1797 Augustin Fangé Buch "Geschichte des männlichen Barts unter allen Völkern der Erde bis auf die neueste Zeit (Für Freunde der Sitten und Völkerkunde)"/Zweytes Kapitel

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I. Ueber die Form oder Figur der Haare
II. Ueber ihre Eintheilung
III. Ueber ihre Grösse
IV. Ueber ihre Farbe
V. Ueber ihre Verschiedenheit
VI. Sind die Haare lebende Theile des meschlichen Körpers?

I. Ueber die Form oder Figur der Haare

Wir haben unsern Lesern schon zu erkennen gegeben, dass das Barthaar von derselben Beschaffenheit, als die übrigen Haare, ist, und es lässt sich daher auch alles, was wir in diesem und dem folgenden Kapitel über letztere sagen werden, auf jene anwenden.

Herr Chirac, ein berühmter Arzt fand in seinen Bemerkungen über die Structur der Haare, dass sie in Hinsicht ihrer Wurzel mit den zwiebelartigen Pflanzen Aehnlichkeit hätten, ungefähr wie eine, durch eine Art von knorpelichter Kapsel geformte Zwiebel, die von innen mit einer drüsenartigen Haut, welche die Wurzel des Haars unmittelbar bedeckt, auf die sonderbare Weise eingelegt ist, dass es zwischen dieser Kapsel und der drüsenartigen umgebenden Haut gegen unten zu einen kleinen Zwischenraum gibt, der mit Blut angefüllt ist und die ganze Wurzel des Haars umgibt. Er fand auch in Hinsicht des besondern Gewebes des Haars, dass es mit einer Vogelfeder in sofern Aehnlichkeit habe, als sie gleichfalls inwenig ein halmartiges Gewebe hat, das eine Art von einem kleinen drüsenförmigen Körper bildet. (Man sehe das Journal der Gelehrten den 18. Theil, Seit. 54, Holl. Ausg.)

Herr Heister sagt in seiner Anatom.: man muss an dem Haar bemerken 1) den Theil, der ausserhalb der Haut ist; er ist rund, er erscheint durch das Mikroskop als durchsichtig, er ist nervenartiger Natur; aber man bemerkt daran keine Höhlung noch Aeste; die äusserste Spitze ist gespalten und gleicht einem Pinsel; 2) denjenigen Theil, der innerhalb der Haut ist, oder die Wurzel, die man ihrer Gestalt wegen den Bulbus (Zwiebel) nennt; es hat den Anschein, als wenn er hohl und gefässartig, wie die Wurzel der Vogelfedern sey. Der gefässartige Theil der Haare ist mit Bläschen umgeben, die man an Schweinsborsten und groben Haaren bemerkt. (Man sehe Herr Lewenoeck in den Act. Erud. 1683, Seit. 511, Ruisch Epist. I, Thes. 10, Seit. 1)

Badloo hat gesagt, die Haare würfen Aeste. Er gibt uns selbst ihre Figur an; aber so viel Genauigkeit man auch auf die Beobachtung derselben vermittelst der besten Mikroskope angewandt hat; man entdeckt davon nichts. Man sieht nur einen sehr glatten und durchsichtigen Körper, und es ist daraus klar, dass die Haare, die dieser Anatom beobachtet hat, etwas ausserordentliches haben mussten.

Man wird sich leicht überzeugen, sagt der forschende und gelehrte Malpighi, Oper. posth., dass das Haar hohl, und aus kleinen Röhren geformt ist, wenn man die Pferdehaare, u. s. f., und überhaupt die Schweinsborsten untersucht, wo man diese kleinen Röhren noch deutlicher bemerken wird. Die Schweinsborste besteht aus einem cylindrischen fast durchsichtigen Körper, ist aus einer Menge kleiner Röhren zusammengesetzt, die einer kanellirten Säule gleichen. Diese kleinen Röhren, die rund geformt sind, werden an der äussersten Spitze des Haars breitere und offener; denn das Haar öffnet sich und spaltet sich in zwey Theile, und gibt dadurch den kleinen Röhren mehr Freyheit, sich auszudehnen, und das geht so weit, dass man sie immer deutlicher bemerkt und sogar ihre Zahl berechnen kann.

Diese Röhren sind ganz hohl, mit einer grossen Menge kleiner Membranen besetzt, die von der Seite, wie soviel kleine Klappen angebracht sind.

Was Malpighi in Absicht der Structur des Haares bemerkt, kommt gewissermassen demjenigen gleich, was andere an dem Haar der Katzen, der Ratten, der Mäuse und verschiedener anderer Thiere durch genaue Beobachtung und scharfe Untersuchung vermöge guter Mikroskope bemerkt haben. Das Haar der Maus, das unter dem aller bekannten Thiere am durchsichtigsten ist, scheint nur eine einzige durchsichtige Röhre zu seyn, die eine markigte, aus Fibern zusammengesetzte Substanz befasst; und diese Linien bilden eben so viel dunkle Linien, die bey einigen Haaren quer über, bey andern schneckenförmig laufen. Diese markigten und dunklen Theile sind nichts anders, als kleine gewundene Fibern, und sie sind mehr, als an andern Theilen des Haars zusammengezogen. Mir scheint, sie dienen dazu, eine sanfte und unmerkliche Ausleerung des Körpers zu befördern; und vielleicht dienen die Haare eben so gut zur Beförderung der Transpiration der behaarten Thiere, als dass sie selbige gegen Kälte und Nässe schützen sollen.

Zu diesen Bemerkungen von Malpighi fügen wir hinzu, dass uns die Figur der Haare rund scheint; aber das Mikroskop überzeugt uns, dass es auch dreyeckigte und viereckigte so gut, als runde Haare gibt. Sie nehmen die Gestalt der Art, wie die Löcher, durch die sie gehen, und durch die sie sich formen, gestaltet sind, eben so an, als das Bley, dessen sich die Glaser bedienen, die Gestalt des Lochs annimmt, in welches man es laufen lässt. Die Haare können sich in zwey oder drey Theile absondern; diess kann man an ihren äussersten Enden sehen, wenn sie sich spalten.

II. Eintheilung der Haare

Es giebt zwey Arten Haare; sie werden entweder von dem Kinde schon mit auf die Welt gebracht, und man nennt sie dann angebohren (congeniti); von der Art sind die Haare des Kopfs, der Augenbraunen und der Augenlieder; oder sie zeigen sich erst, nachdem das Kind schon gebohren ist, wie die des Kinns, der Achseln, der Geschlechtstheile. Diese letztern nennt man Nachgebohrne, Nacherzeugte, (postgeniti). Sie kommen nach der Geburt erst dann zum Vorschein, wenn die Zeit der Mannbarkeit bey Knaben; und die der Reinigung bey Mädchen eintritt. Bey Mädchen treiben deshalb am Kinn keine Haare hervor, weil die monatliche Reinigung die Materie davon ausleert, und ihr Blut nicht Lebhaftigkeit des Umlaufs genug hat, um einen Bart hervorzutreiben (?)

III. Farbe der Haare

Die Hauptursache der Verschiedenheit der Farbe, die verschiedene Haare auszeichnet, ist in der Verschiedenheit der Säfte zu suchen, die sich mit dem Saft vermischen, wovon die Haare ernährt werden. Wir haben bisher gesagt, der Körper des Haars sey von einer grossen Zahl schwarzer Linien umgeben, die sich von der Wurzel bis zum äussersten Ende derselben erstrecken; und diese Linien seyen eben so viel Blutgefässe, die zur Ernährung der Haare bestimmt sind. Es folgt daraus

1) dass bey denjenigen Personen, wo diese Gefässe gross genug sind, um viel Blut aufnehmen zu können, die Haare schwarz seyn werden;

2) dass bey denjenigen Menschen, bey welchen diese Gefässe nicht weit genug sind, nichts als eine Art Lymphe, oder Oel in dieselben kommen wird; daher kommt es, dass die Haare weiss oder blond ausfallen. Bey den Bewohnern der nordischen Gegenden sind diese Gefässe wegen des kalten Klima's enger; deshalb können sie nur Oele oder Lymphe aufnehmen, und die Haare werden in diesen Climaten weissfarbig seyn. Aber in den mittägigen Gegenden, wo jene Gefässe erweiterter sind, und wo das Blut häufiger zuströmt, müssen die Haare deshalb schwarz seyn.

3) Dass bey Erwachsenen die Haare schwärzer seyn müssen, als bey Kindern. Denn ausserdem, dass sich die Blutgefässe an den Haaren der Erwachsenen erweitern, gewinnen die Fibern, welche die Nahrung dahin treiben, auch an Kraft; das Blut wird mithin zur Wurzel mit grösserer Heftigkeit geführt.

4) Dass das Blut durch die Haare fliessen kann, wie diess bey der Krankheit, welche der "Weichselzopf" (Plica) heisst, und den Polen eigen ist, geschieht.

5) Dass die Haare bey Greisen weiss werden müssen; denn alles trocknet aus, wenn man altert: und so kann das Blut nicht mehr überall hindringen, wohin es sich sonst Bahn brach.

Wir werden daher sagen, dass die Farbe der Haare nach den Ländern, den Temperamenten, dem Alter und der Beschaffenheit der Säfte, die ihm zur Nahrung dienen, verschieden ist; aber man bemerkt nie grünes, blaues u. s. f. Haar, obgleich bisweilen in dem Körper Säfte sich erzeugen, die so gefärbt sind. Die Bewohner warmer Gegenden, wie die Mohren, haben schwarzes, rohes und gelocktes Haar; das Haar der Bewohner gemässigter Erdstriche ist blond oder roth und oft braun und aschfarbig; und Menschen, die in kalten Gegenden leben, wie die Dänen, haben weisses, weiches und gerades Haar. Auch das Temperament verändert das Haar. Aber wie viel Verschiedenheit man auch in Absciht der Farbe der Haare bemerkt; sie mag nun durch das Land, das man bewohnt, oder durch das Temperament, durch die verschiedenen Lebensepochen bewirkt werden: so verwandelt doch das hohe Alter alle diese Darben gewöhnlich in eine, und macht es weiss. Diess ist dann bey Greisen aus Ueberfluss an Lymphe der Fall, durch die ihr Blut gewässert ist; oder durch das Zusammenschrumpfen der Poren, die nur einer sehr wässerigten Feuchtigkeit zur Nahrung dieser Theile den Zugang gestatten.