1987 Film "Reichshauptstadt privat": Unterschied zwischen den Versionen

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Berlin in Hamburg
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Im Hotel Reichshof entstanden am 22.7.1986 weitere Szenen des Fernsehfilms "Reichshauptstadt privat" von Horst Königstein und Wolfgang Menge, einem filmischen "Geburtstagsgeschenk" zur 750-Jahr-Feier Berlins 1987. Regisseur Horst Königstein, der gestern unter anderen die Schauspieler Margot Hielscher, Anette Uhlen und Till Topf vor die Kamera holte, beschreibt in dem Zweiteiler mit der Geschichte eines Paares, das sich Ende der 30er Jahre kennenlernt und in den Kriegswirren wieder aus den Augen verliert, das "Zivilleben" der Berliner im Dritten Reich, unabhängig von Partei, Wehrmacht, Widerstand. "Reichshauptstadt privat", für das jetzt übrigens auch im Pinneberger Hotel "Cap Polonio" gedreht wurde, ist eine Montage aus Fernsehspiel und Interviews, Dokumentär-, Spiel- und Amateurfilmen.
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Hamburger Abendblatt Nr. 245 vom 21.10.1987 · Seite 12
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Ein Geschenk an Berlin
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21.10.1987
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fW^~~\ "Es wird wohl Ärger geben und I TU 1 Pru Sel von manchen Seiten", I P 3^ I prophezeit Regisseur Horst Kö- V. 21.15 VKj nigstein zum Start seiner bisher
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aufwendigsten TV-Produktion.
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Gemeinsam mit Wolfgang Menge (Idee und Buch) reallsierte er im Auftrag des Senders Freies Berlln in drei Jahren das wohl "eigenwüügste Geschenk an die Stadt Berlln zu ihrer 750-Jahrfeier: das zweiteüige (fast vierstündige) Fernsehspiel ?Reichshauptstadt Berlln privat'"
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Es ist der riskante Versuch, im Jahr 1987 zu einer sentimentalen "Reise in die Vergangenheit" aufzubrechen - zur Spurensuche nach dem privat-unpolltischen, ja vergnügllchen AUtagsleben im Berlln der NS-Jahre 1938 bis 1944, das die Nazi-Propaganda unterllef (oder zu unterlaufen meinte). Ergänzt wird diese szenische "Rekonstruktion" von Erlebnissen, Gefühlen und Verdrängungen durch vier Folgen Zeit-Dokumentation im dritten Programm, in der Königstein aus "Recherchen und Reahtät" eme Art NS-Sittenspiegel montiert. Kosten des Gesamtprogramms: über dreieinhalb Millionen Mark.
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Das Dritte Reich aus der Perspektive "kleiner Leute", der AUtag emer Diktatur als Hintergrund für eine simple Liebesgeschichte zweier junger Leute, Anna und Kurt (in wechselnden Generations-Rollen: Ruth Niehaus und Annette Uhlen; Heinz Baumann und Robert Jarczyk) - ist das nicht eine fragwürdige Triviahsierung eines verbrecherischen Regimes?
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"Wir wollten nicht die übüche dramatische Geschichte von Nazi-Größen, Verfolgung und Widerstand reproduzieren", sagt Königstein. "Es war Menges Konzept, weg von Auschwitz zu jener alltägllchen Realität zu kommen, wie sie damals von Müüonen erlebt wurde, zu den .Freiräumen' und privaten Träumen. Ich glaube, daß gerade AUtagsgeschichte vieles provozierend deutllch macht, was in der herrschenden Geschichtsschreibung oft abstrakt bleibt . . ."
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Menge, Jahrgang 1924, Zeitzeuge und "Betroffener" (seine Mutter war Jüdin), und Königstein, Jahrgang 1945, mußten sich jedoch erst "zueinander arbeiten". Es gab Spannungen, gelegentllch Streit. Im FUm ellt zuwellen Königsteins Lust zur Stllisierung dem "Naturalismus" der Menge-Figuren davon.
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Für ihre Erkundungsfahrt in den NS-AUtag der ehemaligen Reichshauptstadt wählten die beiden Grimme-Preisträger und TV-Profis eine "Mischform " aus Fernsehspiel, Dokumentation, Spielfilm und Revue. Königstein hat diese Collage-Technik bereits mit vieldiskutierten TV- Arbeiten wie "Das Bell von Wandsbek" oder der Klaus Mann-Biographie "Treffpunkt im Unendllchen" virtuos erprobt.
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Frage: "Ergeben so viele Elemente nicht zu viele Brechungen?" Antwort: ?Unsere Erinnerungen bestehen aus Bruchstücken und Lücken . . .
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Eine solche Suche nach vergangener Zeit läßt sich authentisch nicht in Dallas-Manier machen." GÜNTHER WOLF
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Historisches Archiv · Nr. 246 vom 22.10.1987 · Seite 16
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Reichshauptstadt privat
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GESTERN GESEHEN
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22.10.1987
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Haben wir Älteren damals wirk- Uch den AUtag im "Dritten Reich" so erlebt, erfahren die Jüngeren hier etwas über das damalige private Leben ihrer Eltern oder Großeltern? Oder wird hier vielmehr dargestellt, wie die heute 60- bis 70jährigen sich rückbllckend erinnern möchten, wobei die Erinnerung ihnen ebenso Beine stellt wie Schleier vors Vergangene zieht? Solche Fragen, die auch die beiden Hauptfiguren quälen ("Das Gedächtnis spielt Roulette", sagt Anna), sollen am besten bis nach dem zweiten Teü anstehen. Den Wert dieses bemerkenswerten Versuches, das "ganz normale Leben" der großen Zahl der Menschen während der Nazijahre zu rekonstruieren, mindern sie nicht. Hier ist sorgfältig recherchiert worden, sind Dialoge zu hören, die in ihrer Beiläufigkeit große Qualität besitzen, hier ist vor allem hervorragend montiert worden. Auch sind, besonders bei der KDF-Norwegen-Reise, Szenen gelungen, wie man sie selten zum Thema sah.
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Hamburger Abendblatt Nr. 248 vom 24.10.1987 · Seite 16
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"Reichshauptstadt" mit Begleitprogramm
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24.10.1987
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Berlin satt am Wochenende: Für die zweiteilige Serie "Reichshauptstadt - privat" (letzte Folge am Sonntag um 20.15 Uhr im 1. Programm) von Horst Königstein nach dem Drehbuch von Wolfgang Menge wurden vier (!) Begleitsendungen entwickelt. Sie sind am 24., 27., 31. 10. und 3. 11. im Dritten Programm zu sehen und sollen die Recherchen und damit den wahren Kern der FUmerfindungen ordnen und revuehaft ausbreiten.
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Im ersten Teü dieses "Sittenspiegels" werden Dokumente vorgestellt, die ein Aufruf in deutschen und österreichischen Tageszeitungen erbrachte. Es handelt sich u. a. um Dokumente und Berichte über die KdF-Reisen (KdF = Kraft durch Freude), mit denen das Nazi-Regime seinen Bürgern für wenig Geld zu Ferien verhalf. So werden beispielsweise zur KdF-Reise nach Norwegen in den Begleitsendungen die Erinnerungen ehemaliger Passagiere und der Schiffsbesatzung nachempfunden.
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(Sbd., 20.15 Uhr, 3. Progr.) HA
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Historisches Archiv · Nr. 257 vom 04.11.1987 · Seite 12
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Ein Sittenspiegel (III)
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04.11.1987
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Das war die neue Idee: Berliner Alltag im Dritten Reich, wie ihn die Masse der Menschen erlebt hat, erzählend zu beschreiben - als Panorama aus persönllchen Erinnerungen, Dokumenten, Film- Ausschnitten, Schlagern, Propagandaparolen. Das Wagnis hieß "Reichshauptstadt privat" von Wolfgang Menge und Horst Königstein, im ARD-Hauptprogramm zu sehen - ergänzt und kontrastiert durch die begleitende Dokumentation "Ein Sittenspiegel" im III. Programm.
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Was entstand, war eine weitgefächerte Fernseh-Collage neuer Art: eine subjektive, oft "heitere" BUderbeschwörung dunkler Nazi-Jahre "von unten". Geschichten statt Geschichte, faszinierende Momente und überraschende "Stilisierungen", aber auch Triviaütäten und Austauschbares.
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Reiz und Risiko solcher "AUtags-Archäologie" wurden besonders durch die zwar etwas gedehnte, aber immer wieder beeindruckende "Materialsammlung" Königsteins, den vierteiligen "Sittenspiegel", deutllch. Einerseits das anschauliche Ausbreiten von Erlebnis-Detaüs, Berliner Stenogramme Ustiger Überlebenskunst zwischen "Kraft durch Freude", Verfolgung und kleinen Fluchten in Jazz und Liebelei. Andererseits die Beschränkung auf vorwiegend "bürgerllche" Zeitzeugen. Arbeiter erlebten den Alltag wohl anders, "swingten" auch kaum in den Berllner Bars. Von polltisch und rassisch Verfolgten und ihren Ängsten nicht zu reden. Sie aber gehören gerade zum Alltag jener Jahre.
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Zwar wirkte der "Sittenspiegel" stüistisch geschlossener als das "Hauptstück", die Romanze von Kurt und Anna (großartig: Annette Uhlen), doch fügten sich die Telle nicht zu einem Ganzen. Ein Kapitel für sich: Königsteins "gestylte" Schlager-Revue in Ruinen. Fazit: Zu viele Facetten, zu viele Zitate können ein Gesamtbüd auch seltsam unscharf machen. Trotzdem: Ein beispielhafter Versuch, neuen Zugang zu einer schwer faßbaren Zeit zu finden. GÜNTHER WOLF
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2001: Gustav Peter Wöhler (45) - hier mit Heidelbeer-Mascarpone-Torte - stammt aus Eickum/Westfalen, wo er zur 850-Jahr-Feier auch mal wieder hingefahren ist. Er lernte Großhandelskaufmann, wurde Sänger und Schauspieler. Bekannt machten ihn Filme von Doris Dörrie ("Bin ich schön?", "Erleuchtung garantiert"), Horst Königstein ("Reichshauptstadt privat", "Kohl") und Heinrich Breloer ("Die Staatskanzlei", "Wehner"). Daneben arbeitet er am Theater und tritt mit einer Band als Sänger eigenwilliger Cover-Versionen bekannter Rocksongs auf. Demnächst ist er wieder im Kino zu sehen in "Invincible" und "Der Zimmerspringbrunnen". Gustav Peter Wöhler lebt im Stadtteil Winterhude.

Version vom 12. Oktober 2011, 03:06 Uhr