Text "Welthit aus der Provinz" ()

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Autor
Texttitel Welthit aus der Provinz
Sprache Deutsch
Textform
Veröffentlichung 2007.12.24 Meppener Tagespost

Text

Welthit aus der Provinz

168-mal "da", 27-mal "aha". Kultur oder Kulturschock? Die Antwort auf diese Frage war vor 25 Jahren nicht so leicht zu formulieren. Sicher ist: 1982 traten drei kuriose Galgenvögel als "Trio" einen kurzen, aber heftigen Siegeszug durch die Musiklandschaft an. Ihr Titel "Da da da" verkaufte sich 13 Millionen mal, Anarchie durchdrang die verstaubte deutsche Schlagerwelt. Songschreiber Kralle Krawinkel musizierte ein paar Jahre im Emsland.

Es war der 3. Mai 1982, als Stephan Remmler in der ZDF Hitparade ans Mikrofon trat. Die Haare kurzgeschoren, der Anzug übergross. Bei jedem "Aha" blitzte kindlicher Schalk in seinen Augen. Millionen hörten Remmlers Text und die Musik des Gitarristen Gert "Kralle" Krawinkel. Der hatte sich seine Mütze über die Augen gezogen, Trommler Peter Behrens stand unter einem Sonnenschirm und kaute Äpfel. Das Publikum reagierte irritiert auf das Minimum an Instrumenten und das Maximum an Show - Trio landete mit 7.9 Prozent der Zuschauerstimmen auf dem vorletzten Platz. "Da da da" wurde trotzdem ein Hit.

Und was für einer. Er erreichte Platz zwei in Deutschland, war 18 Wochen in den Top Ten der Charts. Dazu Nummer eins-Platzierungen in der Schweiz und Österreich. Als erster deutscher Band überhaupt gelang Trio ein Auftritt in der britischen Sendung Top of the pops. Die englische Version von "Da da da" wurde weltweit ausgestrahlt - es folgten Veröffentlichungen in 30 Ländern. Von Uppsala bis Hongkong hörten die Menschen den vermeintlichen Nonsens-Song im Radio. Trio bekamen Platin und Doppelplatin in Brasilien und Kanada.

Die Vorgeschichte der Niedersachsen-Combo ist die Geschichte von drei Männern über 30, die spät zum musikalischen Erfolg finden. Die Kurzform geht so: Stephan Remmler und "Kralle" Krawinkel spielen Ende der 1960er Jahre in der Band Just Us, schaffen es mit Rock à la Rolling Stones bis in den Hamburger Star-Club. Peter Behrens trommelt in der psychedelischen Band Silberbart. Remmler und Krawinkel lösen ihre Formation 1969 auf, studieren und werden Dozenten für Popmusik an der Uni Oldenburg. Beide machen weiter Musik, Krawinkel bei den Emsland Hillbillies (siehe Kasten). Hermann Lammers Meyer, Aschendorfer und seit Jahrzehnten Kopf der Band, erinnert sich: "Kralle hat uns mit seiner rockigen E-Gitarre tatsächlich seinen Stempel aufgedrückt und unseren Sound mitgeprägt. Als wir mal auf einem Jazz-Festival in der Münsterlandhalle spielten und damit eigentlich fehlbesetzt waren, kamen wir trotzdem gut an: auch dank dieses Sounds."

1979 folgt die Wiedervereinigung von Just Us in einem gemieteten Haus in der Regenter Strasse 10a in Grossenkneten. Peter Behrens ist als Clown gerade arbeitslos und stösst nach einer Zeitungsannonce zur Band. Weil das Geld ausgeht, trennen sich die Musiker von "überflüssigem Beiwerk", zu dem zum Beispiel auch der Bass gezählt wird. Die Band nennt sich nun Trio, was der Philosophie folgend einfach nur bedeuten soll, dass sie zu dritt sind. Die Bühnenshow wird zum Gesamtkunstwerk entwickelt und trifft den Geschmack der Zeit. Das erste Konzert am 20.12.1980 im Gasthaus Kempermann in Grossenkneten gilt als Gründungsdatum von Trio.

Eine kurze Tour durch die norddeutsche Provinz folgt, Klaus Voormann, Intimus der Beatles und Bassist von John Lennon, wird aufmerksam. Er produziert das Erstlingswerk Trio, das 1981 in einem umgebauten Schweinestall in Husum aufgenommen wird. Vieles läuft provisorisch - auf das Cover schreibt Stephan Remmler handschriftlich Adresse und Telefonnummer der Band, was "für reichlich Anrufe sorgt" und das Örtchen Grossenkneten berühmt macht. Im Winter 1981 entsteht "Da da da", das nachträglich auf die LP eingefügt wird.

Am 3. Mai 1982 folgt dann also jener Auftritt in der Hitparade, der manchem Beobachter heute als Beginn der Neuen Deutschen Welle gilt. Vor allem Texter Stephan Remmler hat das nie so gesehen, bezeichnete den Trio-Musikstil lieber als "neue Deutsche Fröhlichkeit".

Trios zweite LP Bye bye 1983 klang schon weniger nach Garagensound und enthielt einen Song der Lennon-Witwe Yoko Ono ("Wake up"). Vor allem die Singles Herz ist Trumpf und Turaluraluralu - ich mach Bubu was machst du sind erfolgreich. 1985 erlahmt das Interesse an Trio - die letzte LP What's the password floppt ebenso wie der Kinofilm Drei gegen drei. 1986 lösen sich Trio auf, ein Comeback gibt es trotz entsprechender Gerüchte nie. Remmlers Solokarriere dauert bis heute, Behrens hat sein Trio-Vermögen nach eigenen Angaben durchgebracht, Krawinkel soll sich in Spanien (zu hören war auch: in Berlin) zur Ruhe gesetzt haben.

Und damit zurück zur Ausgangsfrage: War "Da da da" Kultur oder Kulturschock? Stephan Remmler mag darüber heute nicht mehr sprechen. Alles sei gesagt, meint er und hat unrecht. Denn Trio haben sich selbst nie geäussert, was das Lied denn nun eigentlich sollte. Vorwürfe, es handele sich um einen Blödelsong, erzürnten sie aber. Anhänger der Band, die sich seit 2005 regelmässig als Triologen in Grossenkneten zu einer Party treffen, halten "Da da da" denn auch für eine Parodie auf die Schlager der 70er und 80er Jahre. Matthias Klein spielt selbst in der Trio-Coverband Drei Mann im Doppelbett. Er berichtet, viele Anhänger Trios seien sicher, die Silben "Da da da" seien als Synonym für Worthülsen wie "Schubidua" zu verstehen - der musikalische Aufbau sei das Gegenstück zu den belanglosen Dur-Akkordfolgen schlechter Schlager.

Wie dem auch sei. "Da da da" wurden weltweit dutzendfach gecovert und diente als Werbeträger. Zuletzt verwendete ein US-Colafabrikant den Song als Werbebotschaft zur Fussball-WM 2006 und liess ihn von Christina Aguilera interpretieren. Irgendwie, so war zu hören, stehe das Lied doch für Deutschland.

Versionen

Datum Autor Format Titel Verlag Anmerkungen
2007.12.24 Artikel Welthit aus der Provinz country DE.gif DE: Meppener Tagespost

Anmerkungen

  • Entgegen der Behauptung im Artikel hat Stephan Remmler die Adresse und Telefonnumer von Trio natürlich nicht handschriftlich auf die Plattenhülle geschrieben. Das kann ja auch jeder sehen, der keine Tomaten auf den Augen hat und nicht bloss Stuss daherschwafelt.
  • Gemäss Artikel sind viele Anhänger des Trios "sicher, die Silben 'Da da da' seien als Synonym für Worthülsen wie 'Schubidua' zu verstehen." - genau diese Behauptung äusserten bereits 1984 die Musikkritiker Mathias Oliver Christian Döpfner und Thomas Garms in ihrem Text "Da da da ich lieb dich nicht du liebst mich nicht aha aha aha".