Text "Mit dem grünen Band der Ironie" (Alard von Kittlitz)

Aus Mikiwiki
Version vom 20. November 2011, 18:15 Uhr von Michi (Diskussion | Beiträge) (Mit dem grünen Band der Ironie)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Wechseln zu: Navigation, Suche
Autor Alard von Kittlitz
Texttitel Mit dem grünen Band der Ironie
Sprache Deutsch
Textform
Veröffentlichung 2009.08.20 Frankfurter Allgemeine Zeitung

Text

Mit dem grünen Band der Ironie

20.08.2009 - "Da da da" war der Welthit, der die Band Trio berühmt machte und sie in die Ecke der Blödelmusik rückte. Wie grossartig Trio waren, wissen die wenigsten. Eine wunderbare Dokumentation auf Arte verhilft zu verbessertem Verständnis.

Trio: Peter Behrens, Stephan Remmler, "Kralle" Krawinkel (v. l.)

Auf einer Bühne im Los Angeles der frühen Achtziger Jahre stehen drei junge Männer aus Friesland und spielen präzise unterkühlten Minimalrock. Im Publikum finden sich Grössen wie Jackson Browne und Randy Newman, letzterer mit offenem Mund: "This is unbelievable. This is amazing." Die Band, die das grosse Lob erhält, heisst Trio, die Anekdote wird in der wunderbaren Arte-Dokumentation Da da da (Die Geschichte eines Hits) zum Besten gegeben.

Der Film heisst also wie jener fatale Welthit, der Trio berühmt machte und zugleich dafür sorgte, dass die Band in eine völlig falsche Ecke gerückt wurde. Blödelmusik und Neue Deutsche Welle assoziieren viele auch heute noch mit dem Musikprojekt; das spricht Bände über das hiesige Verständnis von guter Popmusik. Wie grossartig Trio waren, dass die Band auf einem für deutsche Verhältnisse immensen Niveau arbeitete, wissen die wenigsten, die Dokumentation verhilft zu verbessertem Verständnis.

Du musst ihm in die Eier hauen

Schöner noch als die Gespräche mit den drei Musikern, die die Band formten, sind im Film jene mit Klaus Voormann, der auch der Produzent der Band wurde und in einem zitablen Satz nach dem anderen erklärt, warum Trio so eine wichtige Gruppe gewesen sind. Am Ende lässt er sich dazu hinreissen, sie mit den Stones, den Beatles und den Kinks zu vergleichen. Vielleicht ist das ein bisschen zu viel des Guten; woher die Liebe kommt, erkennt man jedoch bei den vielen Mitschnitten von Auftritten der Band, die einen Grossteil des Films ausmachen.

Trio zu viert (1983)

Vor allem die Auftritte im Rockpalast sind ein Vergnügen. Die fanden statt, bevor Trio gross wurden, und die Band spielte noch Stücke wie "Los Paul", dessen Text sich aus vom Sänger Stephan Remmler überhörten Zurufen und Fernsehkommentaren während eines Fussballspiels zusammensetzt: "Du musst ihm richtig in die Eier hauen!" Adressat Paul Breitner. Stück wie Auftritt sind zunächst einmal geradezu erschreckend modern, die Reduziertheit zeugt von klarem musikalischem Verstand und Talent, der dadaistisch anmutende Text entpuppt sich als zielsichere Realsatire. Vor allem aber, und das ist wahrscheinlich das Frappierendste, ist das so eindeutig guter Rock'n'Roll, dass man gar nicht verstehen kann, wie die Band je in die Klamauk-Ecke geraten konnte.

Auch visuell ungeheuer stark

Der Film hat als solcher in Trio ein dankbares Sujet, weil die Band auch visuell ungeheuer stark war. Am Schlagzeug stand mit Peter Behrens ein gelernter Clown, der bei allen Auftritten einen herrlichen Charakter à la Buster Keaton abgab, mittig und allein der exzellente Gitarrist Gert "Kralle" Krawinkel und schliesslich eben Remmler, dessen Charisma und Intelligenz einem auf der Bühne so vollkommen unübersehbar erscheinen, dass er einem als älterer, etwas gesetzterer Herr in den Filmgesprächen beinahe fremd vorkommt.

Trio waren keine Witzband, sondern das durchaus ernste Projekt kluger junger Männer, die gute Musik machen wollten und tolle Ideen hatten. Auf dem ersten Plattencover war gross die Adresse der Musiker-WG in Friesland abgedruckt, das zweite Cover war als Werbefläche erwerblich und fand sich bald mit einem Uvex-Helm, einer Anzeige von Greenpeace und diversen Annoncen bestückt. Solche Kreativität und einen so feinen Sinn für Subversion können die wenigsten Bands vorweisen. Dass eine hiesige Gruppe so etwas leistete, dann aber vom eigenen Hit derartig erstickt wurde, dass sie vollkommen in Vergessenheit geraten musste, ist traurig. Der Film erzählt die Geschichte, wie es dazu kam, und ist in jeder Hinsicht empfehlenswert.

Da da da (Die Geschichte eines Hits) läuft an diesem Donnerstag Abend um 22.30 Uhr bei Arte.

Versionen

Datum Autor Format Titel Verlag Anmerkungen
2009.08.20 Alard von Kittlitz Artikel Mit dem grünen Band der Ironie country DE.gif DE: Frankfurter Allgemeine Zeitung

Anmerkungen

  • Das Zitat aus dem Lied "Los Paul" ist zweimal falsch und muss natürlich heissen: "Du musst ihm voll in die Eier hau'n!"
  • Von was für einem "grünen Band der Ironie" hier gefaselt wird, weiss wohl allein der Autor.