, als die entehrendste Entwürdigung, wenn man ihnen nur ein einziges Haar aus ihrem Barte riss. Als daher der Graf Gabriel den Grafen Baudouin fragte, ob dem so sey, so leugnete dieser das Faktum nicht. Wie, erwiederte Gabriel, ihr habt eine so kostbare Sache, welche das Zeichen eines Mannes, die Zierde seines Gesichts, der fühlbarste Beweis seiner Würde und seines Ansehns ist, als wenn es die werthloseste Sache wäre, die man einem Manne nehmen könnte, ohne ihn mit Verwirrung zu schlagen, zum Pfand auszusetzen gewagt?
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Der Graf antwortete, er habe es nicht ändern können; allein er hoffte bey seiner Zurückkehr nach Edessa ein Mittel zu finden, seine Soldaten zufrieden zu stellen, und er würde sie bis dahin um Credit bitten. Hierauf schrieen die Soldaten insgesammt, wenn er sie nicht augenblicklich befriedigte, so würden sie ihn alle verlassen. Da dieses der Herr Gabriel hörte, bezahlte er die Soldaten lieber aus seiner eigenen Schatzkammer, ehe er zugegeben hätte, dass sein Schwiegersohn einen solchen Schimpf duldete; er that diess, nachdem er zuvor das Versprechen von dem Grafen sich hatte geben lassen, sich auf keine solche Art wieder verbindlich zu machen, und keine Bedingung der Art mehr einzugehen. Der Renntmeister Bernard erzählt dieselbe Geschichte fast mit denselben Ausdrücken, wie Wilhelm von Tyrus. Nur setzt er noch hinzu, Gabriel habe es haben wollen, dass Baudouins Soldaten denselben Eid ablegen sollten. (Bern. <i>Thesaurus über die Acquisition des heiligen Landes</i>)

Version vom 5. September 2009, 08:56 Uhr

I. Gebrauch des Barts bey Abschliessung von Bündnissen
II. Bärte, die man verpfändete
III. Schwüre bey dem Bart
IV. Aufnahme an Kindes Statt durch Abschneidung der Haare des Kopfs und des Barts
V. Gewöhnliche Cäremonien, wenn man sich den Bart das erstemal abscheren liess

I. Gebrauch des Barts bey Abschliessung von Bündnissen

Es war eine alte Gewohnheit, zur Verstärkung des Ansehens der öffentlichen Traktaten, die man abschloss, einige Haare des Barts an das Siegel zu befestigen, welches an alten Urkunden hängt. Dom Claude Estiennot erzählt in seiner handschriftlichen Sammlung alter Stücke von einer Urkunde aus dem Jahr 1121, wo dieser Gebrauch ausdrücklich bezeichnet ist. "Damit gegenwärtiges mehrere Gewisheit und Festigkeit erhalte, habe ich ihm die Bekräftigung meines Siegels , nebst drey Haaren meines Barts ertheilt." (Glossar. unter dem Wort, "Bart") Dasselbe liest man in einer Schenkung, die 1181 vom heiligen Florent de Saumur zu Stande gebracht wurde. "Und damit dieses Allmosen den Mönchen unangestastet bleibt, habe ich es durch Aufdrückung meines Siegels, nebst dreyen von meinen Haaren, wie der Augenschein ergibt, bekräftigen lassen." (Ducang. Suppl. Gloss. Theil III, unter dem Wort "Pilum")

Man liest in einem alten Fragment von einer Geschichte Frankreichs, die zu Canisius herausgekommen ist, es sey in dem Traktat, welcher zwischen Alrich, dem König der Gothen, und Clodwich, dem König der Franken abgeschlossen worden, ausdrücklich bedungen worden, dass Alrich den Bart von Clodwich berühren sollte, um dadurch sein Verwandter zu werden. "Dass Alrich Clodwichs Bart berühren soll, wodurch er sein Verwandter werde." Bey Duchesne in der Geschichte der Franken lehrt uns Gerard von Roo, Friedrich, Herzog von Oesterreich und Römischer König habe seinen Bart, nachdem er ihm sich abscheren lassen, Karl, dem König von Ungarn als ein Unterpfand der Verbindung und Freundschaft überschickt, die er mit ihm habe errichten wollen.

II. Bärte, die man verpfändete

Hier ist ein sonderbares Faktum, welches deutlich zu erkennen gibt, wie sehr die Orientaler im zwölften Jahrhundert den Bart schätzten; es würde für unglaublich gehalten werden können, wenn es nicht von Wilhelm von Tyrus, einem sehr ernsthaften Schriftsteller, der fast Augenzeuge davon war, bestätigt würde. Baudouin du Boury, Graf von Edesse, ein Cousin von Gottfried von Bouillon, König von Jerusalem, und in der Folge dessen Nachfolger; Baudouin, sage ich, sah seine Finanzen durch den Krieg, den er hatte fortführen müssen, erschöpft, und da er nicht wusste, wovon er die Truppen, die er in seinem Dienste hatte, besolden sollte, fiel er, um von Gabriel, Herrn von Melidine, seinem Schwiegervater Geld zu bekommen, auf folgendes Auskunftsmittel:

Da er wusste, dass man im Orient viel auf den Bart hielt, den man in diesen Gegenden für eine Hauptzierde des Mannes ansah, zumahl wenn er sehr lang war, so besprach sich Baudouin, der einen Bart trug, welcher ihm bis auf die Brust ging, mit einem Officier von den Truppen, unter deren Begleitung er zu seinem Schwiegervater gekommen war, dem er seine Visite machen wollte: er sollte, wenn sie sich miteinander unterhielten, eintreten und ihm gleichsam im Namen seiner gesammten Truppe Vorstellungen darüber thun, welche Gefahren und Strapazen sie in seinem Dienst und um ihm wieder zu seiner Grafschaft Edesse zu verhelfen, ausgestanden hätten; sie hätten schon lange den Sold, der er ihnen versprochen gehabt habe, nicht erhalten, und da sie nun aufs Aeusserste gebracht wären, so wäre es Zeit, ihnen entweder ihren Sold auszuzahlen oder das Versprechen zu erfüllen, das er ihnen, im Fall er nicht im Stande wäre, sie zu bezahlen, gethan hätte.

Der Herr Gabriel, welcher sich die Klagerede des Officiers hatte erklären lassen, wünschte zu wissen, was der Graf Baudouin seinen Soldaten eidlich versprochen hätte. Der Graf stellte sich, als könnte er es seinem Schwiegervater nicht gestehen. Der Offizier antwortete für ihn, Baudouin habe sich, für den Fall er sie in einem gewissen dazu bestimmten Tage nicht bezahlen könnte, verbindlich gemacht, sich seinen Bart abschneiden zu lassen. Der Herr Gabriel war über dieses Versprechen ganz erstaunt, denn alle Orientaler unterhalten, wie Wilhelm von Tyrus an dieser Stelle versichert, ihren Bart mit äusserster Sorgfalt und betrachten es als einen Schimpf, als die entehrendste Entwürdigung, wenn man ihnen nur ein einziges Haar aus ihrem Barte riss. Als daher der Graf Gabriel den Grafen Baudouin fragte, ob dem so sey, so leugnete dieser das Faktum nicht. Wie, erwiederte Gabriel, ihr habt eine so kostbare Sache, welche das Zeichen eines Mannes, die Zierde seines Gesichts, der fühlbarste Beweis seiner Würde und seines Ansehns ist, als wenn es die werthloseste Sache wäre, die man einem Manne nehmen könnte, ohne ihn mit Verwirrung zu schlagen, zum Pfand auszusetzen gewagt?

Der Graf antwortete, er habe es nicht ändern können; allein er hoffte bey seiner Zurückkehr nach Edessa ein Mittel zu finden, seine Soldaten zufrieden zu stellen, und er würde sie bis dahin um Credit bitten. Hierauf schrieen die Soldaten insgesammt, wenn er sie nicht augenblicklich befriedigte, so würden sie ihn alle verlassen. Da dieses der Herr Gabriel hörte, bezahlte er die Soldaten lieber aus seiner eigenen Schatzkammer, ehe er zugegeben hätte, dass sein Schwiegersohn einen solchen Schimpf duldete; er that diess, nachdem er zuvor das Versprechen von dem Grafen sich hatte geben lassen, sich auf keine solche Art wieder verbindlich zu machen, und keine Bedingung der Art mehr einzugehen. Der Renntmeister Bernard erzählt dieselbe Geschichte fast mit denselben Ausdrücken, wie Wilhelm von Tyrus. Nur setzt er noch hinzu, Gabriel habe es haben wollen, dass Baudouins Soldaten denselben Eid ablegen sollten. (Bern. Thesaurus über die Acquisition des heiligen Landes)