Text "Das Juhnke-Prinzip (Innovatorische Volkspresse)" (Eckhard Henscheid)

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Autor Eckhard Henscheid
Texttitel Das Juhnke-Prinzip
Untertitel Innovatorische Volkspresse
Sprache Deutsch
Textform
Veröffentlichung 1981.09.11 Rheinischer Merkur

Text

Eins muss man der Bild-Zeitung lassen: Wenn in diesem Lande journalistisches Neuland betreten wird, ja Revolution sich ankündigt - Bild ist fast immer mit dabei und führend!

Denn wo, wann und warum hätte es das je zuvor gegeben, dass ein durchschnittlich populärer und unterdurchschnittlich begabter Schauspieler und Quizmaster kraft blossen Vorsichhinlebens seit mehr als einem Jahr Schlagzeilen macht und die Seiten einer Zeitung füllt - und umgekehrt durch diese beharrlich erst zu dem gemacht wird, was er heute zumindest für Bild ist: "Deutschlands aufregendster Showmaster". Und dies, obgleich er wesentlich ein Nichts ist? Allenfalls ein etwas durstiges.

Für weniger Bild- und populärmedienversierte Leser: Die Rede ist von Harald Juhnke. Seit Monaten ist er in mindestens jeder zweiten Bild-Ausgabe präsent, und zwar a) and sich und b) weil er - angeblich! - ein Schluckspecht ist. "Juhnke: betrunken" (Bild). Ein paar Tage später: "Juhnke: nie wieder Alkohol" (Bild). Zwei Tage später: "Juhnke: Warum soll ich nicht einen heben?" (Bild am Sonntag). Und dann nach einer Woche: "Juhnke: Wieder betrunken" (Bild).

Lassen wir die Frage offen, ob es auch nur von winzigstem Belang sei, dass Harald öfter einen zwitschert; keineswegs scheint, nebenbei, auch so recht ausgemacht, dass er das öfter tut als 80 Prozent der Deutschen. Da gehen auch Bild mitunter die Beweise aus. Schweigen wir ferner über den PR-Clou, sich ausgerechnet über Gevatter Alkohol der Seele der Deutschen einzugraben - ja, unterdrücken wir auch gleich in einem Aufwasch den Verdacht, dass es sich hier um eine kalkulierte Gemeinschaftsidee von Juhnke und Bild handle, mit dem kargen Ziel: ein bisschen öden Spass in sonst unspassige oder vielmehr: eh schon g'spassige Zeit zu placieren; wobei Bild selbst wohl erstaunt war ob der Erkenntnis: mit welch unglaublichem Käse man die Leser offensichtlich monatelang bei Laune halten kann!

Schier aberwitzig ist das alles - und doch werden all diese Vorgänge durch einen zeitungsformalen Aspekt an stupender Stupidität noch übertroffen: Ist es nicht ein Einzigartiges, eröffnet es nicht wahrhaft neue Zeitungsdimensionen, wie wunderbar prägnant das Nichts hier Information wird und in Headline-Sprache wie "Juhnke: betrunken", "Juhnke: Nie wieder", "Juhnke: Versöhnung" Gestalt gewinnt?

Eben. Nur könnte und sollte, ja müsste Bild noch viel konsequenter werden. Ab sofort sollte wirklich jeden Tag eine solche Nachricht nachgeschoben werden: "Juhnke: Jetzt ist endlich Schluss!" "Juhnke: Lässt erneut nicht nach!" "Juhnke: Ich bereue!" Sollte aber der gute alte Harald dereinst wirklich vom Bierglas und der Sektflasche lassen, dann - müsste die Kontinuität eben mit "Juhnke: mir geht's gut!" "Juhnke: topwohlauf!" fortgeführt werden. Dem Showmaster - gewährt mir die Bitte! - einen festen Platz in jeder, aber auch wahrlich jeder Bild-Ausgabe!

Freilich, nichts spräche dagegen, das Prinzip später auch auf andere Hochinteressantheiten auszudehnen. Etwa: "Charles und Di: Alles klar!", "Thoelke: wie bisher", "Derwall: allzeit fröhlich", "Franz: geht's prima". Die halbe, die ganze Bild-Zeitung wäre auf Jahre hinaus mit fixen Themenbeständen ausgebucht, das Leben bliebe überschaubar und grosse Klasse sowieso.

Versionen

Datum Autor Format Titel Verlag Anmerkungen
1981.09.11 Eckhard Henscheid Artikel Das Juhnke-Prinzip
Innovatorische Volkspresse
DE: Rheinischer Merkur
1989 Eckhard Henscheid Buch Was ist eigentlich der Herr Engholm für einer?
ausgewählte Satiren und Glossen : erste Folge, 1969-1989
CH: Zürich : Haffmans Verlag S. 117-118
ISBN 3-251-01050-6