Highschool
Nik Cohn 1968: "Die Rock-Musik des Südens war Hard Rock, der Rock des Nordens war Highschool.
Highschool war keine Musikform, sondern eine Einstellung, und sie lautete: "Wir gehen in die Highschool. Wir stehen auf Rock'n'Roll. Wir haben Dates und gehen zu Parties, und ja, manchmal treiben wir ein bisschen Necking, aber nein, Petting gibt es bei uns nicht. Auch verlieben wir uns und verzehren uns vor Leidenschaft. Wir schicken uns dann kleine Zettel während der Stunde und können nicht essen. Ja, nachts weinen wir sogar. Coke und Hamburgers finden wir klasse. Wir tragen Turnschuhe, kurze Shorts und Highschool-Pullis. Die Mädchen haben Pferdeschwänze und die Jungen einen Raspelschnitt. Unsere Eltern sind manchmal reichlich öde, aber wennschon, sie waren auch mal jung, und sie wollen nur unser Bestes. Schliesslich stehen wir auch auf Amerika. Wir finden es wirklich sehr prima."
Während der Rock des Südens etwas Neues in die populäre Musik brachte - Lärm, Gewalttätigkeit, die Vermengung von R&B und Country, Teen-Kauderwelsch, Halbanarchie -, war Highschool eigentlich nur eine Fortführung der bestehenden weissen Traditionen. Die Solosänger waren hübsche Jungen wie Sinatra, Eddie Fisher oder Vic Damone, und die Gruppen sagen ihre Harmonien im Stil nicht viel anders als die Ink Spots, die Four Preps, die Hi-Los oder die Four Freshmen.
Der Stil dieser Gruppen bot ein ziemlich einheitliches Bild: unten eine Bassstimme wie ein Nebelhorn, oben eine gequälte Kopfstimme und in der Mitte ausgiebiges Gemurmel; dazu reichlich Gehüpfe und Gespringe, Heiterkeit was das Zeug hielt und Lächeln ohne Ende."
Highschool wurde vor allem von Dick Clark verbreitet. Cohn: "Er hatte eine TV-Show mit dem Titel "American bandstand", und in ihr predigte er Gott, Amerika, Mutter, wahre Liebe und Sauberkeit, besonders hinter den Ohren. Er wurde zur Stimme des Teen-Gewissens."
Zum Highschool rechnete Nik Cohn folgende Interpreten:
Interpret | Hits |
---|---|
Royal Teens | "Short shorts" |
Danny and the Juniors | "At the hop" |
Kailin Twins | "When" |
Diamonds | "Little darlin'" |
Silhouettes | "Get a job" |
Penguins | "Earth angel" |
Harvey and the Moonglows | "The commandments of love" |
Charts | "Deserio" |
Platters | "Smoke gets in your eyes", "My prayer", "The great pretender", "Only you" |
Chantels | Every night I pray", "Maybe", "There's our song again" |
Frankie Avalon | |
Tommy Sands | |
Jimmy Clanton | |
Jerry Keller | |
Ricky Nelson | |
Paul Anka | "Diana" |
Pat Boone | |
Connie Francis |
Nik Cohn: "Der erfolgreichste von allen war Paul Anka, ein kanadischer Junge aus Ottawa, der einen Song mit dem Titel "Diana" schrieb, als er eben über vierzehn war. Neun Millionen Platten wurden davon verkauft. Heute residiert er glanzvoll in Manhattan, ist mit Mitte Zwanzig schon eine Institution, die Erfüllung des amerikanischen Traumes. Er hat es geschafft. Und alles, weil er mit vierzehn die grosse Erleuchtung hatte und die Zeile schrieb: "I'm young and you're so old - this my darling I've been told." "Diana", das ist die archetypische Pop-Platte.
Den grossen Bruder spielte Pat Boone aus Florida. 1955 begann er seine Karriere, indem er anderer Leute Rock-Hits verwässerte. Später dann verlegte er sich auf Balladen und ging ins Filmgeschäft. Er war verheiratet, hatte sehr viele Kinder, und wie Dick Clark spielte auch er den Prdeiger. Bei einem Interview wies er darauf hin, dass er seine moralische Stärke der Tatsache verdanke, als Kind regelmässig über die Seite der Badewanne gebeugt Prügel bezogen zu haben. Musikalisch war er ein Aufguss von Perry Como, das Absolute an Banalität, und er hatte dreizehn Millionenerfolge. Während der fünfziger Jahre verkaufte er mehr Platten als jeder andere ausser Elvis. "Es liegt nicht an mir", meinte er dazu, "es ist allein Gottes Wille."
Die grosse Schwester war Connie Francis, eine stattliche Dame aus Newark, New Jersey, mit einer Neigung zu sentimentalen Balladen und einem unreinen grossen Vibrato. Sie war ideal, weil sie bei niemandem sündige Gedanken weckte. Manchmal gab man ihr gute Rock-Songs - "Stupid cupid", "Kipstick on your collar" -, aber es gelang ihr immer, ihnen einen Klang zu geben, als habe man sie gerade mit Insektenvertilgungsmitteln besprüht. Als Nebenbeschäftigung studierte sie Psychologie.
Musikalisch war es Mist, aber als Mythos und Lärm und als Stoff für Lustspiele hatte es seine perversen Reize und verkaufte sich in phänomenalen Mengen - Connie Francis, Pat Boone, Ricky Nelson, Paul Anka, sie waren die wirklichen Superstars der fünfziger Jahre. Und hauptsächlich war Highschool eben das genaue Spiegelbild dessen, was die weissen amerikanischen Teenager der Mittelklasse mochten und wovon sie träumten."