1797 Augustin Fangé Buch "Geschichte des männlichen Barts unter allen Völkern der Erde bis auf die neueste Zeit (Für Freunde der Sitten und Völkerkunde)"/Neuntes Kapitel

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Von dem Bart der Geistlichen

I. Tragen alle Geistlichen einen Bart?
II. Sitte der Griechen und Römer in diesem Punkt
III. Streit der Griechen und Orientaler in Absicht des Barts
IV. Apologie des Barts der Priester

I. Tragen alle Geistlichen einen Bart?

Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich die Geistlichkeit in der Art, den Bart zu tragen, oder ihn zu rasiren, nach den Ländern und Orten richteten, wo sie sich befanden, und dass es in diesem Punkt zwischen Layen und Geistlichen keinen Unterschied gab; wenigstens findet man in den ersten sechs Jahrhunderten der Kirche keine Gesetze, welche dieses Unterschieds Erwähnung thäten. Die Ehrfurcht welche man in diesen ersten Zeiten für den Bart hegte, wo man ihn als einen Vorzug des Mannes, als ein Symbol der Weisheit und Majestät ansah, lässt glauben, dass die Geistlichen nicht daran gedacht haben, sich dieser Zierde der Natur, so lange als der Bart auf diesen Fuss betrachtet wurde, zu berauben. Es gibt in den gebräuchen, wie man mehr als einmahl bemerkt hat, Begriffe von Wohlstand, welche nach Verschiedenheit der Ideen und der Aufklärung unter den Menschen, oder auch nach blosser Laune derselben wechseln. Es darf daher gar nicht befremden, dass man bey der Geistlichkeit in Hinsicht des Barts dieselbe Bisarrerie und Verschiedenheit findet, die wir bey den weltlichen Ständen nahmhaft gemacht haben.

So lächerlich diese Bisarrerien in ihrer Quelle erscheinen, so bleibt es, wenn sie einmahl allgemeinen Eingang gefunden haben, für den vernünftigen Mann, der für keinen Sonderling angesehen seyn will, doch Pflicht, sich darnach zu bequemen; und es führt am Ende zu derselben Sonderbarkeit, die sie hervorbrachte, wenn man sich nach ihnen gar nicht fügt. Deshalb wage ich zu behaupten, dass die Geistlichkeit und selbst die Mönche Gründe hatten, die Gewohnheiten der Länder und Orte, wo sie sich befanden, in Absicht der angenommenen Sitte, sich den Bart wachsen zu lassen, oder ihn sich zu rasiren, je nachdem das eine oder das andere in dem Ort ihres Aufenthalts der Fall war, zu beobachten; eben so, wie auch jetzt die jungen geistlichen dasselbe thun und sich in dieser Hinsicht genau in ihrem Aeussern nach dem herrschenden Ton ihres Jahrhunderts darstellen, es müsste ihnen denn irgend eine Verordnung oder ein besonderes Gesetz die Verbindlichkeit eines andern Betragens auferlegen; und in der That wäre es eine affektirte Sonderbarkeit, wenn sich jemand in Absicht einer so gleichgültigen Sache von seinem Jahrhundert unterscheiden wollte.

II. Sitte der Griechischen und Orientalischen Priester

Gemäss der Sitte ihrer Nation, haben die Griechischen Priester und Mönche fast immer einstimmig einen Bart getragen. Der Cardinal Baronius (Tom. I Annal. p. 577, ad ann. 58) bemerkt sehr scharfsinnig, sie wären diesem Gebrauche gefolgt, weil die Juden und übrigen Orientaler, unter welchen sie lebten, insgesammt Bärte getragen hätten. Sie würden sich zu auffallend gemacht haben, wenn sie anders gehandelt hätten. St. Epiphanias tadelt die Ketzer zu Marseille heftig, dass sie ihren Bart sich abnähmen; er geht sogar so weit, dass er ihnen das Wort Gottes in den Apostolischen Geschichtsbüchern Buch I. Cap. 3, entgegensetzt, worin es mit ausdrücklichen Worten verboten ist, sich den Bart zu scheren. Von dem Bart sagt die Schrift in der Apostelgeschichte: "Verderbe dein Haar nicht," das heisst, "schneide dein Barthaar nicht ab, noch lass dich, nach Art der Buhlerinnen, wegen deines Haars loben." Was hier Epiphanias sagt, betrifft den Clerus und die Mönche seiner Zeit eben so gut, als die Layen.

III. Streit der Griechen und Lateiner wegen des Barts

Dieser Gebrauch, der an sich von geringer Bedeutung ist, wurde in der Folge der Gegenstand eines sehr ernsthaften Streits zwischen der Orientalischen und Occidentalischen Geistlichkeit. Die Griechen machten den Lateinern im neunten Jahrhundert als aus einer sehr taddelnswerthen Neuerung den Vorwurf, dass sie sich den Bart rasiren liessen. Dieser Tadel hatte keinen andern, als die ungerechteste Tadelsucht bey erstern zum Grunde, die sich auch auf die geringste Kleinigkeit erstreckte, worin die Lateiner von den Griechen abwichen. Michael Verularius, der Urheber des Schisma, und endlich der Patriarch Nectarius zu Jerusalem in seinem Buch gegen den Vorrang des Papsts, machen ihnen ein grosses Verbrechen daraus; obgleich die vernünftigsten und gemässigsten unter ihnen diese Sitte als eine sehr gleichgültige und des Anregens gar nicht werthe Sache ansahen. Deshalb schreibt Petrus der Patriarch von Antiochien an Michael Cerularius in folgenden Ausdrücken davon: was macht es denn aus, dass die Lateinischen Bischöffe ihren Bart abscheren, und dass sie Ringe tragen, zum Zeichen, dass sie ihre Kirchen als ihre Verlobten ansehen? *)

*) "Quid as nos, si Pontifices ipsorum Barbam radant, et, si in signum, ut dixisti, desponisationis cum sancta Dei Ecclesia, gerant annulum?" (Petri Antiocha Epist. ad Mich. Cerularium)

In der That konnte es wohl MIchael Cerularius unbekannt seyn, dass das Concilium in Trullo die Vorschriften der dritten Kirchenversammlung zu Carthago gebilligt hatte, und worin es den Geistlichen mit ausdrücklichen Worten verboten ist, "sich ihr Kopfhaar und ihren Bart wachsen zu lassen *)." Ratramnus, ein Mönch zu Corbin, lässt in dem Werke, das er zur Widerlegung der Vorwürfe der Griechen schrieb, das Lächerliche ihnen empfinden, das sie dadurch auf sich fallen liessen, dass sie den Lateinern einen Vorwurf daraus machten, in rasirtem Bart und abgeschnittenem Kopfhaar zu gehen; da diese Sitte, wie ihr Gegentheil ganz gleichgültig sey, und da beydes einem jeden von der Schrift frey gestellt würde. In der That rasirten sich die Nazarener Kopf und Bart, nachdem sie die Zeit des Stands eines Nazareners ausgehalten hatten und sie warfen die Haare in das Feuer des Opfers, das sie darbrachten, wie man aus Ezechiel sieht. "Und du, Menschenkind, nimm ein scharfschneidendes Schwerdt, das Haare durchschneidet; nimmes und führe es über deinen Kopf und deinen Bart." (Ezech. I, 1) Handedln die Griechischen Priester nicht selbst gegen die Befehle des Apostels, welcher will, dass sich alle Männer die Haare scheren sollen? (I. Cor. 7). Ratramnus bemerkt, dass die Sitte, sich Bart und Kopfhaar zu scheren, zu seiner Zeit, unter der abendländischen Klerisey allgemein war; und das ging so weit, dass die geistliche Krone nur ein Büschel Haare war; dass ihre Kleider nicht einerley Form bey allen öffentlichen christlichen Gesellschaft gehabt haben; dass aber diese Verschiedenheit keine Spaltung, weder im Orient noch im Occident je verursacht habe. (Ratamn. Corb. c. 4 gegen die Einwürfe der Griechen) Eneas, Bischof zu Paris bedient sich in seiner Abhandlung gegen die Griechen, die um dieselbe Zeit geschrieben ist, fast derselben Gründe, die Ratramnus anwendete, um die Sitte, den Bart zu rasiren, welche die Priester der Römischen Kirche eingeführt hatten, zu rechtfertigen.

Clericus nec comam nutriat, nec barbam.

Wir haben schon bemerkt, dass sich die alten Römer den Bart scheren liessen, und dass ihn nur die Philosophen nach Art der Griechen, oder vielmehr aus Eitelkeit, als aus irgend einem andern Grunde beybehielten. Es ist bekannt, dass man es dem Cyniker Maximus, welcher sich des Sitzes zu Konstantinopel zum Nachtheil des heiligen Gregorius von Nazianze bemächtigt hatte, verwiess, dass er einen grossen Bart nach Art der Philosophen zu tragen affectirte. Es scheint sogar, dass es zu Antiochien im vierten Jahrhunderte Sitte gewesen sey, sich den Bart zu scheren, wie die Vorwürfe und beissenden Bemerkungen bezeugen, welche die Bewohner dieser grossen Stadt sich gegen den Kaiser Julian erlaubten, und welche ihm Gelegenheit gaben, sein Buch: der Bartfeind betitelt (oder Misopogon) gegen sie zu schreiben. Man kann daraus schliessen, dass die Orientaler in frühern Zeiten in Absicht dieses Punkts mit den Lateinern übereinstimmten, und man seiht daraus, wie wenig Grund die Erstern hatten, den Occidentalern aus der Gewohnheit, sich den Bart scheren zu lassen, die sie bey sich eingeführt hatten, ein Verbrechen zu machen. - Diese Streitigkeit der Griechen und Lateiner in Absicht des Barts war übrigens von keinen Folgen, und sie verhinderte die Geistlichkeit beyder Nationen nicht, dass jede nicht ihrer Sitte ergeben geblieben wäre.

Es scheint sogar, dass die Lateiner seit dem Schisma der Griechen, um sich von selbigen zu unterscheiden, bey sich die Sitte allgemein gemacht haben, sich ihre Bärte abzunehmen. Es gibt sogar noch Verordnungen wegen der "Schur des Barts". Man hat sich dadurch den apostolischen Zeiten wieder zu nähern geglaubt. Die Griechen haben im Gegentheil die Parthey der grossen Bärte mit grosser Wärme genommen. Sie konnten in den abendländischen Kirchen keine Heiligen sehen, die keinen Bart hatten.

IV. Sitte der Lateinischen Geistlichkeit in Absicht des Barts

Bey dem abendländischen Clerus war die Art, wie man den Bart trug, von jener der morgenländischen Klerisey ganz verschieden. Bald fand man, es verrieth Weichlichkeit, sich den Bart scheren zu lassen, und lange Bärte entsprächen der priesterlichen Würde besser; bald sah man die Sache wieder von der entgegengesetzten Seite an, und glaubte, ihr sonst so ehrwürdiger Bart verrieth Stolz.

Der Pater du Moulinet bemerkt in seiner Geschichte der souverainen Päpste über die Medaillen Papst Clemens des Siebenden, er sey der erste Papst gewesen, den man kennt, welcher einen Bart getragen habe; er habe es nämlich im Gefängniss, worin er fünf Monate gewesen sey, vernachlässigt, sich rasiren zu lassen, und da er sein Gefängniss mit einem langen Bart verlassen habe, so habe er ihn dann für immer getragen; und seine Nachfolger haben diess eine Zeit lang nachgemacht.

Aber die Pater Henschenius und Papebroch sprechen hiervon in dem Prolyaeum vom Monat May Seite 209 weit bestimmter. Sie bemerken, dass Anastasius der Vierte der erste seines Jahrhunderts war, der sich den Bart scheren liess; dass ihn viele bis auf Julius den Zweyten nachahmten, welcher ihn wachsen liess; dass Anastasius gleichwohl der Erste nicht sey, der ihn sich habe rasiren lassen; dass sie vom Jahr 797 an fanden, dass Leo der Dritte einen rasirten Bart getragen habe; dass darauf, wo die Griechischen Kaiser keine Länder mehr in Italien besassen, der Papst diese Sitte derjenigen, welcher die Griechen treu blieben, und bey welchen noch heut zu Tage die Bischöffe und Mönche ihre Bärte mit grosser Sorgfalt beybehalten, vorgezogen habe; dass in der Folge, im Jahr 960 Johannes der Zwölfte wieder mit einem langen Barte erschien; dass diess gerade in den Zeitpunkt gefallen sey, wo Rom viel Rücksicht für die Deutschen Kaiser bezeugt habe, und diess habe vielleicht zu jener Veränderung die Veranlassung gegeben, indem sich die Deutsche Nation immer weit besorgter gezeigt habe, ihren Bart zu unterhalten, als die Französische.

Man begreift nicht, wie der Papst Gregorius der Siebende, da er an die Richter zu Calliari auf der Insel Sardinien im Jahr 1073 schrieb,








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