Text "Der Da-da-daist ist zurück (Stephan Remmler)" (Dagmar Vieljans)

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Autor Dagmar Vieljans
Texttitel Der Da-da-daist ist zurück
Untertitel Stephan Remmler
Sprache Deutsch
Textform
Veröffentlichung 1996 TV Movie Online

Text

Der Da-da-daist ist zurück (Stephan Remmler)

Der frühere Trio-Sänger Stephan Remmler widmet sich auf seiner neuen CD Amnesia auch heiklen Themen wie Kinderprostitution - aus Berechnung oder echtem Interesse?

Schluss mit lustig. Die Zeiten, als der da-da-damalige Trio-Vorsänger Stephan Remmler geniale Schlichtheit praktizierte, sind vorbei. Der schlaksige Musiker mit dem Stoppelhaar, den mit Pablo Picasso Geburtstag (25.10.) und Lebensmotto verbinden ("Ich suche nicht, ich finde!"), hat als mittlerweile 50-jähriger zu einer Sprache gefunden, die sich nicht mehr hinter Blödelei oder unverfänglicher Vieldeutigkeit versteckt. Auf Amnesia, seinem fünften Album in zehn Jahren Solokarriere, liefert der Ex-Lehrer aus Bremerhaven Texte mit Tiefgang, die seinem Grips entsprechen und ihn endgültig zur deutschen Singer-Songwriter-Garde zählen lassen. Da ist vor allem seine kontroverse Single Schweinekopf. Sie beschreibt das Elend von Kinderprostituierten, auf das er bei Reisen mit seiner brasilianischen Freundin nach Rio de Janeiro stiess. Elend, das ihm als Vater von drei deutsch-brasilianischen Kindern besonders nahegeht. "Ich habe das Lied schon 1994 geschrieben", wehrt er sich gegen Vorwürfe, mit seiner Single von den Kindermorden in Belgien profitieren zu wollen. "Ausserdem geht es im Song nicht um die Vergehen einzelner kranker Menschen, sondern um Kinderprostitution als extremste Ausbeutung von Elend." Um die zu beschreiben, wählt er klare und harte Worte. Zu hart für manche: Die Textzeilen "Wenn du meine kleinen Titten hältst, will ich was von deinem Schweinegeld" und "Weisse Nudel unterm Hängebauch / gib mir Dollars, und dann steht er auch" mussten für die Radioversion entschärft werden. Fachleute, die in bezug aufs eigentliche Thema kompetenter sein dürften als Rundfunkredakteure, hatten dagegen weniger Probleme, sagt Stephan Remmler. "Wir haben vom Kinderschutzbund absegnen lassen, dass das Video zum Song nicht voyeuristisch ist." Schweinekopf ist der jüngste Hakenschlag eines Antitypen der Szene. Denn schliesslich erwartet man, dass einer, der Erfolg hat, weiterführt, was ihn gross machte. Nicht Remmler. Der zitierte sich noch nie selber. Nach dem anarchischen Sprachfetzen-Minimalismus von Trio ("Da da da") verging sich der Mann am deutschen Schlagergut - noch banal, nun aber zudem sentimental - und fabrizierte dann mit "Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei" gar Karnevaltaugliches. Bloss nahm kein Kritiker den neuen Volksbelustiger ohne seinen alten Schalk noch ernst. Ob gelobt oder verrissen, Verkauf mau, die Platte flau; stets nimmt Remmler Hits oder Flops auf dieselbe Art hin - mit Gleichmut. Der ihm leichtfällt, weil ihn seine Gassenhauer von anno dazumal finanziell unabhängig machten. Heute trägt er feinen Zwirn und nicht mehr, was ihm aus dem Schrank in der alten WG entgegenfiel - Turnschuh zu Sakko und Indien-Schal. Geblieben ist der nachdenkliche Mann, der oft um Worte ringt und mit schmalen Händen gestikuliert. "Wie Boris Becker habe ich manchmal Schwierigkeiten beim Sprechen", gesteht er, "da zucke ich irgendwie so herum." Doch das macht nichts: Es gibt halt Menschen, bei denen verbales Zucken mehr Sinn ergibt als bei anderen noch so eloquente Sätze.

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Datum Autor Format Titel Verlag Anmerkungen
1996 Dagmar Vieljans Artikel Der Da-da-daist ist zurück
Stephan Remmler
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