Text "Ich ernähre mich von den Beilagen" (Joachim Bessing)

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Autor Joachim Bessing
Texttitel Ich ernähre mich von den Beilagen
Sprache Deutsch
Textform
Veröffentlichung 2009.07.12 Welt am Sonntag

Text

Ich ernähre mich von den Beilagen

Mit dem Cover für das Revolver-Album der Beatles hat Klaus Voormann eine Stilikone der Sixties geschaffen. Ein Gespräch über Trio, die 60er und vegetarische Ernährung

Kein Hotelzimmer, ein sogenanntes City-Apartment ohne Room-Service: Klaus Voormann war lange genug auf Tourneen unterwegs; den Mythos vom sorglosen Leben aus dem Koffer, mitsamt den Groupie-Orgien und Exzessen aus der Minibar, er hat ihn durchlebt und - hinter sich gelassen.

Er soll bereits 71 Jahre alt sein. Das ist schwer zu glauben, nicht nur, weil Klaus Voormann, vom grauen Haar abgesehen, schlank und frisch erscheint; nein, die Ära der Beatles, der Plastic Ono Band, von Dr. John und Manfred Man's Earth Band wirkt unvergänglich. Sound und Stil der Siebziger kommen in immer kürzeren Abständen wieder in Mode. Längst lohnt es nicht mehr, ein erneutes Comeback vermelden zu wollen.

Aber er, Klaus Voormann, ein Protagonist dieser ewig lodernden Vergangenheit, soll bereits im Rentenalter sein?

Auf dem Bett liegt ein Koffer, daneben ein silbern schimmerndes MacBook. Klaus Voormann trägt ein schwarzes T-Shirt. Eine Assistentin erhitzt in der Mikrowelle einen Becher Wasser für seinen Tee.

Welt am Sonntag: Sie sehen grossartig aus!

Klaus Voormann: Ich lebe gesund, das kann man nicht anders sagen. Manchmal werde ich rückfällig und esse Schokolade - aber von dem Zucker darin bekomme ich Kopfschmerzen.

Halten Sie eine spezielle Diät?

Voormann: Ich habe mal eine Weile bei George Harrison gelebt, zu der Zeit haben wir auch alle Mahlzeiten zusammen eingenommen. Das hat alles prima geschmeckt, aber erst nach drei Monaten fiel mir auf, dass da nie Fleisch dabei gewesen war. Seitdem lasse ich das Fleisch einfach weg.

Aber Sie leben doch in Bayern!

Voormann: Ja, und? Am Anfang haben mich die Leute gewarnt: Du musst doch Fleisch essen, sonst funktioniert dein Gehirn nicht!

Stimmt das denn gar nicht?

Voormann: Alles Quatsch.

Fisch lassen Sie auch weg?

Voormann: Eigentlich schon. Nur wenn ich in der Not bin, esse ich mal Fisch. Und Käse, Eier, die tierischen Fette, die esse ich schon. Muss aber nicht sein. Es gibt tolle Kombinationen, die rein pflanzlich sind. Ich sage nur: Bohnen und Mais - da sind mehr Proteine drin als in drei Steaks.

Und fehlt Ihnen der Geschmack?

Voormann: Man muss sich doch nicht über Vegetarier wundern! Ich erkläre es immer so: Bei den meisten Menschen liegt auf dem Teller das Steak, daneben die Beilagen. Ich ernähre mich von den Beilagen.

In den 80er-Jahren hörten Sie auf, selbst Musik zu machen. Davor hatten Sie lange mit dem Voodoo-Musiker Dr. John gespielt. Was kam dann?

Voormann: Als ich aus New Orleans zurückkam, habe ich mich in Deutschland als Bindeglied zwischen Band und der Plattenfirma angeboten. Ich bekam dann die Kassetten auf den Tisch, die Musiker an die Firma schickten, und machte meine Empfehlungen.

Was kriegt man da zu hören?

Voormann: Viel Grütze, das ist völlig klar. Aber Yello fand ich damals toll. Dann DAF, die Deutsch-Amerikanische Freundschaft. Und so bekam ich auch Trio - da war ich überwältigt. Immer wenn ich etwas richtig gut fand, habe ich mir die Bands an Ort und Stelle angesehen. Damals hatten Trio einen Auftritt in der Nähe von Grossenkneten.

Wie sah das aus?

Voormann: Da war dann vor allem der Stefan Remmler mit seinem Kahlkopf. Der hatte ein Hemd an, auf das er sich im Brustbereich zwei Herzen gemalt hatte, eines davon durchgestrichen. Alles war so richtig schön arm. Kralle, der Gitarrist, stand da mit Holzklotschen, die Schirmmütze auf - wie es später zu seinem Markenzeichen wurde. Das hat mich vor allem beeindruckt: dass diese Band von vorneherein ein Image hatte.

Aber sie galten als Dilettanten.

Voormann: Das Echo der Kritiker war äusserst peinlich. Da blieb nur festzustellen, dass die Presseleute Dilettanten waren. Weil sie nicht die Gabe hatten, die Potenz dieser Band zu würdigen.

Man hatte sich auf die Texte eingeschossen: auf das vermeintlich infantile "Da da da".

Voormann: Wenn man sich die erste LP vornimmt: Das sind keine schlechten Texte. Dahinter stecken Gedanken. Was Stefan nie gemacht hat, das war einen moralischen Anspruch zu erheben: "Du darfst nicht Fleisch essen", oder etwas ähnliches. Unterschwellig hat er den Leuten den Spiegel vorgehalten - und das ausgezeichnet.

Erinnern Sie sich an "Karl der Käfer", an "Das Fest auf der Waldlichtung" von Zupfgeigenhansel, wo es hiess "Wir feiern heut' ein Fest auf der Waldlichtung, einfach so, ohne Klo und ohne Schalldichtung" - das war ja auch stilistisch ernst gemeint gewesen. Darin sollte im Pop Widerstand formuliert werden, zumindest aber eine Alternative zum Bestehenden. Und die Musik war, wie Trio auch, in den Charts.

Voormann: Das kenne ich alles überhaupt nicht.

Das war Umweltlyrik. Die Bots hatten eine LP, die hiess Lieber schön krank, als Pharma getankt.

Voormann: Das kann ich alles auf den Tod nicht ab.

Ihr Revolver-Cover hat Schule gemacht. Derzeit ist dieser Illustrationsstil wieder in Mode. Wie ist der Entwurf damals zustande gekommen?

Voormann: John Lennon hatte mich angerufen: "Hast du eine Idee für unser neues Album?" Ich fuhr ins Studio, um mir die Aufnahmen anzuhören. Sie spielten mir "Tomorrow never knows" vor. Und dann schauten sie mich an. Alle vier. Mit grossen Augen. Was ich davon halte? Die schauten vor allem deswegen so gespannt, weil ihr Manager Brian Epstein Angst hatte, dass sie sich zu weit vom Geschmack ihrer Fans entfernt hatten. Also sagte ich: Wenn die Musik einen grossen Schritt für euren Musikstil bedeutet, dann muss das Cover ebenfalls einen grossen Schritt machen. Also zeichnete ich mit einem der ersten Magic Marker, die es gab. Die stanken noch fürchterlich. Ich zeichnete schwarz auf weiss - denn es war ja damals alles bunt. Den Entwurf habe ich der Band in der Cafeteria der EMI-Studios präsentiert.

Wie viel haben Sie 1966 für Ihre Idee bekommen?

Voormann: 50 Pfund.

Besitzen Sie die Originalzeichnung noch?

Voormann: Das ist eine interessante Geschichte. Nicht sehr schön. Das Original hat heute Joe Walsh von den Eagles. Die Zeichnung hängt bei ihm.

Hatten Sie es ihm verkauft?

Voormann: Ich bin der Meinung - er wird das abstreiten -, dass Ringo Starr ihm das Bild geschenkt hat. Und Ringo wird das einfach bei Apple Records aus dem Keller geholt haben. Die Fakten kenne ich nicht, ich weiss es aus zweiter Hand. Da sagte mir einer im Rock'n'Roll-Museum in Cleveland: "Hey Klaus, ich weiss, wo das Original von Revolver hängt." Daraufhin habe ich Joe Walsh angesprochen, und er hat angeboten, es mir leihweise zur Verfügung zu stellen. Für Ausstellungen.

Aber zurückgeben will er es nicht?

Voormann: Nö. Angeblich hat er es gekauft.

Versionen

Datum Autor Format Titel Verlag Anmerkungen
2009.07.12 Joachim Bessing Artikel Ich ernähre mich von den beilagen DE: Welt am Sonntag

Anmerkungen