1797 Augustin Fangé Buch "Geschichte des männlichen Barts unter allen Völkern der Erde bis auf die neueste Zeit (Für Freunde der Sitten und Völkerkunde)"/Erstes Kapitel

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I. Etymologie des Worts Bart
II. Sein Ursprung, seine Natur
III. Verschiedene Meynungen über den Ursprung der Haare am menschlichen Körper
IV. Meynungen der alten Philosophen und Aerzte
V. Meynungen der Neuern

I. Ursprung des Worts "Bart"

Durch den Ausdruck "Bart" versteht man das Haar, das vom funfzehnten bis zum zwanzigsten Jahr aus dem männlichen Kinn hervorwächst. Dieses Wort stammt von dem lateinischen "Barba" her, von welchem Guichart behauptet, es sey von dem hebräischen "Ahab" gebildet worden, von welchem wieder "Ahib" entspringt, das man: "erste Fruchtbarkeit", erstes "Hervorkeimen", erster "Ertrag von Feld- und Gartenfrüchten" erklärt; von "Ahab" habe man "Baba" und durch Zusatz eines r "Barba" gemacht. Aber dies ist eine von denjenigen Etymologien, welche wenn sie auch wahr sind, sich doch nicht erweisen lassen.

Wahrscheinlicher ist es, dass das Wort "Barbe" aus dem Celtischen abstammt, in welchem der Bart "Barb" heisst. Von diesem Wort kommt her: "Barbwr", Barbier; "Barf" und "Barv"; "Barba" im Lateinischen, Spanischen, Italiänischen; "Bars" bey den Tartarn in der Krimm; "Baard" in Flamändischen; "Beard" im Angelsächsischen und Englischen; "Bart" im Deutschen; "Part" in der alten Theutonischen Sprache; "Parta" im Finnländischen; "Varve" im Gaskonischen. "Barber" im Englischen und "Balbier" im Französischen entsprechen dem deutschen Balbier, Barbier. Man sehe deshalb Herrn Bullets Celtisches Wörterbuch unter dem Wort: "Barb". Da der Bart ein Zeichen von Mannheit ist, so müssen "Barb", "Barf", "Barv" von "Bar", welches in der Celtischen Sprache einen Mann bedeutet, gebildet seyn.

II. Ursprung des Barts

Die Meynungen der alten Anatomen und Physiker über den Ursprung und die Natur der Haare sind getheilt.

Meynungen des Averröes und Galen

Averröes sagt in seinem Kap. "Colligat", das Haar sey ein trockner Körper, den man ausdehnen könne; es entstehe aus dem Ueberfluss von Nahrung; denn es enthalte, indem es mit Macht hervortreibe, in sich noch etwas Fett.

Nach Galen und andern Aerzten ist die Materie die sich in dem Haar erzeugt, ein ausgeschiedener, feuchter, dunstartiger, grober und erdiger Theil.

Meynung des Hyppokrates

Hyppokrates lehrt in seinem Buch von den Drüsen, es gebe unter der Haut eine drüsichte Substanz, die, indem sie sanft feuchte, ihr die Nahrung für das Haar gebe. Deshalb findet man überall Drüsen, wo es feuchte Theile gibt. Denn die Natur, setzt er hinzu, scheine die Drüsen gebildet zu haben, um für die Feuchtigkeiten, aus welchen sich das Haar bilde und Nahrung erhalte, als Behälter zu dienen, indem sie die überflüssigen Säfte, die sich in den Aussentheilen des Körpers befinden, in sich aufnehme. Deshalb gebe es auch an den trocknen Theilen des Körpers weder Drüsen noch Haare. Auch sehe man deshalb hinter den Ohren, wo sich die Drosseladern vereinigen, Haare, weil es da Drüsen gebe; aus demselben Grunde finde man deren unter den Achseln, an den Schenkeln und Füssen u. s. f., und weil das Gehirn die grösseste Drüse sey, so finde man auf dem Kopf so ungleich mehr Haare, als an den übrigen Theilen des Körpers. Dies ist die Meynung des Hyppokrates. In seinem Werk über die Prinzipien sagt er, das Haupthaar werde aus einer dicken und zähen Materie erzeugt.

Meynung des Aristoteles

Es scheint, als sey Aristoteles der Meynung Hyppokrates gefolgt. Denn in seinem dritrten Buch über die Thiere im elften Kapitel sagt er: "jede Art Haare hat an ihrer Wurzel eine grobe und klebrige Feuchtigkeit, di feinere Stoffe anzieht, wenn man sie schnell daran bringt, sobald man ein Haar ausgerissen hat. Diese Feuchtigkeit umgiebt die Wurzel des Haars, um sie noch mehr zu befestigen."

Indess giebt es Schriftsteller, welche der Meynung sind, das Schleim- und Rusartige der Säfte diene nicht dazu, die Haare zu bilden und zu erhalten; denn, sagen sie, Galen selbst und die neuern griechischen Aerzte verordnen, dann man bey Behandlung der Alopecie *) die bestmöglichen Nahrungsmittel anwende, um gutes Blut zu erzeugen. Galen erzählt, ein junger Mensch, der sich diese Krankheit durch den Genuss von Erdschwämmen zugezogen gehabt habe, sey durch den Gebrauch guter Fleischspeisen davon wieder hergestellt worden. Diese Krankheit werde bei denjenigen, deren Haut durch Reibung nicht roth werde, für unheilbar gehalten, weil das gute Blut nicht so weit durchdringen könnne.

*) Die Alopecie ist eine Krankheit, in welcher die Haupthaare, die ihre natürliche Farbe verlieren, weiss werden, ausgehen und leere Plätze auf dem Kopfe zurücklassen. Sie wird von dem Griechischen Wort "Alopex" (ἀλωπηξ) so genannt, das einen Fuchs bedeutet; weil sich der Fuchs im Sommer einmal maust, und während dieser Zeit des Mausens einen Theil seiner Haare verliert.

Aristoteles schreibt Problem. 22, Sect. 10, die Wolle, die nach ihm nur eine Menge Haare ist, werde durch dieselben Nahrungsmittel, als das Fleisch genährt. Das Haar nährt sich daher nicht von ausgeschiedenen hefen- und rusartigen Säften. Hierzu nehme man, dass, wenn man irgendein Haar ausreisst, es, wie derselbe Aristoteles sagt, scheint, als käme Blut zum Vorschein; es gibt daher in der Wurzel des Haars Blut. Uebrigens würde, wenn es wahr wäre, dass die Haut die Farbe des Haars während der Dauer von Krankheiten verändere, daraus folgen, dass es sich nicht aus einem groben, zähen und klebrigen Stoffe bilde; weil der geringste Zufall, der eine Veränderung in der Haut hervorbrächte, und die geringste Flüssigkeit der Säfte, die Substanz und Farbe desselben verändern würden. Diess bestätigt Hyppokrates in seinem Buch: de Natura Pueri, worin er sagt: "die Feuchtigkeiten, welche die lebendigen Theile in sich aufnehmen, mögen seyn, von welcher Farbe sie wollen, weiss, roth oder schwarz; so wird das Haar immer davon modifizirt." (Man sehe Riolan. 5tes Buch der Antropograghie, Kap. 52 Seite 861 und folgend., der Ausgab. von 1629)

Meynungen der Neuern

Unsere neuern Anatomen scheinen die Erklärung der Natur und des Ursprungs der Haare und des Barts mit mehr Glück, als die Alten, versucht zu haben; ob sich gleich in Hinsicht der Art, wie sie sich über diese Gegenstände erklären, einige Verschiedenheit unter ihnen findet. Ich werde mich damit begnügen, hier einige von denjenigen anzuführen, welche diese Materie ausdrücklich behandelt haben, und die es mir besser getroffen zu haben scheinen, uns ein haltbares System über den gegenstand zu geben, den wir behandeln.

Riolans Meynung

Riolan unterscheidet in dem Werke, das wir so eben angeführt haben, zwewy Arten Haare; diejenigen, die sich mit den übrigen Theilen des Körpers bilden , und solche, welche erst nach der Geburt eines Kindes zum Vorschein kommen. Die erstere Art Haare erzeugt sich nach diesem berühmten Arzt aus dem überflüssigen Saamen, das heisst, aus seinen gröbsten Theilen; wie die Knochen, die Nägel, die Hornhaut, die, wie Aristoteles in seinem Buch von der Erzeugung der Thiere sagt, alle einerley Unrsprung haben.

Riolan beweist seine Meynung folgendermassen: "die Materie des Haars", sagt er, "steht in einem wunderbaren Verhältniss mit dem Saamen; da das Haar der Kinder von derselben Substanz, Gestalt und Farbe ist, von welcher das Haar des Einen oder des Andern seiner Eltern, seines Vaters oder seiner Mutter ist. Dasselbe lässt sich von der andern Art Haare sagen. Dieses kömmt nicht eher zum Vorschein, bis man gebohren ist, und es kann noch aus dem Saamen entstanden seyn, der von dem zu bildenden Körper nicht ganz aufgezehrt und ausgetrocknet worden ist, wenn wir uns auf dasjenige beziehen wollen, was Seneca in seinen Untersuchungen über Gegenstände der Natur (Quaestiones naturales) in 29 Kap. sagt: der Saame enthält alles, was zu dem künftigen Menschen gehört; und das Kind trägt seit der Empfängniss seiner Mutter die Uranfänge des Barts, des grauen Haars, die Umrisse seines Körpers und die Züge seines Gesichts, wie in einem Miniaturbild, an sich."

Dieser Autor beweist sein System durch Erfahrung. Er sagt, zum Beyspiel, das Haar fange genau zu der Zeit an zu treiben, als der Saame in einem Körper erwache; "wo er das Haar hervortreibt, indem sich seine Materie belebt, die in den haarigen Theilen lange Zeit schlummerte." Dieselbe Erfahrung, setzt er hinzu, machen wir, wenn die Vergiftung des Saamens sich den Saamengefässen mittheilt; es erfolgen dann allgemeine Alopecien, wie man diess in der eingewurzelten Lustseuche bemerkt. Hierzu, sagt er, füge man zwei Umstände hinzu, den einen, dass es überall, wo sich viel Saame findet, auch viel Haare gibt, und wo der eine fehlt, es auch an den anderen gebricht. Der zweyte Umstand besteht darin, dass die Verschnittenen, und überhaupt alle diejenigen, welche die Enthaltsamkeit in Absicht des Geschlechts beobachten, fast nie graue Haare bekommen; anstatt dass diejenigen, welche sich der Wollust ergeben, gar bald Grauköpfe werden. Man sehe Aristoteles im Buch de Articulis.

Dagegen bringt sich, wie derselbe Aristoteles in dem Buch de Generat. Animal. cap. 2 sagt, der Einwurf auf, dass das Haar während der Krankheit augenscheninlich mehr, als im gesunden Zustande; und Im Alter mehr, als in der Jugend wächst. Allein, sagt er, Aristoteles Antwort folgt gleich unmittelbar darauf; denn Aristoteles gesteht selbst, die Flüssigkeit, die zur Zeit der Krankheit nirgend anderwärts abgeleitet werden könne, verwandle sich in Haar; aber da diess ein unnatürlicher Zustand, und er nicht von Dauer sey, so höre dieses unnatürliche Wachsthum wieder auf, so wie der Kranke durch den Genuss guter Lebensmittel wieder genese, oder so wie der Greis noch älter werde. Diess ist die Hypothese von Riolan.

Scaligers Meynung

Nach Scaligers Meynung nährt sich das Haar nicht durch seine innere Substanz, sondern durch seine Wurzel; auch will er nicht, dass man sage, das Haar wachse wieder, wenn man es abgeschnitten hat, sondern man soll nach ihm sagen, es vermehre sich nur wieder und werde wieder gross, nach Art der Steine, die in dickem Wasser durch Hinzukunft einer neuen Materie wachsen, welche den Platz der erstern einnimmt. Deshalb wächst das Haar in der Nähe seines Nahrungsstoffes in alle seine Theile, durch die er ergossen wäre. Aber wenn es wahr ist, dass, wenn das Haar bey einem Menschen bleicht, diess immer zuerst an der Spitze nicht an der Wurzel geschieht; wenn es wahr ist, dass einige Personen in einer einzigen Nacht bleiche Haare bekommen haben: müsste das nicht darum geschehen sey, weil das Nahrungsmittel bis zum äussersten Ende jedes Haares geführt worden wäre, und sich von einem Ende bis zum andern vertheilte?

Was die bewirkende Ursache des Haars betrifft, so lehrt uns derselbe Riolan, es seyen nach einigen die dicken und rusigen Theile, die es bewirken, dass sich das Haar in dem Maass verdicke und abhärte, als es aus der Haut durch seine eigene Thätigkeit hervortreibe, ungefähr wie die Koralle, die im Wasser nur einem weichen Grase glich, sich verhärtet, sobald sie der Luft ausgesetzt ist.

Riolan hält die vegetative Kraft in Verbindung mit den verändernden und bildenden Kräften, mit denen sie im Grunde nur eine und dieselbe Kraft sey, für die bewirkende Ursache des Haars; er nennt sie die "haarerzeugende" Kraft; er lässt sie durch die vernünftige Seele des Menschen in ihrer Thätigkeit leiten und sie vielmehr an diesem als an einem andern Ort des Körpers beschäftigen.

Alberts des Grossen Meynung

Das Barthaar kommt nach Albert dem Grossen von einer scharfen Wärme her, die sich gegen die vordern Theile drängt und wieder nachlässt; sie wird in ihrer Wirkung durch die häufigen Bewegungen des untern Kinnbackens unterstützt, der in der Nähe, und dem Orte ganz entgegen gesetzt ist, von welchem aus die Erhitzung der Wärmematerie geschieht.

Dionys Meynung

Dionys, ein gelehrter Anatom, der über die Natur und den Ursprung der Haare sehr gelehrte Untersuchungen angestellt hat, hat uns über diesen Gegenstand Kenntnisse und Aufklärungen verschaft, die den Alten entgangen sind. Ich führe die eigenen Worte dieses geschickten Mannes an. Um besser zu begreifen, sagt er, wie sich die Haare bilden, ist es nicht unzweckmässig, die Structur der Haut zu untersuchen, aus der sie hervorgehen. Die Untersuchungen einiger neugierigen Zergliederer (Anatomen) haben uns gezeigt, das die Haut aus Fibern und aus allerley Arten Gefässen gebildet wäre, die durch ihre Verschlingungen ein Gewebe bildeten, das überall und in jeder Hinsicht eine Trennung unmöglich gemacht hätte; dass eine Million kleiner Drüsen sich an eine kleine Arterie schliesse; dass daraus eine kleine Vene und ein lymphatisches Gefäss hervorgehe, das, indem es von der Drüse ausgeht, dieses Gewebe durchbricht, und sich an der äussern Oberfläche der Haut endigt, über welcher sich eine grosse Anzahl kleiner pyramidenförmiger Anfänge erheben, die an den äussersten Enden sehmichter und membraneuser Nervenfäden, die in ihre Zusammensetzung eingehen, gebildet werden; dass diese Anfänge mit den Ausscheidungsgängen der Drüsen in ebensovielen Punkten oder Oeffnungen eines dünnen und sehr weichen Netzes, das über die ganze Oberfläche ausgespannt sey, zusammen hängen; dass aus dem Umfang einer jeden von diesen Oeffnungen ein membraneuser röhrenförmiger Körper hervorgehe, der jedes Bündel Fibern einschliesse und es bis zur Epidermis bringe, in deren innerer Oberfläche die Spitze dieser Pyramiden sich befinde.

Diese Ideen von der Structur der Haut, die von Malpighi noch besser erkärt worden ist, gibt uns den Aufschluss, dass diese Bedeckung aus zwei Haupttheilen besteht, die ein netzartiger Körper und das Gewebe der eigentlichen Haut sind.

Der netzartige Körper der Haut, oder das hautartige Netz, das Malpighi entdeckt hat, ist eine sehr feine Membran, die von einer Menge kleiner netzförmiger Oeffnungen durchschnitten wird, und unmittelbar unter der Epidermis liegt, mit der er sehr genau zusammenhängt.

Man fühlt dieses kleine Netz sehr bestimmt, vorzüglich in der flachen Hand, an den Fingerspitzen und noch mehr an der Zunge, wo die Structur derselben noch feiner als anderwärts ist.

Durch die kleinen rautenförmigen Oeffnungen dieses Netzes erzeugen sich die Haare der Haut, die häutigen Wärzchen und die Ausführungsgänge dieses Organs, und alles wird dadurch in seiner regelmässigen Ordnung erhalten; durch diese Einrichtung erhalten die Wärzchen auch ihre Biegsamkeit, die sie fähig macht, die Gefühlsempfindung hervorzubringen.

Wenn man über diesen Gegenstand mehr wissen will, muss man Malpighi in seiner Abhandlung über das Gefühlsorgan und Ruisch in seinem ersten Brief, der die Beschreibung, die Malpighi davon gegeben hatte, noch weit deutlicher macht, zu Rath ziehen.

Bergarus und Vercelloni halten dafür, dass diese unendliche Zahl von häutartigen Drüsen, die Stenon und andere Schriftsteller auf der Haut zu sehen geglaubt haben, nichts anders als die äussersten Enden von Arterien seyen, die sich auf ihr in Form von Bläschen ausbreiten; und Boerhave glaubt, diese kleinen Körperchen seyen vielmehr eben so viele Behälter einer öligen Materie, als wahre Drüsen. Man bemerke an diesen Behältern eine kleine Oeffnung, die ihr Ausführungsgang sey, durch das Gewebe der Haut dringe und in diese Behälter die Feuchtigkeit absetze, die aus den Arterien komme, anfangs sehr fein sey und sich während seines Aufenthalts in diesen Aufbewahrungsgefässen durch die Verdünstung ihrer flüchtigen Theile verdicke; man erhalte daraus, wenn man sie zusammendrücke, eine weisse wachsähnliche und wurmartige Materie; woraus man Grund hat zu schliessen, dass es bey weitem keine so grosse Anzahl häutiger Drüsen gebe, als Stenon uns vermuthen lässt. (Dionys Anat. Seit. 153, 154 von den enthaltenden und enthaltenen Theilen, erste anatomische Demonstr.)

Die Kenntniss dieser Structur der Haut, setzt Dionys hinzu, hat uns gezeigt, auf welche Art der Schweiss erfolgt; man betrachtet die Haut mit Recht als das allgemeine Absonderungswerkzeug und die Ausleerung, welche durch die unmerkliche Transpiration geschieht, ist für den Körper sehr heilsam. Man weiss nun, das eine grosse Menge Blut, die durch eben so viel Arterien geht, als es Drüsen gibt, zum Theil durch eben so viel kleine Venen zurück geführt wird, und dass sich, indem es durch die porösen Theile der kleinen Drüsen geht, eine seröse Feuchtigkeit daraus ausscheidet, die, indem sie durch das Aussonderungsgefäss geht, die Materie des Schweisses ausmacht.

Man bemerkt, sagt derselbe Autor, dreyerley Dinge, die zur Bildung der Haupthaare, die sich von andern Haaren nur durch ihre Länge unterscheiden, beytragen; weshalb man sie auch unter derselben Gattung befasst. Das erste ist die Materie; das zweyte der thierische Vegetationstrieb; das dritte ein zusagender Ort. Die Materie der Haupthaare und der andern Haare am Körper sind Säfte, die dünn und geschmeidig zubereitet worden sind, damit sie durch enge Oeffnungen gehen können. Die Wärme, oder die Thätigkeit der Gährung ist nothwendig, um aus dieser Materie Haare zu bilden; aber sie muss nur mässig seyn; denn wenn sie heftig wirkt, verbrennt sie die Wurzeln, macht, dass sie ausgehen, oder verhindert sie zu wachsen, was man bey den Aethiopiern bemerkt; ist sie zu schwach, so treibt sie nicht genug Feuchtigkeiten auf die Oberfläche, und verfeinert die Materie nicht genug, um Haare daraus zu bilden. Ausserdem verlangt es ein Band der Vereinigung, wie die Haut, das mässig warm und feucht ist, und das fast überall Poren hat, durch welche das Haar hervorwachsen kann. Auch sehen wir in jedem Porus ein Haar, ausgenommen in der flachen Hand und auf der Fusssohle, wo sie nicht hervordringen können, weil die Poren dieser Theile zu sehr zusammengezogen sind; aber es giebt Orte, wo sie mehr, als anderwärts wachsen; diess hängt davon ab, dass die Haut an diesen Orten dichter und mit eigenthümlichen Säften getränkt ist; so wachsen zum Beyspiel die Haare am Vorderhaupt nicht so lang und stark, als am Hinterhaupt, weil die Haut für das Haar da feuchter, fetter und dichter ist. Darin liegt auch der Grund, warum das Vorderhaupt sich eher von Haaren entblösst und kahl wird, als ein anderer Theil des Kopfs. (Sieh. ebendas. Seit. 512)

An derselben Stelle: Anatom Seit. 511 bemerkt Dionys, dass Einige die Haare in die Reihe der Körpertheile setzen, die bloss mechanisch hervorgetrieben seyn; dass sie sagen, sie seyen lange, hervorgeschossene, kalte und trockene Körper. Man will ihnen nicht den Namen wesentlicher Theile des Körpers zugestehen, weil sie kein mit dem Ganzen zusammenhängendes Leben haben, und weil man sie von dem Körper trennen könne, ohne dass ihm dadurch ein Nachtheil erwüchs. Man sagt, sie seyen nur ausgeschiedene Theile, durch die rauchartigen Dünste des Bluts gebildet, durch die Wärme auf die Oberfläche des Körpers getrieben, und durch ihren Gang durch die Poren der Haut verdichtet. Aber diese Meynung, sagt er, ist veraltet, und alle geschickten Anatomen kommen darin überein, dass die Haare, wie die Nägel, die Hornhaut, und so fort, sich erzeugen und wachsen, nämlich durch Blutgefässe, die ihnen Nahrung zuführen, und das Ueberflüssige wieder zurück führen. Aber diese Nahrung wird vorzüglich durch die kleine ovalrunde Drüse vorbereitet, welche die Wurzel jedes Haares umschliesst; die Blut- und Lymph-Gefässe veroffenbaren sich durch Krankheiten, die sie anschwellen, wie man in derjenigen sieht, die man den "Weichselzopf" nennt *), deren die Polen unterworfen sind, und während welcher Blut aus den äussersten Enden der abgeschnittnen Haare fliesst. Durch das Mikroskop sieht man, dass die Haare, wie Röhren hohl, und mit einigen Haargefässen versehen sind.

*) Der Weichselzopf, lateinisch Plica Polonica ist eine Krankheit, die man so nennt, weil sich die Haare in derselben in eine Art Knäuel falten und krümmen. Diese Krankheit, die man in Frankreich selten trift, ist in Polen desto gemeiner. Sie hat das Eigene, dass die Haare nicht nur zuweilen Blut und Eiter von sich geben, sondern auch schmerzen, sobald man sie berührt; sie rauben das Gesicht, machen, dass sich die Nägel krümmen, und verursachen viele andere Uebel. Indess ist der Weichselzopf, wenn man Herrn Davison, dem ersten Leibarzt des Königs von Polen, Johann Sobiesky Glauben beymisst, keine eigentliche Krankheit. Ich habe, sagt er in meinem Leben mehr als zwey Tausend Kranke der Art gehabt, ohne dass je der geringste gefährliche ZUfall dabey Statt gefunden hätte. Die Voreingenommenheit der Polen, sagt er, ist in dieser Hinsicht so gross, dass sie, so bald sie nur die geringste Unpässlichkeit verspüren, sogleich den Weichselzopf im Anzuge glauben, und in eine schwere Krankheit zu verfallen sich einbilden, wenn sie selbigen von sich abhielten; und das geht so weit, dass sie, um sich davor zu sichern, den Weichselzopf so viel wie möglich befördern, indem sie ihre Haare nicht kämmen, sondern sie vielmehr mit Honig, Oel und andern flüssigen Stoffen durchreiben, die ihn herbeyführen, und wodurch sie zusammenbacken müssen. Ausserdem trägt ihre natürliche Unreinigkeit viel dazu bey; das lässt sich daraus schliessen, dass die Kosacken und Sklaven, die mit geschornem Kopfe gehen, diese Krankheit nicht bekommen. Dieses erzählt Herr Bernier in seinem Auszug verschiedner, der Madame de la Sabliere zum Neujahrsgeschenk überschickter Stücke. Er bezeugt, Herr Chrirac, ein berühmter Arzt, habe eine sehr gelehrte Abhandlung über diese vorgebliche Polnische Krankheit geschrieben. (Man sehe das Jouranl des Savans vom 19. Juni 1688, S. 56, die Holländ. Ausgab.)

Herr Chirac, ein berühmter Arzt, dem Herr Heister in seiner Abhandlung über Anatomie folgt, bezeugt, dass die Haare an die äussere Haut befestigt seyen; dass man sie aber in Fett, und bisweilen sehr tief eingepflanzt finde; sie gehen aus ovalen Köreprchen hervor, deren Beschreibung uns derselbe Chirac gibt. Diese ovalen Bläschen sind nach ihm aus zwey Häutchen zusammengesetzt; aus einer äussern und einer innern. Die äussere ist sehmicht; eine Menge Fäden, die sich bündelförmig erheben, bilden ihr Gewebe. Sie ist nach innen zu mit einer drüsigten Haut bekleidet, die nach Chirac mit der cortikal-Substanz des Gehirns einige Aehnlichkeit hat. In dieser Kapsel bemerkt man die Wurzeln der Haare, welche mit einer Flüssigkeit durchnässt sind, die sich da beständig ergiesst, ehe der Körper des Haares anfängt. Man findet an der Wurzel eine markigte Substanz, die ihnen ohne Zweifel ihre Nahrung verschafft. Der Körper des Haares ist aus kleinen Wurzeln zusammengesetzt, die sich auf einen Punkt vereinigen. Er ist mit einer grossen Anzahl schwärzlichter Linien umgeben, die sich von der Wurzel bis zur äussersten Aussenseite erstrecken; zum augenscheinlichen Beweis, dass diese Linien Blutgefässe sind, aus welchen das Haar seine Nahrung zieht.

Ruisch spricht von den Haaren in einem Brief und in seinem anatomischen Schatz. Er glaubt, dass sie nichts anders sind, als eine Fortsetzung von Nervenbüscheln. Er betrachtet sie als mit Gefässen versehene Theile. Herr Lewenoeck ist derselben Meynung, was die Structur der Kapseln betrifft. Wenn die Haare Ausdehnungen fort gesetzter Nervenbüschel; wenn sie mit Gefässen versehen sind, wenn sie mit einer Flüssigkeit benetzte Wurzeln haben, so folgt 1) das sie wachsen müssen, 2) dass man Schmerz empfinden muss, wenn man sie ausreisst. Die Nerven, von denen man sie trennt, leiden dann eine Veränderung in Hinsicht der natürlichen Verbindung, worin sie mit ihnen standen.

Nach andern Schriftstellern, deren St. Hilar Erwähnung thut, ist die Materie des Haars ein dicker, klebriger, erdigter, aus Blut oder einer andern Flüssigkeit erzeugter und auf eine spezifische Art zubereiteter Saft, dessen Dichtheit oder erdigte Natur sich aus der Härte der Haare, aus ihrer Klebrigkeit, ihrer Festigkeit und Biegsamkeit ergibt. Sie sagen, die Haare werden durch diesen, durch Wärme in die zur Einpflanzung derselben bestimmten Theile des Körpers geführten Saft erzeugt, belebt, vermehrt, in die Länge getrieben, und, wenn sie ihre natürlcihe Länge erreicht haben, ernährt; und der Saft, den sie vermöge ihrer Wurzeln aus dem Körper ziehen, werde eben so durch die Poren derselben in die äussersten Punkte gebracht, nähre sie eben so, gehe eben so in ihre Substanz über, wie die Ernährung bey den Pflanzen vor sich geht.

Sie setzen hinzu, dieser Saft werde in allen Theilen, aus welchen er in das Haar übergeht, vorbereitet und erzeugt; diese Erzeugung geschehe dann, wenn diese Theile für dieselbe die erforderliche Disposition erhalten; und so wie einige diese Stimmung früher, andere später erhielten, so erkläre sich die Thatsache daraus, dass sie an einigen Theilen des Körpers, wie am Kopf , an den Augenliedern, den Augenbraunen bald zum Vorschein kommen; an andern hingegen, wie am Bart, an den Geschlechtstheilen, unter den Achseln, an der Brust später wachsen.

Die bewirkende Ursache des Haars ist nach Diemerbroeck eine zweckmässige Wärme, die auf eine für sie empfängliche Materie wirke, welche sie dazu fähig mache, diese Art Belebung anzunehmen, die den Haaren eigen sey. Diese Wärme, die auf eine so für sie empfängliche Materie wirke, forme, belebe und treibe die Haare in die Höhe; und so in die Höhe getrieben, werden sie durch die kältere Temperatur, die sie nunmehr umgebe, trocken und hart. Daher komme es auch, dass die Haare, die man mit auf die Welt bringe, deshalb, weil sie sehr lange an einem sehr feuchten Orte gewesen wären, zur Zeit der Geburt sehr weich und nass seyen; aber bald durch die Luft trocken und hart werden. Man bemerke noch; wenn die Wärme sehr heftig sey, so senge sie die Wurzeln des Haars, mache dass sie ausgehen, oder nicht wachsen, wie man an den Aethiopiern sehe; und wenn sie zu schwach sey, so reibe sie die rauchförmigen Dünste nicht genug auf die Oberfläche und trockne die Materie nicht genug, um Haare daraus zu bilden.

Nach allem, was wir bisher von den verschiedenen Meynungen über den Ursprung und die Natur der Haare gesagt haben, scheint es uns, dass die Untersuchungen der neuern Anatomen über die der alten Philosophen und Aerzte ohne Widerrede den Vorzug verdienen. Die Entdeckungen, welche die erstern in der Anatomie mit Hülfe der Mikroskope gemacht, und die viel Licht in den physischen Wissenschaften verbreitet haben, geben uns diese Sprache von Zuversichtlichkeit, und bestimmen uns zu der Behauptung, dass man durch sie die Eigenschaften der Haare besser erklärt, und dass diese Erklärung der Erfahrung entspricht.