Ideal/Biografie

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Besetzung

Musiker geboren gestorben Mitglied Instrument
Annette Humpe 28. Oktober 1950 in Hagen 1980-1983 Stimme, Tasteninstrumente
Frank-Jürgen "Eff Jott" Krüger 24. Dezember 1948 2007 1980-1983 Gitarre, Stimme
Ernst Ulrich "Ulli" Deuker 13. Juli 1954 1980-1983 Bass
Hans-Joachim "Hansi" Behrendt 15. Februar 1955 1980-1983 Schlagzeug

1980

  • Anfang Jahr: Gründung der Gruppe Ideal in Berlin. Die Sängerin Annette Humpe (ex-Neonbabies) und der Gitarrist Frank-Jürgen Krüger (ex-Release Music Orchestra) kommen vom eben aufgelösten New Wave-Sextett X-Pectors. Zu ihnen gesellen sich Ulrich "Ulli" Deuker, der vorher bei der Politrockband Linkerton und danach beim Jazz-Quintett Margo gespielt hatte. Vervollständigt wird die Gruppe durch den Schlagzeuger "Hansi" Behrendt, der unter anderem in Volker Kriegels Mild Maniac Orchestra als Perkussionist und zuletzt bei den Neonbabies beschäftigt war und dort auch Humpe und Krüger getroffen hat. Deuker und Behrendt haben ausserdem bereits in der Deutschen Bundesband zusammengespielt.
  • Februar: Ideal nehmen im durch Berliner Senatsgelder finanzierten "Beat-Studio" in Wilmersdorf ihre erste Single Wir stehn auf Berlin auf, eine flotte Pop-Rock-Mischung mit der B-Seite "Männer gibt's wie Sand am Meer", das mit seinen abgehackten Riffs von Annette's unterkühlter Stimme lebt und eigentlich ein Schlager aus den 1950er Jahren ist. Die Gruppe lässt die Platten auf eigene Kosten pressen und versucht, sie in den Läden zu verkaufen. Heute wird sie als Rarität gehandelt. Fern vom "aufgesetzten Weltverbesserungs-Pathos" (Tip) eines Udo Lindenberg, bar jeder lärmenden Fröhlichkeit pubertärer Bands der Neuen Deutschen Welle, will das Quartett "moderne Tanzmusik" machen und "sauber, direkt und ironisch Geschichten erzählen". "Voller Kühle und Fatalismus" (Sounds) legen Ideal "den Knäuel von Ticks und Macken bloss, der sich hinter aufgesetzten Masken von Stil und Moden der neuen flotten Szene-Generation verbirgt: Spannung, Frustration, Selbstmordgedanken und Untergangsgefühle" (Der Spiegel).
  • Mai: Ideal haben ihren ersten grossen Auftritt beim Berliner Rock-Circus im "Tempodrom", wo auch ein Auftritt für Rundfunk und Fernsehen mitgeschnitten wird.
  • August: Ideal spielen vor dem Deutschen Reichstag in Berlin als Vorgruppe der Softrocker von Barclay James Harvest und unterschreiben danach ihren ersten Plattenvertrag.
  • November 1980: Veröffentlichung des ersten Albums für Klaus Schulzes Plattenlabel IC (Innovative Communication). Es verkauft sich schliesslich über 500'000 mal und erreicht Platz 3 der deutschen Hitparade.

1981

  • März: Beginn einer grossen Tournee durch Deutschland und die Schweiz.
  • August: Ideal spielen während der SFB-Rocknacht auf der Berliner Waldbühne vor 22'000 Besuchern. "Die gefährliche Seite ist, dass ich plötzlich mit dem, was ich da innerhalb der Gruppe mache, von Hunderttausenden von Leuten ganz wichtig genommen werde", bekennt Annette Humpe.

Die musikalischen Arrangements der Gruppe kommen von allen Gruppenmitgliedern, während Humpe meist für die Texte sorgt. Die Sängerin betont: "Ich habe keine Message." Sie hat eher eine Vorliebe für Wortkombinationen, die ihr gefallen und Assoziationen wecken. "Deine blauen Augen machen mich so sentimental", raunt Humpe, während "Eff Jott" Krüger den Chauvi raushängen lässt: "Es macht mir Spass, ein Schwein zu sein." Ideal wird immer wieder der Vorwurf gemacht, ihr Programm kühl abzuspulen, keine Gefühle zu zeigen und keine Kommunikation mit dem Publikum zustande zu bringen. Das sieht Frau Humpe jedoch gar nicht so: "Also bei mir ist das so, dass ich bei der ganzen Musikmacherei nur zwei geile Momente erkennen kann: Das ist der Moment im Überaum, wenn ein Stück entsteht, weil das doch irgendwas Göttliches hat. Und der andere Moment ist, wenn du auf der Bühne bist und das Stück fliegen lässt. Und das erreicht die Leute. Und du siehst, das funktioniert." Trotzdem: Distanzierte Betrachtungen der Umwelt, kühlwitzige Parodien auf Auswüchse der Gesellschaft beherrschen oft das Bild der Ideal-Stücke. Thematisch reicht der Bogen von der Einsamkeit der Einzelnen über die Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit, der Unmöglichkeit, sich immer und zu jeder Zeit zurechtfinden zu können bis zu einer ironisch-distanzierten Betrachtungsweise der eigenen Rolle, die jeder in diesem Wirrwarr spielt.

Ideal wollen den deutschen Schlager sanieren, in eine zeitgemässe Form bringen, aber in keine Uniform zwingen. Deshalb auch der Hinweis: "Unsere Musik ist unabhängig von der Neuen Deutschen Welle entstanden. Wir machen Tanzmusik und Schlager, nicht Punk und nicht New Wave."

  • Oktober: Veröffentlichung des zweiten Albums Der Ernst des Lebens, für das schon vor Erscheinen 100'000 Vorbestellungen vorliegen. Ideal sind inzwischen zur WEA gwechselt und können den hohen Standard des Debütalbums halten.

Inzwischen ist nicht nur das benachbarte Ausland auf die junge, dynamische Band aufmerksam geworden. Auch in Grossbritannien und den USA nimmt die Musikkritik die Berliner Gruppe wahr, in der Regel überaus positiv. So attestiert etwa der Melody Maker: "Ideal könnten Europa's Antwort auf die B-52's werden. Schräge Orgelmelodien, sprunghafte Tanzrhythmen, Bubblegum-Chöre als Rahmenwerk für ihren stilvollen, munteren Pop, eine seltsame Mischung aus Surf-Punk, Garagen-Psychedelic und ZE-Funk", und das US-Branchenfachblatt Billboard stuft Ideal als "Deutschlands wichtigste Gruppe seit Kraftwerk" ein.

  • 21. Oktober: Ideal spielen mit anderen Gruppen beim vom ZDF aufgezeichneten Festival "Rockpop".

Bei solchen Gelegenheiten, also wenn sie mit anderen Gruppen in einer Veranstaltung zusammenspielen, zeigt sich das Phänomen Ideal am deutlichsten und die Kritikersind des Lobes voll: Die Gruppe erweitert das übliche Spektrum der Rockformationen vom Exotischen bis zum Polaren. Ein grosser Reichtum von Nuancen lebt in den Ideal-Songs, die das Umfeld des Alltäglichen meiden und geheime Träume, Sehnsüchte und Phantasien schildern, das Ambiente des Menschen im 20. Jahrhundert in surrealistischer Schärfe darstellen. Bei einer Analyse der Ideal-Texte fällt auf, dass im Grunde die Sprache dieser Songs alltäglich, ja banal ist, und dass vielfach die Sprache der "normalen" Rockmusik wirklichkeitsfremd ist und mit Bildern arbeitet, die nur scheinbar der Realität entnommen sind. Die Texte von Ideal sind auf eine faszinierende Weise konkret, zwingend und eingängig. Der Vergleich von jetzt aktuellen mit populären Liedern der 1920er und 1930er Jahre von Igelhoff, Holländer oder Kreuder drängt sich auf. Die in ihnen enthaltenen exotischen und surrealistischen Momente ("Tante Paula liegt im Bett und isst Tomaten", "Mein Papagei frisst keine harten Eier") finden sich auch in Ideal-Songs wieder ("Sex in der Wüste", "Hundsgemein"). Die Lieder stellen in exponierter Form eine Essenz kultureller Gegenwart in der populären Musik der frühen 1980er Jahre dar.

Ideal müssen jedoch schon bald erkennen, dass sie ihr Konzept nicht durchhalten können. Unzählige Gruppen, von den Plattenkonzernen in der Retorte hochgezüchtet, gelingt es tatsächlich, mit platten Texten und ebenso schlaffer Musik kurzzeitig den deutschen Schlagermarkt heimzusuchen. Was von Ideal wohl nicht ganz so ernst gemeint war, wird von anderen (etwa UKW oder Hubert Kah) für bare Münze genommen und erfolgreich in die Tat umgesetzt.

  • 21. November - 21. Dezember: Zweite Deutschland-Tournee.

1982

Mit dem dritten Album Bi nuu (1982) versuchen sich Ideal nochmals positiv von den neuen Schlagerfuzzis abzusetzen. Trotz wohlwollender Kritiken kommt das Album beim Publikum nicht sonderlich an. Die Platte erreicht bloss Platz 20 der deutschen Hitparade und bleibt damit weit hinter den Erwartungen zurück. Daraufhin wird eine bereits angekündigte Deutschlandtournee kurzfristig abgesagt

  • Ende November: Wie Trio dürfen auch Ideal eine "Goldene Europa", den Show-Preis des Saarländischen Rundfunks, in Empfang nehmen.

1983

7. Februar: Ideal treten mit "Keine Heimat" in Folge 10 der deutschen Fernsehsendung Na sowas! (ZDF) von Thomas Gottschalk auf. In der Sendung mit dabei sind auch die Commodores, Udo Lindenberg und Norbert Schramm.

19. Februar: Ideal treten in der deutschen Fernsehsendung Prima Klima (ZDF) auf.

31. März: Ein Telex erreicht die Medien: "Die Gruppe Ideal löst sich auf. Ideal war von Beginn an als ein Projekt geplant, eine Arbeitsgemeinschaft, die so lange bestehen sollte, wie die Unterschiede der einzelnen Mitglieder die Arbeit spannend und kreativ machte. Unsere Musik war immer ein Resultat der Auseinandersetzung von vier verschiedenen Persönlichkeiten, nicht um Kompromisse, sondern um Songs zu (er-)finden, auf die jeder stehen konnte. In drei tollen Jahren haben wir aus dieser Konstellation das Beste rausgeholt."

Für die Fans wird einige Monate später noch das Live-Album Zugabe (1983) veröffentlicht.

Weitere Karriere der Musiker

  • Annette Humpe hatte bereits Anfang 1983 mit dem DÖF-Unternehmen ihre Solokarriere eingeläutet.
  • Deuker taucht praktisch völlig weg.
  • Krüger und Behrendt (u. a. Bamboo Industry, Chinchilla Green) tretten als Sessionmusiker in die zweite und dritte Reihe der deutschen Popszene zurück.