1797 Augustin Fangé Buch "Geschichte des männlichen Barts unter allen Völkern der Erde bis auf die neueste Zeit (Für Freunde der Sitten und Völkerkunde)"/Fünftes Kapitel

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I. Bärte von ausserordentlicher Länge
II. Sitte der goldfarbigen Bärte, oder der Bärte von verschiedener Farbe
III. Falsche Bärte
IV. Barbiere
V. Französische Barbiere und ihr Unterschied von den Chirurgen
VI. Ueber die Sonn- und Festtage in Hinsicht der Barbiere

I. Ueber verschwenderisch-lange Bärte

Ich bin gar nicht in Abrede, dass man in allen den Jahrhunderten, wo jedermann die Sitte mitmachte, sich den Bart wachsen zu lassen, nicht deren sollte gefunden haben, die über die gewöhnliche Länge der Bärte weit hinaus gewachsen wären. Hätte man sie in der Geschichte sorgfältig aufgezeichnet, so würde man ohne Zweifel eine sehr beträchtliche Liste davon verzeichnen können. Ich begnüge mich einige hier zu beschreiben, von denen einige Schriftsteller Erwähnung thun.

Valvassor thut in seiner Beschreibung des Herzogthums Kärnthen eines sonderbaren Bartes Meldung, den Andreas Eberhard Rauber von Talberg und Weineck, Deutscher Ritter und Kriegsrath Kaisers Maximilian des Zweyten trug. Dieser Herr ist sehr berühmt gewesen, nicht nur wegen seiner grossen Stärke und der Höhe seiner Statur, sondern auch wegen seines Barts, der ein wahres Wunder und von einer so ausserordentlichen Länge war, dass er ihm bis auf die Füsse ging und wieder bis zum Gürtel empor stieg. Er erschien nie in einem Staatswagen, noch zu Pferde bey Hofe, sondern zu Fuss, um mit seinem Bart desto besser Parade machen zu können. Er schlang ihn um einen grossen Stock, und überliess ihn, wie eine ausgebreitete Fahne den Winden zum Spiel. Er stammte aus dem Hause der Rauber im Herzogthum Kärnthen ab, welches der Kaiser Maximilian der Zweyte in den Baronstand erhoben hatte. Er hatte so viel Stärke, dass er auf dem Pferde das stärkste Eisen zerbrechen konnte (?).

Dieser Herr wurde bey seiner Anwesenheit zu Grätz am Hof des Erzherzogs Karl, von diesem Prinzen gebeten, er möchte doch seine Kräfte an einem neugetauften Juden versuchen, der durch seine Statur und Stärke einem Riesen glich. Sie kamen überein, sich Stösse mit der Faust zu geben, und man zog das Loos, wer den Anfang machen sollte. Der arme Rauber erhielt den Fauststoss von seinem Gegner zuerst, und er war so heftig, dass er deshalb acht Tage das Bette, und noch länger das Zimmer hüten musste. Endlich aber waren seine Kräfte wieder hergestellt und er stellte sich, um das Wiedervergeltungsrecht auszuüben. Er fasste den Juden sogleich bey seinem Barte, der auch ziemlich lang war, und schlang ihn zweyfach um seine linke Hand; hierauf gab er ihm einen herzhaften Stoss mit der Faust, so dass der Bart und der untere Kinnbacken in Raubers Hand zurück blieben; dere Jude verlohr in demselben Augenblick Leben und Bart. Dieser Rauber starb nach manchen andern Abentheuern der Art in seinem sechzigsten Jahr auf seinem Burgschloss zu Petronel (dieses Schloss liegt bey Presburg) im Jahr 1575. Er liegt da neben seinen beyden Gemahlinnen begraben. Nach seinem Tode zerschnitt man seinen Bart in zwey Büschel. (Bayle Wörterbuch unter dem Wort "Rauber")

So ungeheuer auch Raubers Bart war, so will ich doch jetzt sogleich einen andern anführen, über den man nicht weniger erstaunen muss. - Zu Braunaw, einer Stadt in dem östlichen Theil von Bayern, am Innfluss sieht man auf der linken Seite des Eingangs in die Pfarrkirche, aussen an der Mauer, in erhabener Arbeit und natürlicher Lebensgrösse die Figur eines Bürgermeisters dieser Stadt, der 1572 gestroben ist, und dessen Bart länger als einen Fuss lang über die Knöchel hängt. Man versichert, dieser Mann habe die Gewohnheit gehabt, bey jedem Mahl Ausgehen seinen Bart auf beyden Seiten in die Höhe auf seine Arme zu nehmen, aus Furcht, er möchte ihn beym Gehen mit Füssen treten, oder wenn er auf ihn träte, zu Boden stürzen. Dieser so wundersame und respektable Bart wurde endlich sein Unglück. Als er eines Tages ausgehen wollte, vergass er seinen Bart, wie gewöhnlich, aufzuschürzen; und so wie er eine Treppe hinab stieg, trat er mit einem Fuss auf das äusserste Ende seines Barts, so dass er die Treppe hinunterstürzte und den Hals brach.

Johann Mayo, mit dem Zunamen Vermayen, ein berühmter Mahler des sechzehnten Jahrhunderts, der den Kaiser Karl den Fünften auf seinen Feldzügen begleitete, und den Plan zu der Seeunternehmung gegen Tunis entwarf, hatte einen so langen Bart, dass er darüber gehen konnte, ohne dass er sich zu bücken brauchte. Auch ward er deshalb Johann der Bärtige genannt.

Herr Derham erwöhnt in seiner physischen Theologie einen gewissen Johann Ottele, der wegen seines grossen Barts eben so berühmt war, als wegen seines hohen Alters von hundert und funfzehn Jahren, das er erreichte. Ob er gleich nnur zwey und ein Drittheil Brabantische Elle hoch war, so war doch sein grauer Bart eine ganze und eine Viertel Elle lang.

Gegen das Ende des vierzehnten Jahrhunderts sah man in Frankreich den ungeheuersten Bart, der je existirt hat; er gehörte einem gewissen Betrüger an, der sich für einen Patriarchen aus Konstantinopel ausgab, und der sich unter diesem Titel verschiedene Ehrenbezeigungen an mehrern Höfen Europens erweisen liess. Er kam 1392 nach Paris. Die neugierigen und erstaunten Pariser konnten sich an diesem unermesslichen Bart nicht satt sehen. Dieser Betrüger erhielt wegen seines respektablen Zierraths die günstigste Aufnahme, und verschwand nicht eher, als bis man ihn mit Almosen und Freygebigkeit überhäuft hatte.

Diess sind die vorzüglichsten grossen Bärte, deren die Geschichte Erwähnung thut. Ich bin gar nicht in Abrede, dass es nicht zu verschiedenen Zeitpunkten noch mehrere gegeben haben sollte, die eben so merkwürdig gewesen seyn können; aber ihre Geschichte ist nicht bis auf uns gelangt.

II. Sitte der goldnen Bärte