1797 Augustin Fangé Buch "Geschichte des männlichen Barts unter allen Völkern der Erde bis auf die neueste Zeit (Für Freunde der Sitten und Völkerkunde)"/Zweytes Kapitel

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I. Ueber die Form oder Figur der Haare
II. Ueber ihre Eintheilung
III. Ueber ihre Grösse
IV. Ueber ihre Farbe
V. Ueber ihre Verschiedenheit
VI. Sind die Haare lebende Theile des meschlichen Körpers?

I. Ueber die Form oder Figur der Haare

Wir haben unsern Lesern schon zu erkennen gegeben, dass das Barthaar von derselben Beschaffenheit, als die übrigen Haare, ist, und es lässt sich daher auch alles, was wir in diesem und dem folgenden Kapitel über letztere sagen werden, auf jene anwenden.

Herr Chirac, ein berühmter Arzt fand in seinen Bemerkungen über die Structur der Haare, dass sie in Hinsicht ihrer Wurzel mit den zwiebelartigen Pflanzen Aehnlichkeit hätten, ungefähr wie eine, durch eine Art von knorpelichter Kapsel geformte Zwiebel, die von innen mit einer drüsenartigen Haut, welche die Wurzel des Haars unmittelbar bedeckt, auf die sonderbare Weise eingelegt ist, dass es zwischen dieser Kapsel und der drüsenartigen umgebenden Haut gegen unten zu einen kleinen Zwischenraum gibt, der mit Blut angefüllt ist und die ganze Wurzel des Haars umgibt. Er fand auch in Hinsicht des besondern Gewebes des Haars, dass es mit einer Vogelfeder in sofern Aehnlichkeit habe, als sie gleichfalls inwenig ein halmartiges Gewebe hat, das eine Art von einem kleinen drüsenförmigen Körper bildet. (Man sehe das Journal der Gelehrten den 18. Theil, Seit. 54, Holl. Ausg.)

Herr Heister sagt in seiner Anatom.: man muss an dem Haar bemerken 1) den Theil, der ausserhalb der Haut ist; er ist rund, er erscheint durch das Mikroskop als durchsichtig, er ist nervenartiger Natur; aber man bemerkt daran keine Höhlung noch Aeste; die äusserste Spitze ist gespalten und gleicht einem Pinsel; 2) denjenigen Theil, der innerhalb der Haut ist, oder die Wurzel, die man ihrer Gestalt wegen den Bulbus (Zwiebel) nennt; es hat den Anschein, als wenn er hohl und gefässartig, wie die Wurzel der Vogelfedern sey. Der gefässartige Theil der Haare ist mit Bläschen umgeben, die man an Schweinsborsten und groben Haaren bemerkt. (Man sehe Herr Lewenoeck in den Act. Erud. 1683, Seit. 511, Ruisch Epist. I, Thes. 10, Seit. 1)

Badloo hat gesagt, die Haare würfen Aeste. Er gibt uns selbst ihre Figur an; aber so viel Genauigkeit man auch auf die Beobachtung derselben vermittelst der besten Mikroskope angewandt hat; man entdeckt davon nichts. Man sieht nur einen sehr glatten und durchsichtigen Körper, und es ist daraus klar, dass die Haare, die dieser Anatom beobachtet hat, etwas ausserordentliches haben mussten.

Man wird sich leicht überzeugen, sagt der forschende und gelehrte Malpighi, Oper. posth., dass das Haar hohl, und aus kleinen Röhren geformt ist, wenn man die Pferdehaare, u. s. f., und überhaupt die Schweinsborsten untersucht, wo man diese kleinen Röhren noch deutlicher bemerken wird. Die Schweinsborste besteht aus einem cylindrischen fast durchsichtigen Körper, ist aus einer Menge kleiner Röhren zusammengesetzt, die einer kanellirten Säule gleichen. Diese kleinen Röhren, die rund geformt sind, werden an der äussersten Spitze des Haars breitere und offener; denn das Haar öffnet sich und spaltet sich in zwey Theile, und gibt dadurch den kleinen Röhren mehr Freyheit, sich auszudehnen, und das geht so weit, dass man sie immer deutlicher bemerkt und sogar ihre Zahl berechnen kann.

Diese Röhren sind ganz hohl, mit einer grossen Menge kleiner Membranen besetzt, die von der Seite, wie soviel kleine Klappen angebracht sind.

Was Malpighi in Absicht der Structur des Haares bemerkt, kommt gewissermassen demjenigen gleich, was andere an dem Haar der Katzen, der Ratten, der Mäuse und verschiedener anderer Thiere durch genaue Beobachtung und scharfe Untersuchung vermöge guter Mikroskope bemerkt haben. Das Haar der Maus, das unter dem aller bekannten Thiere am durchsichtigsten ist, scheint nur eine einzige durchsichtige Röhre zu seyn, die eine markigte, aus Fibern zusammengesetzte Substanz befasst; und diese Linien bilden eben so viel dunkle Linien, die bey einigen Haaren quer über, bey andern schneckenförmig laufen. Diese markigten und dunklen Theile sind nichts anders, als kleine gewundene Fibern, und sie sind mehr, als an andern Theilen des Haars zusammengezogen. Mir scheint, sie dienen dazu, eine sanfte und unmerkliche Ausleerung des Körpers zu befördern; und vielleicht dienen die Haare eben so gut zur Beförderung der Transpiration der behaarten Thiere, als dass sie selbige gegen Kälte und Nässe schützen sollen.

Zu diesen Bemerkungen von Malpighi fügen wir hinzu, dass uns die Figur der Haare rund scheint; aber das Mikroskop überzeugt uns, dass es auch dreyeckigte und viereckigte so gut, als runde Haare gibt. Sie nehmen die Gestalt der Art, wie die Löcher, durch die sie gehen, und durch die sie sich formen, gestaltet sind, eben so an, als das Bley, dessen sich die Glaser bedienen, die Gestalt des Lochs annimmt, in welches man es laufen lässt. Die Haare können sich in zwey oder drey Theile absondern; diess kann man an ihren äussersten Enden sehen, wenn sie sich spalten.

II. Eintheilung der Haare

Es giebt zwey Arten Haare; sie werden entweder von dem Kinde schon mit auf die Welt gebracht, und man nennt sie dann angebohren (congeniti); von der Art sind die Haare des Kopfs, der Augenbraunen und der Augenlieder; oder sie zeigen sich erst, nachdem das Kind schon gebohren ist, wie die des Kinns, der Achseln, der Geschlechtstheile. Diese letztern nennt man Nachgebohrne, Nacherzeugte, (postgeniti). Sie kommen nach der Geburt erst dann zum Vorschein, wenn die Zeit der Mannbarkeit bey Knaben; und die der Reinigung bey Mädchen eintritt. Bey Mädchen treiben deshalb am Kinn keine Haare hervor, weil die monatliche Reinigung die Materie davon ausleert, und ihr Blut nicht Lebhaftigkeit des Umlaufs genug hat, um einen Bart hervorzutreiben (?)

III. Farbe der Haare

Die Hauptursache der Verschiedenheit der Farbe, die verschiedene Haare auszeichnet, ist in der Verschiedenheit der Säfte zu suchen, die sich mit dem Saft vermischen, wovon die Haare ernährt werden. Wir haben bisher gesagt, der Körper des Haars sey von einer grossen Zahl schwarzer Linien umgeben, die sich von der Wurzel bis zum äussersten Ende derselben erstrecken; und diese Linien seyen eben so viel Blutgefässe, die zur Ernährung der Haare bestimmt sind. Es folgt daraus

1) dass bey denjenigen Personen, wo diese Gefässe gross genug sind, um viel Blut aufnehmen zu können, die Haare schwarz seyn werden;

2) dass bey denjenigen Menschen, bey welchen diese Gefässe nicht weit genug sind, nichts als eine Art Lymphe, oder Oel in dieselben kommen wird; daher kommt es, dass die Haare weiss oder blond ausfallen. Bey den Bewohnern der nordischen Gegenden sind diese Gefässe wegen des kalten Klima's enger; deshalb können sie nur Oele oder Lymphe aufnehmen, und die Haare werden in diesen Climaten weissfarbig seyn. Aber in den mittägigen Gegenden, wo jene Gefässe erweiterter sind, und wo das Blut häufiger zuströmt, müssen die Haare deshalb schwarz seyn.

3) Dass bey Erwachsenen die Haare schwärzer seyn müssen, als bey Kindern. Denn ausserdem, dass sich die Blutgefässe an den Haaren der Erwachsenen erweitern, gewinnen die Fibern, welche die Nahrung dahin treiben, auch an Kraft; das Blut wird mithin zur Wurzel mit grösserer Heftigkeit geführt.

4) Dass das Blut durch die Haare fliessen kann, wie diess bey der Krankheit, welche der "Weichselzopf" (Plica) heisst, und den Polen eigen ist, geschieht.

5) Dass die Haare bey Greisen weiss werden müssen; denn alles trocknet aus, wenn man altert: und so kann das Blut nicht mehr überall hindringen, wohin es sich sonst Bahn brach.

Wir werden daher sagen, dass die Farbe der Haare nach den Ländern, den Temperamenten, dem Alter und der Beschaffenheit der Säfte, die ihm zur Nahrung dienen, verschieden ist; aber man bemerkt nie grünes, blaues u. s. f. Haar, obgleich bisweilen in dem Körper Säfte sich erzeugen, die so gefärbt sind. Die Bewohner warmer Gegenden, wie die Mohren, haben schwarzes, rohes und gelocktes Haar; das Haar der Bewohner gemässigter Erdstriche ist blond oder roth und oft braun und aschfarbig; und Menschen, die in kalten Gegenden leben, wie die Dänen, haben weisses, weiches und gerades Haar. Auch das Temperament verändert das Haar. Aber wie viel Verschiedenheit man auch in Absciht der Farbe der Haare bemerkt; sie mag nun durch das Land, das man bewohnt, oder durch das Temperament, durch die verschiedenen Lebensepochen bewirkt werden: so verwandelt doch das hohe Alter alle diese Darben gewöhnlich in eine, und macht es weiss. Diess ist dann bey Greisen aus Ueberfluss an Lymphe der Fall, durch die ihr Blut gewässert ist; oder durch das Zusammenschrumpfen der Poren, die nur einer sehr wässerigten Feuchtigkeit zur Nahrung dieser Theile den Zugang gestatten.

Riolan unterscheidet zwey Arten Ursachen, worin er die Verschiedenheit der Farbe des Hars sucht; innere und äussere, wie er sie nennt. Der innern gibt es nach ihm zweyerley: grosse oder geringe Wärme, die er die bewirkende Ursache nennt; und natürliche oder zufällige Feuchtigkeit, in grösserer oder geringerer Menge. Die äussern Ursachen sind die Beschaffenheit der Luft, die uns umgibt, und die flüssigen oder festen Nahrungsmittel. Selbst die Haut hat nach Aristoteles in dessen Buch von dern Farb. und anderwärts, daran Theil. Jedoch setzt er die Verschiedenheit in Absicht des Haars bey Menschen und Thieren fest, dass die Haut zwar eine Ursache von der Farbe des Haars bey Thieren, aber nicht bey Menschen sey; denn oft haben Menschen von einer sehr weissen Haut schwarzes Haar, und dieses ändert sich nicht, wenn sich jene verändert. Aristoteles setzt noch hinzu, das Haar nehme bey Menschen noch etwas von der Beschaffenheit der Haut an, nicht in sofern diese die Ursache der Farbe desselben sey, sondern nur, wiefern sie der Ort sey, durch welchen das Haar gehen müsse.

Um die verschiedenen Farben der Haare zu erkären, setzt Riolan als Grundsatz fest, alle Farben der Haare lassen sich auf zwey zurück bringen, auf die schwarze und weisse oder die blonde; alle übrigen Farben seyen nur gemischte, wie die gelbrothe, rothe und Fleischfarbe. Es ist wahr, sagt er, dass die blonde und röthlichte Farbe sich bisweilen bey demselben Menschen vermischen, so dass das Haar gegen die Wurzel zu blond und gegen die Spitze roth ist. Das Haar ist blond, sagt Aristoteles im angeführten Buche, wenn die Feuchtigkeit in seiner natürlichen Farbe eingetrocknet ist. Man muss diess von der natürlichen Feuchtigkeit und nicht von jener zufälligen und naturwidrigen Feuchtigkeit verstehen, die bey Hautfehlern und gegen das Alter hin das Haar zu bleichen pflegt, indem sie dann rings um die Wurzel desselben eine Art von Nahrung bringt, die Aristoteles schimmlicht nennt.

Trocknet die Flüssigkeit ganz auf, so ändert das Haar wieder seine Farbe, und das blonde wird schwarz. Man begreift unter dem blonden auch das graue Haar; auch ist es kein Erzeugniss der Natur, sondern die Wirkung von Krankheiten, vom Alter, oder von sonst einem beträchtlichen Zu fall, der sie oft in dem Zeitraum einer Nacht verändert. Das Haar wird schwarz, wenn die natürliche Feuchtigkeit desselben aus Mangel an Wärme roh bleibt. Das schwarze Haar nimmt daher seinen Ursprung aus einer Menge natürlicher Feuchtigkeit und aus Mangel innerer Wärme bey uns Europäern; aber nicht bey den Aethiopiern, bey welchen die Sonnenwärme die Ursache davon seyn kann, ob man gleich bisweilen in den gemässigsten Erdstrichen Menschen findet, die eben so schwarz sind, als die Aethiopier.

Das Kastanienbraune Haar, fährt Riolan fort, das rote und gelblichtrothe Haar kommen daher, dass die Feuchtigkeit, die einigermassen getrocknet ist, es doch nicht so weit ist, als sie es seyn müsste, damit es schwarz werden könnte. Aus diesem Mangel an Wärme halten diese beyden Farben zwischen der schwarzen und blonden das Mittel; und so wie es verschiedene Grade von Trockenheit der Feuchtigkeit gibt, so gibt es auch verschiedene Arten von Haar mit gemischter Farbe. Die roten sind die ausgetrocknetsten, die gelblichtrothen kommen nach ihnen und die kastanienbraunen zuletzt; auch haben sie mehr Feuchtigkeit, als die beyden andern Arten. Man sehe Aristoteles von der Farbe und der Erzeugung der Thiere. So raisonnirt Riolan, auf die Prinzipien des Aristoteles gestützt. Unsere neuern Physiker, die in der Anatomie viel nützliche Entdeckungen gemacht, und besondere Untersuchungen über die Natur des Bluts, über den Nahrungssaft und die Säfte der belebten Körper angestellt haben, sind es auch, denen man mehr Licht über die Ursachen der verschiedenen Farben der Haare verdankt.

Die Verschiedenheit der Farben beym Haar, sagt St. Hilar, kommt von der Verschiedenheit der Flüssigkeiten her, die sich mit dem Saft vermischen, wovon sie sich nähren. Vermischt sich damit Schleim, so fallen sie ins weisse. So sehen wir, dass schleimichte Personen, die von ihrer Geburt an kalten Temperaments sind, weisse Haare haben. Vermischt sich etwas russartiges damit, das von zu vieler Wärme, und zu vieler Durchkochung der Säfte herkommt, so sind sie schwarz. So haben diejenigen, die sehr hitziger Natur sind, und bey denen sich wegen des heftigen Vorsichgehens der Lebensverrichtungen, viel Kohlenstoff erzeugt, schwarzes Haar. Vermischt sich Galle damit, so werden sie roth, wie diess bey gallichten Personen der Fall zu seyn pflegt. Hat in der einen Gegend der Haut Schleim; und haben in einer andern Stelle derselben die rus- und kohlenartigen Theile, oder die Galle das Uebergewicht, so sind sie von verschiedener Farbe, an einem Orte weiss, an einem andern schwarz, an einem dritten blond oder roth. Aehnliche Farben sieht man selbst auf der Haut durchscheinen, wenn sich dergleichen Flüssigkeiten daselbst fest setzen und sich ihr mittheilen. So haben einige Menschen auf der einen Seite des Kopfs weisse, auf der andern schwarze Haare; und man sieht bey Hunden und Pferden von gemischter Farbe, dieselbe Verschiedenheit von Farbe an ihrer Haut und an ihrem Haar, weil ihre Haut von ihrer Geburt an mit diesen oder andern Säften getränkt worden ist, und diese Farben dauern so lange als die Säfte, die sie bewirkten, dieselben bleiben. Mischensich durch Zufall in einem folgenden Zeitpunkt die Säfte anders, so ändern sich dann auch die Farben. So wird bey Pferden und Hunden von gemischter Farbe das Haar in dem Maasse, als sie sich dem Alter nähern, durch übermässige Vermehrung und Vermischung des Schleims weiss, und die Flecken der Haut, die vorher schwarz waren, werden gleichfalls weiss.

Daraus folgt, fährt St. Hillar fort, dass die Aegyptier, die Araber, die Indier, die Spanier, die Italiäner grösstentheils schwarze Haare haben. Der Grund davon ist, wie er sagt, dass sie warme Gegenden bewohnen, sich des Weins und warmer Nahrungsmittel bedienen; diess erzeugt in ihnen viel Kohlenstoff, der durch die Wärme sich anhäuft und darauf mit dem Nahrungssaft der Haare vermischt, ihm diese Farbe mittheilt, welche dann vermittelst dieses Saftes den Haaren selbst mitgetheilt wird. Die Holländer hingegen, die Engländer, die Schotten und die andern mitternächtlichen Völker haben Haare, die ins Weisse spielen, weil sie ein kaltes Land bewohnen; diess erzeugt in ihnen viel Schleim, welcher dem Nahrungssaft der Haare diese Farbe gibt. Aus demselben Grunde sieht man Wenige unter ihnen, die ganz schwarze Haare hätten; und Mehrere, bey denen die Farbe ihres Haars bis in die Hälfte des männlichen Alters das Mittel zwischen weiss und schwarz hält. Hierzu nehme man noch, dass es mehrere Personen unter diesen Nationen gibt, die bey guter Zeit weiss werden; was in den warmen Ländern nicht der Fall ist, wo die Haare weit später weissen.

Der Beweis, dass diess die wahre Ursache von der Verschiedenheit und der Veränderung der Farbe an Haaren ist, ist der, dass sie nicht immer diejenige Farbe behalten, die sie seit der Geburt hatten, sondern dass nach der Verschiedenheit des Temperaments bey Menschen, wo sich im Körper andere Säfte erzeugen und anhäufen, auch die Farbe des Haars anders zu seyn pflegt. Deshalb werden sie bey galligten Menschen durch Mittheilung der Galle roth, und bey schleimichten Personen weiss; und wenn die Haut mit andern fehlerhaften Säften getränkt ist, so nehmen sie die Farbe dieser Säfte an. So werden sie in dem Maass, als man sich dem Alter nähert, von Tag zu Tag weisser, und zwar nicht aus Mangel an Nahrungsstoff; sondern weil sich bey dem kaltblütigern Greis in dem Körper viel Schleim erzeugt, der sich mit dem Nahrungssaft der Haare vermischt.

Aus denselben Grundsätzen erklärt unser Verfasser, wie die Haare des Kopfs leichter weiss werden, als diess an andern Theilen des Körpers geschieht. Der Grund davon ist nach ihm: der Kopf sey derjenige Theil des Körpers, wo sich der meiste Schleim anhäuft; und da sich derselbe in die Haut desselben verbreite, so könne es nicht anders seyn, als dass er sich in dem Alter genauer mit dem Nahrungsstoff der Haare vermische, als in der Jugend, einem Zeitpunkt, wo sich die rohen Säfte besser ausarbeiten, theils wegen der grössern Wärme, theils wegen der grössern Ausdünstung. Nun bewirke aber diese genau Vermischung des Schleims mit diesem Stoff erstens die weisse Farbe, die sich sodann den Haaren mittheile; aber in andern Theilen, die mehr Wärme haben, häufe sich der Schleim später an; und deshalb werden da die Haare später weiss.

Der Verfasser leitet aus der Beschaffenheit der Haare noch die charakteristischen Merkmahle des Temperaments in Absicht auf Körper und Seele her. So zeigt nach ihm die weisse Garbe einen schleimigten; die rothe einen galligten Körper an; und ein Körper, der das Mittel zwischen beyden Farben hält, ein Temperament, das schleimicht und gallicht zugleich sey. Zuweilen schliesst man sogar aus der Beschaffenheit der Haare auf verborgene Krankheiten und auf Neigungen der Seele. So wurde man in dem mosaischen Gesetz vorzüglich durch die Farbe der Haare auf die Kenntniss und Heilmethode des Aussatzes geführt.

Lange, weiche und gerade Haare weisen auf einen sanften und gütigen Charakter hin; krauses Haar lässt uns einen unbeständigen oder cholerischen Charakter, eine entschiedne Anlage und Neigung zu grossen Thaten ahnden; weiches Haar lässt uns Kleinmuth; hartes Haar, überhaupt, wenn es in das Schwarze spielt, lässt uns Festigkeit des Geistes und des Körpers erwarten. Rohe und lange Haare an den Armen bezeichnen einen stolzen und unbeugsamen Geist.

IV. Verschiedenheit in den Haaren

Man bemerkt eine grosse Verschiedenheit unter den Haaren. Aristoteles unterscheidet, feines und grobes, langes und kurzes, gerades und krauses Haar. Das weiche Haar ist nach diesem Philosophen schleimichter und klebriger Art; denn Weichheit ist immer die Wirkung einer klebrigen Feuchtigkeit. Das harte Haar erzeugt sich aus einer dichtern und trocknern Materie als das weiche Haar; denn Härte ist der Weichheit immer entgegen gesetzt. Das Haar der Frauen ist weicher, als das der Männer, weil die Säfte bey den Weibern mehr Feuchtigkeit haben, als bey den Männern, und weil ihr Körperbau zarter ist.

Das Haar wird durch Ueberfluss von Nahrung weich und durch Enthaltsamkeit roh. Das gerade Haar ist weicher und weniger roh, als das krause Haar. Derselbe Aristoteles setzt hinzu, das Haar sey länger oder kürzer, je nachdem man gute oder schlechte Nahrungsmittel zu sich nehme. Ein gewisser Schriftsteller schreibt es sogar einem Wunder zu, dass das Haar nur eine bestimmte Länge erreicht, so viel Nahrungsstoff auch an seiner Wurzel vorhanden seyn mag; allein das ist ja auch mit dem ganzen Körper, der über seinen Maasstab der Gattung nicht hinauswächst, der Fall.

Die Haare, sagt Herr Heister (Anatom. Seit. 75-76) sind an gewissen Theilen kraus; an andern sind sie es nicht. Es giebt Schriftsteller, welche der Meynung sind, das krausigte derselben habe in ihrer Trockenheit seinen Grund; aber das ist nicht wahr. Es gibt Haare, die sich kräuseln, und diese sind oft noch nässer, als andere, die sich nicht kräuseln. Man sieht das täglich an dem Haupthaar, u. s. f. Das Haupthaar kräuselt sich am Feuer. Da hier die Feuchtigkeit verdünstet, so nähern sich die festen Theile, und nehmen nach ihrer Natur verschiedene Richtungen an. Die gekräuselte Gestalt derselben muss man noch aus einer andern Ursache erklären. Sie kommt ohne Zweifel nur von der Gestalt her, welche die Haare in den Poren annehmen. Gehen sie aus denselben gekrümmt hervor, so behalten sie dieselbe Gestalt. So bald sie der Luft ausgesetzt werden, so ziehen sich ihre Theile nach derselben Richtung zusammen, die sie bey ihrem Hervorwachsen erhielten.

Derselbe Heister bemerkt noch, dass die Länge der Haare nach den verschiedenen Theilen des Körpers verschieden ist. Sie sind zum Beyspiel am Kopfe sehr lang; und auch da sind sie nach den verschiedenen Subjekten und Ländern noch verschieden. Sie sind bey den Bewohnern des heissen Erdstrichs sehr kurz und kraus, so wie sie bey den Bewohnern der gemässigten Erdgegenden länger und gerader sind.

Ihre Beschaffenheit ändert sich, wie eben erwähnt, nicht weniger nach der Verschiedenheit der Subjekte und der Verschiedenheit des Landes. Sie sind trocken und roh bey den Aethiopiern und bey denen die einen trockenen Körper haben. Sie sind weich bey den Kindern und bey denen, die einen mehr nassen Körper haben. Das Haar desselben Bartes ist an der einen Stelle roher als an der andern. Das Haar des Backenbarts oder der Oberlippe ist es mehr, als anderes; aber es krümmt sich nach unten zu, um dem Gesicht nicht zu schaden; und das ist mit dem weichen und harten der Fall.

Die Grösse der Haare ist nicht bey allen Personen gleich. Es giebt Personen, die sehr kurzes; andere, die sehr langes Haar haben; dies hängt von dem eigenthümlichen Nahrungssaft derselben ab, der sich bey der einen Person in weit grösserer Menge, als bey der andern findet. Die eine hat feines und zartes, die andere grobes Haar, je nachdem die Poren, aus denen sie hervorwachsen, länger oder kürzer sind. Einige haben gerades, andere gekrümtes Haar, und diess hat wieder in der Gestalt der Hautporen seinen Grund. Sind sie gerad, so sind es die Haare auch; aber sind sie gekrümmt oder länglich, so sind die daraus hervorwachsenden Haare gekräuselt. Man hat die Bemerkung gemacht, dass diejenigen, die einen nassen Körper haben, auch ein weicheres Haar; und diejenigen dagegen, die trocknerer Natur sind, ein gröberes Haar auszeichnet.

Die Zeit, wo die Haare zum Vorschein kommen, ist nicht für alle Theile des Körpers gleich. An dem Kopfe, den Augenliedern, den Augenbraunen werden sie zugleich mit den Theilen, die sie einnehmen, erzeugt. Das Haar des Barts, unter den Achseln, u. s. w. kommt in einem gewissen Alter zum Vorschein. Es gibt Haare, die immer wachsen, andere wachsen nach der Geburt nicht mehr.

Bevor ich mein Raisonnement über die Verschiedenheit der Haare endige, muss ich noch erklären, wie sich die Haare ästeln, und wie sie Farbe gewinnen. 1) Herr Chirak hat bemerkt, dass die Haupthaare nur vereinigte Fäden seyen, die sich trennen lassen. 2) Die Haupthaare können weiss werden, wenn man die schwärzliche Materie ihrer Gefässe verdünsten lässt.

V. Sind die Haare lebende Theile?

Es gibt Männer, welche glauben, die Haare seyen Theile des lebenden Körpers. Hier sind die Gründe, die sie für ihre Behauptung beybringen.
1) Erzeugung, Ernährung, Wachsthum, sind, wie sie sagen drey, Verrichtungen des vegetativen Lebens, das dem Körper sein Leben gibt.
2) Die Veränderung der Farbe in den Haaren, nach der Menge des körperlichen Nahrungsstoffes, der sie nährt. Auch bemerkt man, dass die Nägel Gefässe haben, die Stoff zu ihrer Ernährung enthalten.
3) Krankheiten sind Veränderungen und Anlagen der lebenden Theile; nun weiss man aber, dass die Haare und Nägel Krankheiten unterworfen sind.
4) Nur lebendigen Theilen kommt es zu, sich wieder zu erzeugen, und wieder zu wachsen. Die Haare und Nägel erzeugen sich wieder, wenn sie verlohren gehen, oder abgeschnitten werden. Man sieht Narben bis in die Mitte der Nägel.
5) Galen selbst und mehrere nach ihm haben die Nägel und Haare für einfache Theile des Körpers genommen.

Aber andere Neuere erkennen die Haare und Nägel nicht für wahrhaft lebende Theile, die mit wirklichem Leben begabt wären. Sie geben folgende Gründe an:
1) weil sie nicht wachsen und nur eine Zeitlang Nahrung in sich aufnehmen, und nach dem Zeugniss der Erfahrung im todten Körper eben so gut, als im lebenden wachsen. Die Nägel sind dazu bestimmt, sich besser anhalten zu können; sie dienen auch zur Verschönerung und Vertheidigung der Finger; sie haben den Zweck, den Körper zu reiben; den Zweck aller Beschäftigungen mit der Hand, des Zerreissens, Spaltens und so fort. Das Haar dient den Theilen, wo es sich erzeugt, zur Verschönerung, zur Beschützung vor der Ausdünstung und Aufnahme kohlenstoffartiger Aussonderungen. Sie sind also nur Theile des Körpers in einem allgemeinen Sinn, in Hinsicht ihres Zusammenhangs mit dem Körper, und des Gebrauchs, wozu sie dienen.
2) Ihre Erzeugung und Ernährung ist keine wahre Erzeugung und Ernährung, wie sie an den übrigen Theilen des Körpers Statt findet, weil sie sich nur von Aussonderungsstoff, der dem Körper zu nichts mehr dient, erzeugen und ernähren (?)
3) Was die Krankheiten betrifft, die man ihnen zuschreibt, so sind es weniger Krankheiten der Haare, als vielmehr solcher Theile, aus welchen sie ihren Ursprung nehmen, und mit denen sie in unmittelbarem Zusammenhang stehen.
4) Ihre Erneuerung und Reproduction beweist zwar, das Haar und Nägel leben, und dass Nahrungsstoff ihnen zugeführt wird, der sie auch nach schon erfolgtem Absterben des Körpers noch fortwachsen macht; aber das beweist keineswegs, dass sie Theile des lebenden Körpers ausmachen.

Wie es sich auch mit der Meynung der alten Aerzte, und einiger Neuern, die ihnen gefelogt sind, in dieser Hinsicht verhalten mag, so ist doch durch anatomische Beobachtungen möso viel gewiss
1) dass, da der Ursprung der Haare unter der Haut zu suchen ist, es grosse Wahrscheinlichkeit hat, dass sie mit Nerven zusammenhängen; diess beweist deutlich genug der Schmerz, den man empfindet, wenn man sie ausreisst;
2) dass der Stoff, der sie ernährt, von anderer Art seyn müsse, als der, wovon sich andere Theile des Körpers nähren;
3) dass dieser Stoff nicht blosses Exkrement ist, wie die Alten behaupteten;
4) dass die Haare als Theile der Haut betrachtet werden müssen, weil sie in allen ihren Punkten, auch wo man sie nicht so deutlich sieht, mit Haaren bedeckt ist.