1797 Augustin Fangé Buch "Geschichte des männlichen Barts unter allen Völkern der Erde bis auf die neueste Zeit (Für Freunde der Sitten und Völkerkunde)"/Sechstes Kapitel: Unterschied zwischen den Versionen

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== IV. Respekt der Türken für den Bart ==
== IV. Respekt der Türken für den Bart ==
Wenn man nur etwas mit den Sitten der Mahomedaner bekannt ist, muss man wissen, dass sie ein Schnupftuch ausbreiten, wenn sie ihren Bart kämmen; dass sie die herabfallenden Haare mit Sorgfalt aufhäufen, sie in Papier wickeln, sie auf den Kirchhof tragen und in die Erde vergeaben, wenn sie deren eine gewisse Menge gesammelt haben. Sie reissen sie vorher in zwey Stücke, wenn sie ausgerauft sind und die Wurzel noch in der Haut hängt. Man höre nur den Grund an, an den sie von dieser ängstlichen Observanz geben.
Sie glauben, dass es mehrere Legionen Engel gebe, die zur Bewachung eines jeden Haares am Bart beordert sind, und dass sie in demselben ihre Wohnung aufschlagen, wenn die Haare noch ganz sind. Um selbige da zu verabschieden, wo es ihnen gut dünkt, durchschneiden sie die Haare in der Mitte; auch thun sie diess, um sich den bösen Anschlägen übelgesinnter Menschen zu entziehen, die sie auf ihr Haar gründen könnten, wenn sie welche fänden, die noch ganz wären. Haare, welche die Barbiere abgeschnitten haben, um den Bart gleich zu machen, sammelt man nicht, weil sich die Engel an dasjenige Theil des Haars halten, welches an der Haut bevestigt ist, ohne dass sie daran dächten, sich in diesen Ueberfluss, diesen Ausschuss von Haare zu nisten.
Wenn jemand auf den Bart eines andern auspiee, oder beym Ausspeien auf die Erde sagte: das gilt deinem Bart; oder wer, wenn er einen Wind streichen liess, sagen wollte: ich lasse einen F.... auf deinen Bart, würde von der Justiz hart, als ein Gotteslästerer, als ein Entheiliger des Barts, als ein Verruchter, der die Engel verachtet, die dessen Beschützer und Wächter sind, gestraft werden.
Diess ist aber nicht mit dem Knebelbart der Fall. Er gilt, nach der Strenge des Gesetzes, für unrein. Man duldet ihn bey Militärpersonen, welche einen rasirten Bart haben, weil es mit zu vielen Unbequemlichkeiten verknüpft seyn würde, wenn man es ihnen zur Pflicht machen wollte, einen langen Bart zu tragen. Man behauptet sogar, diess gäbe ihnen ein kriegerisches Ansehn und mache sie dem Feinde furchtbarer. Er ist ihnen eben so nöthig, als den jungen Leuten, die noch keinen völligen Bart tragen, um sie für Männer zu erkennen.
So lange die jungen Leute ihre Bärte noch nicht produciren können, legen sie an ihren Knebelbart keine Hand; aber wenn ihnen der Bart bis zu einer gewissen Länge gewachsen ist, dann nehmen sie sich die Haare des Knebelbarts ab, der ihnen bis auf die Lippe hängt; aus Furcht, das Wasser oder die Speisen, die sie in den Mund nehmen, möchten dadurch der Unreinlichkeit Vorschub thun, indem sie die Haare des Knebelbarts berühren; denn Mahomed hat ihnen die Eröffnung gethan, es bedürfe nicht mehr, um das Gewissen seiner Bekenner zu verunreinigen.
Man sieht hieraus, welche Verschiedenheit die Türken in Absicht des Respects, den sie für die untern Haare des Barts hegen, und der geringen Achtung der Haare des Knebelbarts oder des obern Barts beobachten. Es ist bey ihnen ein Verbrechen, das man nicht verzeiht, wenn man den Respekt bey Seite setzt, den man ihrer Denkart nach für den Bart hegen muss; anstatt dass sie die Beschimpfungen, die man dem Knebelbart zufügt, für nichts achten.

Version vom 3. September 2009, 21:07 Uhr

I. Ueber den, dem Bart erzeugten Respekt
II. Bart der Philosophen
III. Respekt der Araber für ihren Bart
IV. Der Bart, von den Türken respektirt
V. Bärte, die man den heidnischen Gottheiten gab
VI. Bärte, die man den Göttern darbot

I. Ueber den Respekt, den man dem Bart erzeigt hat

Der Bart ward während vieler Jahrhunderte als der Typus oder das Kennzeichen der Weisheit angesehen; daher der Eindruck von Respekt, von Majestät und ausserordentlicher Klugheit, den lange Bärte in dem ganzen Greichischen und Römischen Alterthum machten, und den sie noch jetzt in dem geist fast alles dessen machen, was es auf der Erde von gebildeten Nationen gibt. Wer wollte es leugnen, dass uns unsere Vorfahren mit ihren Bärten weiser scheinen, als wir ohne Haar am Kinn? In der That, wenn wir in einer Gemähldegallerie auf und nieder gehen, und unsere Grossväter sehen, von denen ein grosser Theil starb, ehe er ein so hohes Alter erreicht hatte, als wir; können wir uns denn entbrechen, sie als eben so viele alte Patriarchen anzusehen, und uns selbst für junge duftende Mädchen zu halten? Ich sehe unsere Abrahame, unsere Isaake, unsere Jakobe, unsere Moses gern so, wie man sie uns auf alten Tapeten zeigt, oder wie wir sie auf alten Statuen sehen, mit einem Bart, der ihnen bis auf den Gürtel hängt und die Hälfte des ganzen Kunstwerks ausmacht.

Ich habe nicht die Absicht, die neue Sitte, sich den Bart abzunehmen, die fast in ganz Europa Eingang gefunden hat, verächtlich zu machen; und ich bin nicht anmassend genug, die grossen Bärte wieder aufleben lassen zu wollen. Aber könnte man nicht gleichwohl der Meynung seyn, dass ein kunstvoll zugestutzter und beschnittener Bart, wie man ihn in den letzten zwey Jahrhunderten trug, den Gesichtern eine Phisiognomie gab, an der es ihnen seitdem ganz gebrach? Dieses Resultat der Gesichtszüge ist in der That eine der auffallendsten Eigenschaften der männlichen Bildung; es ist die Bedingung, die dem männlichen Gesicht eine Physiognomie gibt, ihr einen Charakter ertheilt. Ein vortreflicher komischer Schauspieler muss durch seine Physiognomie die Rolle ankündigen, die er vorstellen will.

Wir wollen in diesem Kapitel untersuchen, wie weit man in dem Respekt und in der Ehrfurcht für den Bart gegangen ist, und wir werden zeigen, dass er in den wichtigsten Angelegenheiten der Religion und der bürgerlichen Gesellschaft bey der Vorwelt seine Rolle spielt; dass man des Glaubens gewesen ist, er diene zur Ehre der Gottheit, oder er mache sie den Menschen verehrungswürdiger. Der Bart ist lange Zeit ein Zeichen ausserordentlicher Weisheit gewesen. Er wurde bey Allianz-Traktaten ins Spiel gezogen, wurde oft verpfändet und diente als Geisel zur Versicherung seiner Treue in Absicht eingegangenere Verbindungen.

Man schwor bey dem Barte. Man strafte grosse Verbrechen, indem man Schuldigen den Bart abschneiden liess; es war ein Zeichen von Ehrlosigkeit, wenn man sich diese Zierde nehmen lassen musste. Man war überzeugt, dass nichts besser den lebhaften Schmerz, wovon man sich in Zeitpunkten von Trauer und grossem Unglück hingerissen fühlte, ausdrücken könne, als wenn man ohne Bart erschien. Alle diese Gewohnheiten machen den Gegenstand des gegenwärtigen und des folgenden Kapitels aus. Wir werden zuvörderst von dem ausserordentlichen Respect handeln, den einige Nationen für den Bart an ihren eignen Landsleuten bezeugt haben. Und so machen wir dann mit dem Bart der Philosophen den Anfang.

II. Bart der Philosophen

Man war im Alterthum überzeugt, dass ein langer Bart gewöhnlich das Zeichen der Weisheit wäre, und dass ein Mann, welcher auf Strenge in seinen Sitten Anspruch mache, sich nothwendig den Bart wachsen lassen müsste. Die Schrift sagt uns, dass der hohe Priester Aaron einen langen Bart trug. Sokrates, der weiseste Sterbliche seiner Zeit, wird auf Persisch der "bärtige Lehrer" oder der Lehrer "mit dem langen Bart" genannt.

Satyr:
Glaube, dass dies der bärtige Meister
Sagt.

Plinius der Jüngerespricht von Euphrates, einem Syrischen Philosophen, der sich durch die Länge und Weisse seines Barts empfahl. (Sieh das erste Buch seiner Briefe.) Strabo sagt, die Gymnosophisten, Indische Philosophen, hielten auf grösse Bärte. Dasselbe versichert Diodor von Sicilien.

Lucian zieht an verschiedenen Stellen auf die Philosophen seiner Zeit los, die sich durch die Länge ihres Barts einander zu übertreffen suchten; und er stellt uns einen Weisen, der nach einem Lehrstuhl in der Philosophie strebte, als unfähig, seine Stelle auszufüllen, vor, weil er einen zu kurzen Bart hatte. Aelian erzählt da, wo er von Zoïlus spricht, welcher Homer und Phaton Fehler aufstechen zu können sich vermass, und der sich für geschickter als alle seine Vorgänger hielt; Aelian, sage ich, erzählt da, dass dieser berühmte Kritiker einen Bart getragen habe, der ihm bis auf die Brust herab hing, dass er aber immer mit geschornem Kopfe gegangen sey. Er befürchtete ohne Zweifel, seine Kopfhaare möchten eben so viele Sprösslinge seyn, die, wenn er sie hätte wachsen lassen, die gesammten Säfte seines Barts an sich ziehen, und ihn so entblättern möchten.

Die Philosophen, welche sich durch Affektation langer Bärte am meisten auszeichneten, waren ohne Widerrede die Stoiker. Aus nichts machte diese Art Philosophen so viel, als aus einem langen Bart. Er machte oft ihre ganze Weisheit aus. Horaz zieht in der dritten Satyre des zweyten Buchs einen gewissen Licinus Damasippus, einen Narren und stoischen Philosophen mit sehr viel Salz durch. Dieser Dichtere wusste dem Philosophen, nachdem er dessen ernsthafte moralische Vorlesung angehört hatte, nichts bessers zu wünschen, als einen recht guten Barbier.

Dii te, Damasippe, Deaque
Verum ob consilium donent tonsore!

Horaz.

O mögen Götter und Göttinnen Damasipp,
für diesen guten Rath dich bald mit einem Barbier beschenken!

Derselbe Damasipp nennt in dieser Horazischen Satyre, ein wenig weiter unten, den Bart "den wahren Charakter der Weisheit; den weisen Bart."

Die Stoiker waren in der Folge in Rom so verachtet, weil sie, wenn sie auf öffentlichen Strassen kamen, gewöhnlich von einem Haufen Kinder verfolgt wurden, die ihnen tausenderley Schimpf anthaten, und ihnen, um ihre Geduld auf die Probe zu stellen, den langen Bart ausrauften.

Vellunt tibi Barbam
Lascivi pueri, quos tu, nisi fuste coërces,
Urgeris turba circum te stante

Muthwillige Gassenjungen rupfen Dir den Bart
aus, wenn Du sie nicht mit dem Prügel Dir
vom Leibe hälst, so wirst Du von dem Schwarm zerdrückt.

(Horaz Satyr. I, 3)

Dasselbe widerfuhr den cynischen Philosophen, wie Persius in seiner ersten Satyre bezeugt:

Multum gaudere paratus
Si cynico barbam petulans Nonaria vellat.

Da gibts zu lachen viel
wenn dem cynischen Weisen
eine muthwillige Buhlerinn
den Bart ausrupft.

Dies gab Gelegenheit zu dem Sprüchwort: "einem den Bart ausraufen": vellere alicui barbam; um eine sehr starke Verachtung jemandes auszudrücken.

Auch Apulejus hält sich über diejenigen auf, welche Philosophen zu seyn affektirten, weil sie grösse Bärte trugen; und er legt ihnen den Spottnamen Ziegenbärte bey:

hircino barbitio philosophum mentitus

Er, der mit seiner Bocksbärtigkeit
den Philosophen lügt

Eben so sagt der Dichter Ronsard:

Wenn ein grosser Bart am Kinn
den Philosophen macht:
so könnt' ein langbärtiger Bock
durch diess Verdienst ein Plato seyn.

Herodes-Attikus sagt bey Aulus Gellius Buch 9, Kap. 2 sehr witzig: "ich sehe Bart und Mantel wohl"; abere ich sehe den Philosophen nicht. Lactantius sagt da, wo er gegen diejenigen loszieht, welche sich einen Bart und Mantel zu tragen berühmten: Sie geben deutlich genug zu erkennen, dass ihre Philosophie nicht Weisheit ist; da dasa ganze Geheimniss derselben nur in Bart und Mantel besteht.

Der Kaiser Julian war einer von diesen Philosophen, welche aus ihrem langen Bart die grössten Vortheile zu ziehen vermeynten, und sich wegen dieser männlichen Zierde ein philosophisches Ansehen gaben. Dieser Regent trug seinen Bart sehr lang und zugespitzt, und glaubte sich dadurch die grösste Verehrung zu erwerben. Allein er erfuhr gerade das Gegentheil. Die Antiochener, in deren Mitte er sehr lang lebte, konnten diese Affektation nicht vertragen, machten ihn lächerlich, und verbreiteten beissende Epigramme auf seinen Bart. Julian, dem sein Bart eben so lieb, als er den Bewohnern Antiochiens zuwider war, verfertigte auf sie eine Satyre, der Bartfeind.

Julian, durch die Antiochener aufs äusserste getrieben, unternahm es in diesem Werk anstatt sich zu rächen oder ihnen als Regent zu verzeihen, sich an ihnen als Schriftsteller zu rächen. Er thut es, indem er seine üble Laune gegen sich selbst zu kehren scheint. Er übertreibt seine Fehler; indem er die guten Eigenschaften, die er haben mochte, von einer schielenden, verkehrten Seite vorstellt, setzt er sie den Lastern der Antiochenern entgegen, die er ironisch für Tugenden gibt. Dieses Werk zeichnet sich durch viel treffende Streiche, die sein Verfasser führt, durch sehr lebhaft ausgedrückte witzige Einfälle und caustisches Salz aus. *Es ist", wie Herr de la Betterie sagt, "das Lachen eines von Aerger erbitterten Mannes, der die Rolle des Philosophen spielt, und sich in derselben nicht bis ans Ende zu halten vermag."

Wir bemerken noch, ehe wir diesen Artikel beschliessen, dass die ersten Philosophen ihren Bart mehr aus Verachtung körperlichen Reitzes und aus Vernachlässigung, als aus Ziererey (Affectation) wachsen liessen. Allein was anfänglich bloss ein unwesentlicher Zierrath eines Philosophen war, und mit der Philosophie in gar keinem genauen Verhältnisse gedacht wurde, das ward in der Folge die Hauptsache der Philosophie. Was anfänglich nur ein zufälliges Zeichen ihrer Weisheit war, wurde in der Folge fast zur Weisheit selbst, die auf die Nachfolger der zeitigen Philosophen überging. Ein langer Bart ward nun ein wesentliches Stück des Wohlstands, zur Beobachtung der philosophischen Gravität. Auch war es einer ihrer Hauptgrundsätze, für die Erhaltung des Barts zu sorgen (barbam pascere). Diese kindische Affektation war es auch, welche die Philosophen in Verachtung brachte und ihnen die beissenden Satyrn, die man auf sie machte, zuzog.

Im Jesaias sagt der Herr, er wolle, um sein Volk durch eine Art neuer Einweihung zu reinigen, Schermesser oder Scheren leihen, um ihnen alles Haar, sowohl am Kopf als am Bart und am übrigen Körper wegzunehmen. (Jes. VII, 20) Im Ezechiel kommt ein ähnliches Emblem vor, das man verschiedentlich gedeutet hat. Der Herr räth seinem Propheten (wie dieser selbst versichert) sich Kopfhaar und Bart abscheren zu lassen; sie in drey gleiche Theile zu theilen; ein Drittheil mitten auf einem öffentlichen Platz in der Stadt zu verbrennen, so wie die Tage der Belagerung näher heranrücken würden; das zweyte Drittheil mit dem Degen an diesem öffentlichen Platze abzuhauen, und das dritte Drittheil, welches übrig bleiben würde, in den Wind zu streuen, und es mit gezogenem Degen zu verfolgen, jedoch so, dass er einen Theil dieses Drittheils aufbewahrte.

Durch dieses Bild liess der Herr andeuten, dass, so wie Haupthaar und Bart die Hauptzierde des Mannes seyen, und die Majestät und Schönheit seines Gesichts und seine verschiedenen Vollkommenheiten noch mehr zu enthüllen dienen, die Juden eben so bestimmt wären, den Ruhm des Herrn und seine verschiedenen Eigenschaften zu veroffenbaren, wie es die Patriarchen, die Propheten und die alten gerechten gethan hätten; aber anstatt die Ungläubigen zu erbauen, haben sie ihnen noch mehr Aergerniss gegeben; anstatt den Heiligen von Israel durch die Reinheit ihrer Sitten zu preisen, haben sie seiner Ehre Eintrag gethan; sie haben ihn endlich getwungen, sie ohne Schonung von sich zu werfen, die verdorbene Rasse von sich zu entfernen, die der Gegenstand seiner Schande und seines Schmerzes geworden war.

III. Respect der Araber für den Bart

Die Geschichte bezeugt, dass es ehemals verschiedene Völker gegeben hat, und dass es deren noch gibt, welche auf die geringste Beeinträchtigung ihres Barts so eifersüchtig sind, dass es scheint, als hätten sie ihn zum wichtigsten Ehrenpunkt gemacht. Die Spanier waren unter andern so kitzlich in diesem Punkte. Dom Queredo treibt in seiner dritten Erscheinung, das jüngste Gericht betreffend, das lächerliche dieses Ehrgefühls ziemlich weit, wenn er sagt, einer seiner Mitbürger sey, nachdem er sein Verdammungsurtheil erhalten gehabt habe, in die Gewalt zweyer bösen Geister gegeben worden; aber er habe nicht mit ihnen gehen und ihnen folgen wollen, bis sie ihm mit einem zu diesem Behuf bestimmten Eisen den Knebelbart wieder zurecht gebogen gehabt hätten, den sie ihm in Unordnung gebracht hatten. Allein nichts kommt in diesem Punkt der Reizbarkeit der Türken und Araber gleich.

Die Araber haben so viel Respekt für den Bart, dass sie ihn als eine geheiligte Zierde betrachten, welche ihnen Gott gegeben habe, um sie von den Weibern zu unterscheiden. Nie scheren sie sich. Sie lassen den Bart von ihrer Kindheit an wachsen, wenn sie als Kinder rechtlicher Eltern erzogen worden sind; und das Zeichen der grössten Entehrung, die sie sich zu denken vermöchten, wäre, wenn sie sich ihn abscheren liessen.

Wenn bey den Arabern ein Mann mit einem schönen Bart eine schlechte Handlung begeht, oder ein ungebührendes Wort sagt: so wird man immer sagen hören: "Wie Schade ist es um einen so schönen Bart"; oder: "Ist es möglich, dass er seinem Bart eine solche Schande anthun kann; welch' eine Schande! welche Beschämung für seinen Bart!" Und wenn sie das Recht haben, ihm Vorstellungen deswegen zu thun oder Vorwürfe deswegen zu machen, so sagen sie zu ihm in ernstem Ton; "schämt Euch in Eurem Bart; respectirt doch Euren Bart!" Bitten sie jemanden um etwas, so bitten sie ihm bey seinem Bart. (Man sehe, was wir weiter oben hierüber gesagt haben) Sie küssen sich den Bart wechselweis auf beyden Seiten, wenn sie sich auf den Strassen grüssen, wenn sie von der Reise kommen oder beyderseits eine Reise vorhaben. Gedenkt nur der eine Theil zu verreisen, so ist es Pflicht desjenigen, der zurück bleibt, den Bart seines Freundes zu küssen, der es mit gravitätischer Gebärde geschehen lässt, und auf eine Gelegenheit wartet, wo er seinem Freund dieselbe Ehre erzeigen kann. Die Küsse werden während ihrer Komplimente mehrmals wiederholt, und diese bestehen darin, dass man einander um sein Befinden fragt.

IV. Respekt der Türken für den Bart

Wenn man nur etwas mit den Sitten der Mahomedaner bekannt ist, muss man wissen, dass sie ein Schnupftuch ausbreiten, wenn sie ihren Bart kämmen; dass sie die herabfallenden Haare mit Sorgfalt aufhäufen, sie in Papier wickeln, sie auf den Kirchhof tragen und in die Erde vergeaben, wenn sie deren eine gewisse Menge gesammelt haben. Sie reissen sie vorher in zwey Stücke, wenn sie ausgerauft sind und die Wurzel noch in der Haut hängt. Man höre nur den Grund an, an den sie von dieser ängstlichen Observanz geben.

Sie glauben, dass es mehrere Legionen Engel gebe, die zur Bewachung eines jeden Haares am Bart beordert sind, und dass sie in demselben ihre Wohnung aufschlagen, wenn die Haare noch ganz sind. Um selbige da zu verabschieden, wo es ihnen gut dünkt, durchschneiden sie die Haare in der Mitte; auch thun sie diess, um sich den bösen Anschlägen übelgesinnter Menschen zu entziehen, die sie auf ihr Haar gründen könnten, wenn sie welche fänden, die noch ganz wären. Haare, welche die Barbiere abgeschnitten haben, um den Bart gleich zu machen, sammelt man nicht, weil sich die Engel an dasjenige Theil des Haars halten, welches an der Haut bevestigt ist, ohne dass sie daran dächten, sich in diesen Ueberfluss, diesen Ausschuss von Haare zu nisten.

Wenn jemand auf den Bart eines andern auspiee, oder beym Ausspeien auf die Erde sagte: das gilt deinem Bart; oder wer, wenn er einen Wind streichen liess, sagen wollte: ich lasse einen F.... auf deinen Bart, würde von der Justiz hart, als ein Gotteslästerer, als ein Entheiliger des Barts, als ein Verruchter, der die Engel verachtet, die dessen Beschützer und Wächter sind, gestraft werden.

Diess ist aber nicht mit dem Knebelbart der Fall. Er gilt, nach der Strenge des Gesetzes, für unrein. Man duldet ihn bey Militärpersonen, welche einen rasirten Bart haben, weil es mit zu vielen Unbequemlichkeiten verknüpft seyn würde, wenn man es ihnen zur Pflicht machen wollte, einen langen Bart zu tragen. Man behauptet sogar, diess gäbe ihnen ein kriegerisches Ansehn und mache sie dem Feinde furchtbarer. Er ist ihnen eben so nöthig, als den jungen Leuten, die noch keinen völligen Bart tragen, um sie für Männer zu erkennen.

So lange die jungen Leute ihre Bärte noch nicht produciren können, legen sie an ihren Knebelbart keine Hand; aber wenn ihnen der Bart bis zu einer gewissen Länge gewachsen ist, dann nehmen sie sich die Haare des Knebelbarts ab, der ihnen bis auf die Lippe hängt; aus Furcht, das Wasser oder die Speisen, die sie in den Mund nehmen, möchten dadurch der Unreinlichkeit Vorschub thun, indem sie die Haare des Knebelbarts berühren; denn Mahomed hat ihnen die Eröffnung gethan, es bedürfe nicht mehr, um das Gewissen seiner Bekenner zu verunreinigen.

Man sieht hieraus, welche Verschiedenheit die Türken in Absicht des Respects, den sie für die untern Haare des Barts hegen, und der geringen Achtung der Haare des Knebelbarts oder des obern Barts beobachten. Es ist bey ihnen ein Verbrechen, das man nicht verzeiht, wenn man den Respekt bey Seite setzt, den man ihrer Denkart nach für den Bart hegen muss; anstatt dass sie die Beschimpfungen, die man dem Knebelbart zufügt, für nichts achten.