Text "Die Ballade vom Computer pX" (Franz Hohler)

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Aus dem Programm Die Sparharfe (1967).

Urheber

Autor Franz Hohler
Texttitel Die Ballade vom Computer pX
Untertitel
Sprache Deutsch
Veröffentlichung
Datum Autor Format Titel Herausgeber Anmerkungen
1967 Franz Hohler Programm Die Sparharfe
1987 Franz Hohler Buch Das Kabarettbuch DE: Darmstadt, Neuwied : Hermann Luchterhand S. 18

Originaltext

Die Ballade vom Computer pX

Der Computer pX in den äusseren Staaten
tat all das, was andre Computer auch taten:
Er rechnete Brüche, berechnete Kosten
und ging theoretisch weiss was alles posten
jonglierte mit Defizits, Budgets und Spesen
verrechnete Fett, kalkulierte Chinesen
erweiterte Sätze von Gauss und Bernoulli
erfand einen eisbärensicheren Pulli
samt Ellbogenschoner für Schmetterlinge
und viele andere, nützliche Dinge
durchbohrte die Anden, verjüngte Greise
und drehte gefangene Taranteln im Kreise
addierte die Zeugungskraft aller Puter
kurz, war ein solider und guter Computer.
Nur etwas war heikel, und das war genau:
Der Mann der ihn fütterte war eine Frau.
Eine Frau, eine Frau, eine Frau, eine Frau, eine Frau.

Name: Zeller
Vorname: Elisabeth
Beruf: Dr. math.
Grösse: 1,58
Augen: schwarz
Haare: mattbraun
Zivilstand: ledig... ledig... ledig... ledig...

Der Computer war auch nur ein Mensch wie wir alle
und ging dieser Fülle an Reiz in die Falle.

Bald zitterte er bis zur innersten Niete
wenn ihr Antlitz auch nur schon von weitem erblühte
und wenn sie ihn zarten Gelenkes berührte
ein neues Problem in den Rachen ihm führte
dann knackt' ihm das Eisen vor innerem Glück
und Sätze wie folgender kamen zurück:

"Epsilon achzehnter, n-ter und q-ter.
Herzliche Grüsse, Ihr Computer."

Dies lesend, machte Elisabeth Zeller
Augen wie kleinre Dessertteller
verspürte ein Gruseln mittlerer Lage
und las dann die Antwort zur nächsten Frage:

"Kein Ergebnis mit Jod und Amino.
Kommen Sie heute mit mir ins Kino?"

Verehrung ihn Ehren, doch eine Maschine!
Elisabeth las mit erbleichender Miene:

"pi 15 pro Tonne kanadischer Eicheln.
Montieren Sie mir einen Greifer zum Streicheln!"

Die Frau überlief's, das fand sie nun schändlich
dann wurde er vollends unmissverständlich:

"8 Sigma, 0 14, HG eines Stücks.
Ich liebe Sie. Yours, for ever, pX."

Da verlor Fräulein Doktor ganz plötzlich die Fassung
und bat den Direktor um Ihre Entlassung.
Bloss zwei Tage später stand sie am Abend
die Arbeitseffekten schon eingepackt habend
zum letzten Mal vor dem Balzautomaten
rekapitulierte nochmals dessen Taten
und schüttelte düster den mattbraunen Kopf
Da leuchtete plötzlich der Antwortknopf:

"Bitte kriechen Sie mir ins Getriebe.
Ich sehn mich so nach ein bisschen Liebe."

Sie wusste beinahe nicht, wie ihr geschah
doch pX stand so traurig und greiferlos da
und zuckte so einsam mit Zeigern und Zählern
geschunden von wissensbegierigen Quälern
so frierend in chromstahllegierter Verschalung
so bar jeden Schmucks und jeder Bemalung
so freudlos und plump, und walfischhaft nackt
dass sich Fräulein Zeller, von Mitleid gepackt
in plötzlicher Regung die Röcke schürzte
und in des Computers Hauptöffnung stürzte!

Ein Blitzen von Lichtlein, Kontakte, die summen -
und dann ein behagliches, nachtlanges Brummen.

Der Computer jedoch blieb seither vernichtet
und auch Fräulein Doktor ward nicht mehr gesichtet.