Harald Juhnke/Biografie/1990-1996

Aus Mikiwiki
Wechseln zu: Navigation, Suche

1990

Harald Juhnke spielt am Berliner Renaissance-Theater in Molières Der Geizige.

  • Dezember: Juhnke liegt nach einem Alkohol-Exzess auf der Intensivstation der Berliner Schlosspark-Klinik.

1991

  • August: Harald Juhnke irrt betrunken durch Berlin.

1992

  • Januar: Harald schmeisst seinen Auftritt zur 775-Jahr-Feier der Stadt Oranienburg.
  • 1992-1993: Die Berliner Kritiker und das Theaterpublikum bejubeln Juhnke (und seine Partnerin Hannelore Hoger) in Peter Turrini's Alpenglühen (Schlosspark-Theater).

Harald Juhnke kehrt mit einer Nebenrolle (Ressortleiter Kummer) in Schtonk! (1992), der Satire um die gefälschten Hitler-Tagebücher, ins Kino zurück.

1993

Für seine "herausragende komödiantische" Leistung im Film Schtonk! wird Harald Juhnke mit dem Ernst-Lubitsch-Preis geehrt.

Für die Polit-Satire Der Papagei wird Juhnke euphorisch gefeiert. Der Film bringt ihm noch im selben Jahr den Bayerischen Fernsehpreis ein. Erzählt ist in dieser Regiearbeit von Ralf Huettner die Geschichte eines abgehalfterten Schauspielers und Synchronsprechers, den eine Nazipartei als populären Kandidaten aufbaut.

  • April: In Hamburg wird ein geplantes Wohltätigkeitskonzert zugunsten eines Kinderhilfswerks wegen Trunkenheit des Entertainers abgesagt.

Im selben Monat tritt Juhnke betrunken bei einer Podiumsdiskussion über Politikverdrossenheit auf und sagt Theaterauftritte ab. Der seit längerer Zeit "trockene" Entertainer ist an der Bar eines Hamburger Hotels "versackt".

  • Mai: Das Gastspiel der Staatlichen Schauspielbühnen Berlin und München bei den Mülheimer Theatertagen mit Peter Turrinis Alpenglühen fällt aus. Hauptdarsteller Harald Juhnke habe sich im Termin geirrt, teilt die Theaterleitung mit.

1994

  • Juni: Juhnke wird 65 Jahre alt. Zum Thema Alkohol sagt er: "Ich bin sehr glücklich. Meine Karriere ist so weit oben wie noch nie. Es wäre doof, sie zu gefährden und in meinen alten Schlendrian zu verfallen."
  • Oktober: Im ausverkauften Berliner ICC gibt der Entertainer Harald Juhnke sein "Abschiedskonzert". Er habe immer noch, wie er sich ausdrückt, "den Dampf eines Bügeleisens, nur entkalken" könne man ihn nicht mehr.
  • Dezember: Harald Juhnke fällt in Berlin in einen wochenlangen Rausch. Bei Konzerten im westdeutschen Raum hatte Harald (65) die Schülerin Christiane Weigang (18) kennengelernt. Sie treffen sich in Trier und in Bonn und führen nächtelange Gespräche. Harald spricht von der Scheidung seiner 25jährigen Ehe, das Mädchen will mit der 12. Klasse von der Schule abgehen. Vom Heiraten ist die Rede. Nach ein paar Tagen kehrt Christiane ins Rehinland zurück und Harald zieht ins Hotel Interconti, Suite 1015. Umgehend kommt Christiane zurück nach Berlin. Später erzählt sie dem SZ-Magazin: "Harald war nicht da. Ich wartete eine ganze Weile. Schliesslich kam er mit den beiden Reportern, die unsere Geschichte schon veröffentlicht hatten, in die Hotelhalle. Die beiden Typen waren von der BZ und der Bild-Zeitung. Die haben dann die ganze Zeit bei uns rumgehangen. Und alle anderen haben vor der Tür auf Sensationen gewartet. [...] Sie haben uns vor den anderen Journalisten abgeschirmt. Dafür konnten sie dableiben."
     Im Zimmer klingelt pausenlos das Telefon - Maragrethe Schreinemakers, Thomas Koschwitz, Thomas Gottschalk wollen mit Juhnke sprechen. Am aufregendsten wäre eine Live-Schaltung aus dem Berliner Hotel in ihre Talk-Show.
  • 23. Dezember: Heute heisst der BZ-Aufmacher "Juhnke - das Drama geht weiter". Dazu gibt es neue Fotos: Harald und Christiane beim Frühstück auf dem Zimmer, auf dem Tisch stehen mehrere Flaschen Bier; Christiane hat Boxer-Shorts für ihren Freund gekauft; Christiane steht vor einem Juhnke-Plakat, das eine Lesung aus seinem neuen Buch Was ich Ihnen noch sagen wollte ankündigt - mit dem Kleber "Entfällt". Das Foto auf der Titelseite zeigt Harald im Bademantel, von Christiane gestützt. Er hält die BZ vom Vortag in der Hand. Darüber ein Foto des Ehepaares Susanne und Harald Juhnke. Innen drin steht: "Ich saufe mich zu Tode. Wie Dean Martin."
     Am selben Tag trifft Christiane's Mutter Roswitha in Berlin ein und holt ihre Tochter aus dem Hotel ab. Juhnke rät sie zu einer Entziehungskur. Die beiden Frauen bekommen ihren Heimflug nach Köln-Bonn von der BZ bezahlt. Sie werden vor ihrem Haus von einem RTL-Team erwartet, auch im Hausflur stehen Reporter. Juhnke verlässt das Hotel in der Nacht in einem Personalaufzug und wird in einem Auto der BZ ins Martin-Luther-Krankenhaus gefahren.
  • 24. Dezember: Bild titelt: "Juhnke wieder nach Hause, dann Klinik - Verzeiht ihm seine Frau?"
  • 26. Dezember: Harald erscheint elegant gekleidet zu einem Galadiner im Schlosshotel Vier Jahreszeiten. Susanne Juhnke feiert ihren 50. Geburtstag.

1995

  • 1. Januar: In ihrer Neujahrsausgabe erklärt die BZ "Harald gegen die Flasche" zum "Duell des Jahres" und Susanne Juhnke zur "Gewinnerin" des Ehekriegs - weil sie die Ruhe bewahrt habe.
  • Februar: In einem Gespräch mit dem Tagesspiegel bezeichnet sich Harald Juhnke als "deutsche Prinzessin Di" und entdeckt bei der Gelegenheit auch noch eine andere Seelenverwandtschaft - mit Mozart. Denn "Mozart konnte doch masslos ordinär sein und schreckliche Dinge treiben und auf der anderen Seite diese wundervolle zärtliche Musik schreiben."

In einer Drehpause sitzt Juhnke auf der Bahnsteigkante des verlassenen Dorfbahnhofs im Neuruppiner Land und reflektiert seine Rolle als "armes Schwein" Erwin Sommer in der Fallada-Verfilmung Der Trinker, der mit den Veränderungen um ihn herum nicht klar kommt und dadurch in berufliche und private Schwierigkeiten gerät. Eine Flasche fest umklammernd, in der anderen Hand die Zigarre, sagt der 66jährige Schauspieler, der ein langes Hin und Her zwischen beruflichen Erfolgen und Alkoholexzessen hinter sich hat und dem der Arzt jetzt gesagt hat, der nächste "tiefe Schluck" könnte sein letzter sein: "Wie det anfing, det kann ick jenau nachempfinden. Die erste Flasche Wein, dann die Flachmänner, die Unruhe, die Flucht und die Frage, ob das denn allet jewesen ist. Du hast Geld, beruflichen Erfolg, eine schöne Frau, ein Haus und darfst keenen Schluck mehr trinken, sonst ist allet aus. Das ist doch keen Leben! " Angeblich soll ihm sein Psychiater von dem Fallada-Film abgeraten haben. Juhnke bestreitet das aber. Seit acht Jahren lag er seinem Produzenten mit dem Fallada-Stoff in den Ohren. Auf dessen Frage, ob er denn "trocken genug" sei, die Rolle des "Trinkers" zu übernehmen, entgegnete Juhnke entrüstet: "Das hat doch damit nichts zu tun, ich bin doch Schauspieler!"

Lothar Schmidt-Mühlisch: Es ist auch ein schreckliches Schicksal, ganz oben zu sein - Ein Kleinbürger richtet sich in der grossen Welt ein: Harald Juhnke als Falladas "Trinker" in der Rolle seines Lebens (Die Welt, 06.12.1995)

  • Anfang August: Nach den Dreharbeiten zu Der Trinker stürzt Harald Juhnke erneut ab. Bei einer Prügelei mit einem Taxifahrer verliert er einen Zahn. Juhnke erleidet einen Kreislaufzusammenbruch, muss drei Wochen im Krankenhaus verbringen. Später gesteht Juhnke, einen lebensbedrohlichen Herzstillstand erlitten zu haben. Ein Arzt sagt ihm, dass der nächste tiefe Schluck sein letzter sein könnte.

Die Scorpio Filmproduktion dreht für den ZDF die Serie Friedemann Brix mit Harald Juhnke in der gleichnamigen Hauptrolle. Juhnkes fünfwochiger Ausfall verursacht Mehrkosten von rund 750'000 Mark, die von der Versicherungsfirma Gerling getragen werden. Seitdem ist kein deutscher Versicherer mehr bereit, das Ausfallrisiko des alkoholkranken Harald Juhnke zu versichern.

  • September: Auf einer Veranstaltung der Berliner Festwochen im Berliner Ensemble soll Harald den russischen Poeten Jewgeni Jewtuschenko treffen. Juhnke sagt kurzfristig ab, für ihn springt der todkranke Dramatiker Heiner Müller ein. Müller trinkt auf der Bühne Whisky, Jewtuschenko Wodka.
  • 15. September: Nach Berichten von SVZ online ist Harald Juhnke nach mehrwöchigem Aufenthalt aus dem Krankenhaus entlassen worden. "Ich fühle mich gut", sagte er. Er will am 25. September die Dreharbeiten zur ZDF-Krimiserie Friedemann Brix - Eine Schwäche für Mord wieder aufnehmen und Anfang November auch die verschobene ZDF-Gala 100 Jahre Film aufzeichnen. Juhnke bestätigte Angaben des Berliner Fernsehsenders IA, dass er nun doch nicht wie geplant die Rolle des "Frosch" in der Fledermaus-Inszenierung von Harry Kupfer an der Komischen Oper übernehmen werde. Deren Premiere soll am 15. Oktober stattfinden. "Das hätte sich jetzt mit anderen Vorhaben überschnitten", sagte Juhnke. Das betreffe vor allem den Hauptmann von Köpenick in der Regie von Katharina Thalbach am Maxim-Gorki-Theater. "Das will ich auf keinen Fall sausen lassen." Die Proben dazu beginnen schon Mitte November. Premiere sei Ende Januar. "Das Projekt war mir wichtiger, noch dazu, wo wir für den Frosch zwei Besetzungen vorgesehen hatten, nämlich Otto Sander und mich. Dann spiele ich in der Fledermaus eben nächstes Jahr, zum Beispiel zu Silvester, wenn das Stück gerne in den Spielplan genommen wird."
  • Oktober: Juhnke steht im Berliner Friedrichstadt-Palast wieder beifallumrauscht auf der Bühne, sagt augenzwinkernd: "Mich haut kein Rum wirklich um."
  • 4. Dezember: Kinopremiere der Verfilmung des Hans Fallada-Romans Der Trinker mit Harald Juhnke in der Hauptrolle als Erwin Sommer aus. Rückblickend sagte der Schauspieler wenige Tage vor der Premiere über die Drehabeiten: "Es war toll." und wittert selbst einen "Sensationserfolg". Er sei glücklich, diesen Film gemacht zu haben, sagt Juhnke nach dieser Vorab-Aufführung in Berlin. Die Rolle habe ihn schauspielerisch gefordert und verändert, weil er sich selbst vergessen musste: "Sommer ist ein Provinzmensch, ein Kleinbürger. über seinen alkoholischen Untergang gibt es nichts zu lachen. Die Krankheit Alkohol wird hier als das gezeigt, was sie ist: eine ernsthafte Krankheit."
  • 5. Dezember: Harald Juhnke und Désirée Nosbusch sind die Stargäste in der ersten Ausgabe von Harald Schmidts Late night show (SAT.1, 23:00) im umgebauten Capitol-Kino am Kölner Ring (Produzent: Jürgen Grabosch). Gewohnt charmant plaudert Harald über die Frauen und über seine Zeit auf der Schauspielschule mit Klaus Kinski.
  • 6. Dezember: Die ARD strahlt die Verfilmung des Hans Fallada-Romans Der Trinker mit Harald Juhnke in der Hauptrolle als Erwin Sommer aus. In der "Rolle seines Lebens" (SVZ Online) fesselt und rührt er 6,8 Millionen Zuschauer und kann damit quotenmässig einem Fussballeuropacupspiel Paroli bieten.

1996

  • 6. Januar: Harald Juhnke ohrfeigt Dina Speranza, eine Reporterin von RTL, die ihn vor seiner Villa in der Lassenstrasse im Grunewald erwartet. Er muss wegen seiner Sucht wieder ärztlich behandelt werden.Dem Stern gibt er zu Protokoll: "Man säuft, um zu saufen."
  • 15. Januar: Juhnke nimmt in Berlin die Proben für den "Hauptmann von Köpenick" wieder auf.
  • 16. Januar: Gemäss SVZ online wollte Harald Juhnke die Hauptrolle in der ZDF-Komödie "Alles Arno" gar nicht spielen. "Ich hätte diese blöde Dreiecksgeschichte um einen Witwer sowieso nicht gemacht", sagte er. "Nach einem Erfolg, wie ich ihn jetzt mit dem Trinker hatte, werde ich mich doch nicht mehr auf ein solches Niveau begeben. Wahrscheinlich hat man im ZDF mit einer Absage von mir gerechnet und wollte mir zuvorkommen. Das ist gut so. Damit muss das ZDF die Hälfte der Gage zahlen." ZDF-Unterhaltungschef Axel Beyer hatte zuvor gesagt, der Gesundheitszustand Juhnkes habe sich zu einem untragbaren Risiko für den Sender entwickelt. Man fände keinen Versicherer mehr für eventuelle Ausfälle. Wenn Juhnke eine Woche nicht drehen könne, entstünden hohe Kosten.
  • 19. Januar: SVZ online meldet, Harald Juhnke wolle noch in diesem Jahr den "Hauptmann von Köpenick" in einem Film von Frank Beyer spielen. Der Regisseur ("Nikolaikirche") sagte der Leipziger Volkszeitung, er habe dazu von Juhnke die feste Zusage erhalten. Drehbeginn für den Streifen, der zunächst im Kino und später im Fernsehen gezeigt werden soll, werde im September sein.
  • 27. Januar: Die 440 Zuschauer spenden Harald Juhnke nach der dreistündigen Premiere des Stücks Der Hauptmann von Köpenick im Berliner Maxim Gorki Theater langanhaltenden Applaus. Juhnke und die Regisseurin Katharina Thalbach werden mit Bravorufen bedacht.

Die Rolle des armen Schusters Wilhelm Voigt, der mit einer Hauptmannsuniform das Köpenicker Rathaus stürmt und die Stadtkasse raubt, war eine Herausforderung für Juhnke. Viele berühmte Darsteller wie Heinz Rühmann, Rudolf Platte, Erich Ponto und Carl Raddatz haben der Rolle ihre Note gegeben. Zur ausverkauften Premiere sind auch Altbundespräsident Richard von Weizsäcker, Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen und die Schriftsteller Stefan Heym und Christoph Hein gekommen. Juhnke ist der erste waschechte Berliner "Hauptmann" in dem Berliner Stück von Carl Zuckmayer, das auf einer wahren Begebenheit beruht. Er zeigt weniger den kauzigen Typen als einen gebrochenen, verzweifelten und durchaus ernsthaften Menschen. Besonders im zweiten Teil gelingen Juhnke bewegende Momente. Dazu gehört die Szene, in der Voigt sich befragt, was er aus seinem Leben gemacht habe.  Die Regisseurin hat die die 17 Szenen des Stückes als bunten Märchenbilderbogen angelegt. Aus dem Off ertönt die tiefe Stimme der Thalbach zwischen den Szenen. Die Regisseurin spielt den jüdischen Kleiderhändler, der dem Schuster die schicksalhafte Uniform verkauft. Eine Szene, die mit zu den besten des Abends gehörte. Momme Röhrbein schuf beeindruckende Bühnenbilder. Zwei seitlich der Hauptbühne angelegte Guckkästen liessen viele Variationen zu. Petra Kay kreierte dazu die zeitgemässen Kostüme mit vielen Uniformen und Pickelhauben.
 Rund 20 Darsteller schlüpften in die 70 Rollen des 1931 in Berlin uraufgeführten Stückes. Darunter taten sich besonders Ursula Werner, Gerd Michael Henneberg, Susanne Böwe und Bettina Lohmeyer hervor.
Das Schelmenstück vom armen Schlucker (Die Welt, 29.01.1996)

Gleich nach der Zuckmayer-Premiere steht Juhnke im Schallplattenstudio und nimmt mit der Gruppe Extrabreit, die bereits mit Hildegard Knef "Für mich soll's rote Rosen regnen" produziert hatte, einen Song auf. Der Text enthält die Zeilen: "Hoch am Abgrund wie gewohnt, wir tanzen auf dem Seil, mit Zigarre im Mund. Die einen lecken Ärsche, die anderen zählen Geld, noch andere trinken heimlich, das ist nicht unsre Welt."

  • 30. Januar: Harald Juhnke liebäugelt jetzt mit Hollywood. "Das kann schon in einem Monat sein", sagte Juhnke in Berlin vor Journalisten aus Anlass seiner nächsten Show-Auftritte mit Carry Sass vom Berliner Metropol-Theater und Paul Kuhn. Einzelheiten über den in Amerika geplanten Film will der Entertainer noch nicht mitteilen. Er habe sich für jedes Jahr ein "Higlight" vorgenommen. Im vergangenen Jahr war es die Fallada-Verfilmung Der Trinker, jetzt der Hauptmann von Köpenick und danach, wenn es klappt, ein Kinofilm in Amerika, wo er im übrigen auch den Pilotfilm für die ZDF-Serie Brix - Eine Schwäche für Mord drehen wird. "Ich bin nicht jemand, der unbedingt ins Ausland will. Aber einmal, einmal so einen Film machen mit einem tollen Regisseur und einem tollen Partner, das finde ich schon eine sehr gute Sache." Sein Englisch sei aber "very awful" (sehr schrecklich). "Aber deswegen nehmen die mich ja, ich spiele einen Deutschen, was anderes würde ich mich gar nicht trauen."
     Auf die Frage, warum er soviel Angebote annehme, sagt Juhnke, der erst kürzlich wieder einen Alkoholrückfall hatte: "Ich bin jetzt 66, und 80 muss ich nicht werden. Ich muss arbeiten. Und Entertainment ist Hobby für mich, eine ganz andere Arbeit als Theater." Sein Ziel, ins Feuilleton der Zeitungen zu gelangen, habe er jedenfalls erreicht, die Schlagzeilen habe er zusätzlich. Ob er seine Vielseitigkeit nicht übertreibe? "Ich kann das alles. Ausserdem bin ich immer ausgebrochen."
  • 14. Februar: Am Vorabend der 46. Internationalen Filmfestspiele in Berlin (Berlinale) wird Harald Juhnke während einer von Thomas Gottschalk moderierten Gala im Konzerthaus am Gendarmenmarkt die "Goldene Kamera '95" verliehen, der Preis der Programm-Zeitschrift Hörzu. Juhnke, bereits zum zweiten Mal ausgezeichnet, erhält die Goldkamera diesmal für seinen mutigen Sprung ins Charakterfach - besonders für die Darstellung in der Fallada-Verfilmung "Der Trinker". Dabei beweist Schauspieler Heinz Hoenig, dass es auch einem Profi die Sprache verschlagen kann. Hoenig soll die Laudatio auf Harald halten und stockt mitten in der Rede: "Was soll ich sagen? Ich habe einen Blackout. Ich bin so nervös." Harald tröstet ihn auf der Bühne: "Ich bin auch nervös, kann auch nicht sprechen." Aber wenn er beim Publikum Anerkennung fände, wäre er zufrieden. Zu den übrigen zwölf Preisträgern gehören auch Anthony Quinn, Jodie Foster, Gérard Depardieu, José Carreras, Greenpeace und Marius Müller-Westernhagen.
    Zum 31. Mal wurde die Goldene Kamera, der "deutsche Fernseh-Oscar", verliehen (Die Welt, 16.02.1996)
  • 25. Februar (Sonntag): 1300 erwartungsfrohe Zuschauer sitzen im Konzertsaal der Berliner Hochschule der Künste um Harald Juhnke in der ersten von zwei Shows Paul Kuhn und Carry Sass zu erleben, mit der er ab November auf grosse Deutschlandtournee gehen will. Doch Harald erscheint nicht. Bandleader Kuhn hat die undankbare Aufgabe, die böse Botschaft zu überbringen, die das Publikum nicht glauben will. Im Smoking tritt er auf die Bühne: "Es ist kein Scherz, die Vorstellung fällt aus, Harald Juhnke kommt nicht." Kuhn sagt irgend etwas von Zahnschmerzen, was im Publikum mit Gelächter und Buhrufen quittiert wird. Er hat bis zur letzten Minute versucht, Juhnke von seiner Couch in seiner Wohnung loszueisen, wo sich der Entertainer an diesem Sonntag offenbar wieder einmal mit einem Glas zuviel niedergelassen hat.
  • 26. Februar (Montag): In Zeitungsberichten heisst es, Juhnke habe sich am Wochenende wieder "durch die Stadt getrunken" und gesagt: "Ich bin nicht mehr zu retten, ich trinke mich zu Tode." Am Nachmittag lässt Harald auch noch die für den Abend geplante Wiederholungsveranstaltung "aus gesundheitlichen Gründen" absagen.
  • März: Am Maxim-Gorki-Theater fällt Juhnke für den Hauptmann von Köpenick aus, seine Regisseurin Katharina Thalbach übernimmt die Rolle.
  • 5. April: Harald Juhnke muss auch die Ostertage im Krankenhaus verbringen. Zu seiner hartnäckigen Virusinfektion sei jetzt auch noch eine leichte Lungenentzündung hinzugekommen, erklären die Berliner Ärzte. Deshalb muss Juhnke auch noch bis zum Ende der nächsten Woche zur Beobachtung im Spital bleiben.
  • 26. Mai: Mit einem Auftrittsapplaus und standing ovations nach Ende der Vorstellung begrüsst das Publikum Harald Juhnke im ausverkauften Theater an der Wien begrüsst. Juhnke nimmt im Rahmen eines Gastspiels des Berliner Maxim Gorki Theaters an den Wiener Festwochen teil, wo er bis 29. Mai als Schuster Wilhelm Voigt in Der Hauptmann von Köpenick von Carl Zuckmayer auf der Bühne steht.
  • Sommer: Ausverkauftes Konzert von Harald Juhnke auf der Nordseeinseeinsel Juist.
  • 12. Juli: Zwar ist die Show längst ausverkauft, doch trotzdem stehen viele Juhnke-Fans unverdrossen mit hoffnungsvollen Mienen vor Westerlands grossem Kursaal. "Suche Karte", verkünden ihre handgemalten Schilder ohne Erfolg. Und einige von ihnen stehen auch nach der Vorstellung noch da, um das Publikum zu befragen: "Wie lange war er denn auf der Bühne. War er gut, sah er gesund aus?"
     Auf der Bühne singt Harald, erzählt und witzelt knapp zwei Stunden lang und bietet noch drei Zugaben. Wer gemeint hat, Harald Juhnke würde den Auftakt seiner vierwöchigen Sommer-Tournee auf der Nordsee-Insel Sylt vielleicht mit einem seiner berühmten Ausfälle krönen, muss sich eines besseren belehren lassen. Kaum auf der Bühne, hat er schon gewonnen. Ein verschmitztes Lächeln. Der Satz "Ich freue mich, dass Sie gekommen sind und ich freue mich besonders, dass Sie geglaubt haben, dass ich auch komme" und schon legte er los und gibt seinen 750 Zuschauern das, was sie sehen und hören wollen - den Entertainer, dem man alles glauben möchte, was er sagt oder singt. Ob "My way" oder "That's life", ob seine Hits "Clown sein", "Erwachsen werd' ich nie", "Barfuss oder Lackschuh" oder "Mich haut kein Rum wirklich um" - alles klingt, als hätte Juhnkes Leben den Text diktiert und jede neue Schlagzeile, jeder neue Alkohol-Exzess, jeder Krankenhausaufenthalt sorgt dafür, dass das ziemlich unveränderte Repertoire des Unterhaltungskünstlers auch nach Jahren immer wieder frisch wirkt.
     Nach seinem letzten Zusammenbruch im März hätte der Arzt ihn zur Kur schicken wollen, vertraut er seinem Westerländer Publikum an. Worauf er geantwortet habe: "Die Bühne ist meine Kur". Ob Entertainer oder Schauspieler, seine Arbeit mache ihm einfach Spass. Juhnke ist noch bis zum 9. August auf Tournee quer durch Deutschland.
  • 27. Juli: Geplante Auftritte von Harald Juhnke in der Schweriner Halle am Fernsehturm sowie in der Rostocker Stadthalle finden nicht statt. Stattdessen ist Harald Juhnke 1996 dreimal auf Sylt sowie zweimal auf Norderney aufgetreten (die genauen Daten sind mir leider nicht bekannt). Gemäss dem damaligen Tourneeveranstalter musste der Tourplan sehr kurzfristig einige Male geändert werden.
  • 31. August: SVZ online meldet, Harald Juhnke habe soeben mit der Gruppe Extrabreit den Song "Nichts ist für immer" aufgenommen, in dem es bezeichnenderweise heisst: "Andere trinken heimlich, das ist nicht unsere Welt." Nun wolle er Heinrich Manns "Professor Unrat" spielen. "Die gebrochenen Typen liegen mir. Aber meine Produzenten haben alle noch Angst davor," sagte Juhnke zum Beginn der neuen Theatersaison in Berlin, wo er wieder den Hauptmann von Köpenick im Maxim-Gorki-Theater spielt - stets vor ausverkauftem Haus.
     Den Professor Unrat, der im Roman und im Film Der blaue Engel der feschen Lola aus dem Nachtclub rettungslos verfällt, will Juhnke "ganz heutig, in der Gegenwart" spielen: "Es muss ein Professor von der Hochschule der Künste in Berlin sein, glücklich verheiratet, der Kinder hat und der in einer der Kneipen von heute ein Mädchen sieht, 17 Jahre alt, und der ganze Verstand setzt aus." Der heute 67jährige Juhnke, der vor Wochen angeblich einen Seitensprung mit einer 18jährigen Gymnasiastin hatte, meint, das richtig spielen zu können. "Mir traut man ja solche Sachen auch zu. Ich finde immer, man muss als Schauspieler von seinem Erlebten auch ein bisschen zehren für den Beruf. Du kannst bestimmte Dinge nicht spielen, ohne nicht mal in die Nähe einer solchen Situation gekommen zu sein."
  • 17. September (Dienstag): Harald Juhnke als einer von 2'500 Gästen bei der Premiere des Films Independence Day in Berlin. Kaum ein Premierengast äussert sich kritisch zu dem Film, in dem der amerikanische Präsident, ein Bomberpilot und ein Computerfreak die Welt erfolgreich gegen ausserirdische Eindringlinge verteidigen. Vor dem US-Start hatte die Washington Post noch gespottet, der Film werde lediglich "zwischen neun und zwölf Jahre alte Jungs interessieren". Der Londoner Guardian hatte das apokalyptische Explosionsspektakel als "grössten B-Movie aller Zeiten" gescholten. Trotzdem war in den USA nach der Uraufführung am Unabhängigkeitstag eine regelrechte Euphorie ausgebrochen - die Fans kampierten vor den Kinos, um Karten zu ergattern, Schwarzmarkt und Merchandising florierten, und US-Präsident Clinton bestellte Regisseur Emmerich zur Privatvorstellung ins Weisse Haus. "Trotz der Technik noch viel Herz", lautet Juhnkes trockener Kommentar.
  • 21. September: SVZ online meldet, Harald Juhnke liebäugele jetzt mit der Show-Metropole Las Vegas. Nachdem aus einem früher ins Auge gefassten Hollywood-Film bisher nichts geworden sei, habe Juhnke jetzt Pläne im Spielerparadies. "Ob das aber eine Show wird oder ob ich mich da mit Leuten aus dem deutschen Sprachraum unterhalte, wissen wir noch nicht. Aber Juhnke und Las Vegas, da sind sie dran." Zu Hollywood meinte Juhnke: "Ich bin da auch gar nicht mehr so hinterher. Wenn ich da mal in einer Show auftrete, dann ist das was anderes als da ganz hinzugehen. Ich habe hier in Deutschland doch überhaupt keine Konkurrenz, hier geht es mir ja sehr gut."

Juhnke stellte gerade seine neue ZDF-Vorabendserie "Friedemann Brix - Eine Schwäche für Mord" vor, die ab 31. Oktober ausgestrahlt wird. Dieter Wedel will mit Juhnke im Herbst 1997 einen TV-Vierteiler drehen.

  • November: Harald Juhnke erhält an der Gala zur 13. Verleihung der Telestar-Fernsehpreise in einem Kölner Nobelhotel den von den beiden deutschen öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern ARD und ZDF vergebenen "Telestar 96" für sein Lebenswerk. Die dazugehörige Statuette überreicht ihm die Vorjahrespreisträgerin Inge Meysel. Eine glückliche Fügung, kann sie doch daran erinnern, dass beide vor genau vierzig Jahren erstmals zusammen aufgetreten waren - auf dem Berliner Kurfürstendamm. Das Publikum ehrt Juhnke spontan mit Standing Ovations und minutenlangem Beifall. Dieser revanchiert sich mit einer deutschen Version von Frank Sinatras Klassiker-Song "My Way". Die eindringliche Interpretation soll bei einigen Damen im Publikum sogar Gänsehaut hervorgerufen haben.
  • 17. November: Start einer grossen Harald Juhnke-Deutschlandtournee mit Carry Sass und Paul Kuhn durch 20 Städte.
  • 22. November: Der Fernsehsender B1 veranstaltet einen Harald Juhnke-Abend: zuerst zeigt er das Harald Juhnke-Special "I did it may way" von Michael Strauven, in dem sich der Autor auf Juhnkes Spuren begab. Juhnke sprach in einem Interview nach in einem Klinikaufenthalt im Mai 1996 über seinen zielstrebigen Weg nach oben, aber auch über die absoluten Tiefpunkte seines Lebens. Darauf folgen Highlights aus sieben Folgen "Berliner Sketchparade" (mit Grit Boettcher, Johanna von Koczian, Volker Brandt, Eddi Arent u. a.)
  • 23. November: Harald Juhnke wird in Köln mit dem Fernsehpreis "TeleStar 1996" ausgezeichnet. Anschliessend ist er zu Gast in Friedrich Küppersbusch' Magazin Privatfernsehen (ARD).
  • 24. November: In der Aufzeichnung TeleStar (ARD) ist die Preisverleihung vom 23. November 1996 zu sehen.
  • 10. Dezember: Ist das Risiko von vornherein zu gross, lehnen die Versicherer schon mal einen Auftrag ab oder akzeptieren nur mit Ausschlussklauseln. So bei Tom Toelles Verfilmung des Hans-Fallada-Romans "Der Trinker": Wie bekannt wird verlangte Gerling für den auch im realen Leben alkoholgefährdeten Titelhelden Harald Juhnke eine Selbstbeteiligung.