1797 Augustin Fangé Buch "Geschichte des männlichen Barts unter allen Völkern der Erde bis auf die neueste Zeit (Für Freunde der Sitten und Völkerkunde)"/Erstes Kapitel

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I. Etymologie des Worts Bart
II. Sein Ursprung, seine Natur
III. Verschiedene Meynungen über den Ursprung der Haare am menschlichen Körper
IV. Meynungen der alten Philosophen und Aerzte
V. Meynungen der Neuern

I. Ursprung des Worts "Bart"

Durch den Ausdruck "Bart" versteht man das Haar, das vom funfzehnten bis zum zwanzigsten Jahr aus dem männlichen Kinn hervorwächst. Dieses Wort stammt von dem lateinischen "Barba" her, von welchem Guichart behauptet, es sey von dem hebräischen "Ahab" gebildet worden, von welchem wieder "Ahib" entspringt, das man: "erste Fruchtbarkeit", erstes "Hervorkeimen", erster "Ertrag von Feld- und Gartenfrüchten" erklärt; von "Ahab" habe man "Baba" und durch Zusatz eines r "Barba" gemacht. Aber dies ist eine von denjenigen Etymologien, welche wenn sie auch wahr sind, sich doch nicht erweisen lassen.

Wahrscheinlicher ist es, dass das Wort "Barbe" aus dem Celtischen abstammt, in welchem der Bart "Barb" heisst. Von diesem Wort kommt her: "Barbwr", Barbier; "Barf" und "Barv"; "Barba" im Lateinischenm Spanischen, Italiänischen; "Bars" bey den Tartarn in der Krimm; "Baard" in Flamändischen; "Beard" im Angelsächsischen und Englischen; "Bart" im Deutschen; "Part" in der alten Theutonischen Sprache; "Parta" im Finnländischen; "Varve" im Gaskonischen. "Barber" im Englischen und "Balbier" im Französischen entsprechen dem deutschen Balbier, Barbier. Man sehe deshalb Herrn Bullets Celtisches Wörterbuch unter dem Wort: "Barb". Da der Bart ein Zeichen von Mannheit ist, so müssen "Barb", "Barf", "Barv" von "Bar", welches in der Celtischen Sprache einen Mann bedeutet, gebildet seyn.

II. Ursprung des Barts

Die Meynungen der alten Anatomen und Physiker über den Ursprung und die Natur der Haare sind getheilt.

Meynungen des Averröes und Galen

Averröes sagt in seinem Kap. "Colligat", das Haar sey ein trockner Körper, den man ausdehnen könne; es entstehe aus dem Ueberfluss von Nahrung; denn es enthalte, indem es mit Macht hervortreibe, in sich noch etwas Fett.

Nach Galen und andern Aerzten ist die Materie die sich in dem Haar erzeugt, ein ausgeschiedener, feuchter, dunstartiger, grober und erdiger Theil.

Meynung des Hyppokrates

Hyppokrates lehrt in seinem Buch von den Drüsen, es gebe unter der Haut eine drüsichte Substanz, die, indem sie sanft feuchte, ihr die Nahrung für das Haar gebe. Deshalb findet man überall Drüsen, wo es feuchte Theile gibt. Denn die Natur, setzt er hinzu, scheine die Drüsen gebildet zu haben, um für die Feuchtigkeiten, aus welchen sich das Haar bilde und Nahrung erhalte, als Behälter zu dienen, indem sie die überflüssigen Säfte, die sich in den Aussentheilen des Körpers befinden, in sich aufnehme. Deshalb gebe es auch an den trocknen Theilen des Körpers weder Drüsen noch Haare. Auch sehe man deshalb hinter den Ohren, wo sich die Drosseladern vereinigen, Haare, weil es da Drüsen gebe; aus demselben Grunde finde man deren unter den Achseln, an den Schenkeln und Füssen u. s. f., und weil das Gehirn die grösseste Drüse sey, so finde man auf dem Kopf so ungleich mehr Haare, als an den übrigen Theilen des Körpers. Dies ist die Meynung des Hyppokrates. In seinem Werk über die Prinzipien sagt er, das Haupthaar werde aus einer dicken und zähen Materie erzeugt.

Meynung des Aristoteles

Es scheint, als sey Aristoteles der Meynung Hyppokrates gefolgt. Denn in seinem dritrten Buch über die Thiere im elften Kapitel sagt er: "jede Art Haare hat an ihrer Wurzel eine grobe und klebrige Feuchtigkeit, di feinere Stoffe anzieht, wenn man sie schnell daran bringt, sobald man ein Haar ausgerissen hat. Diese Feuchtigkeit umgiebt die Wurzel des Haars, um sie noch mehr zu befestigen."

Indess giebt es Schriftsteller, welche der Meynung sind, das Schleim- und Rusartige der Säfte diene nicht dazu, die Haare zu bilden und zu erhalten; denn, sagen sie, Galen selbst und die neuern griechischen Aerzte verordnen, dann man bey Behandlung der Alopecie *) die bestmöglichen Nahrungsmittel anwende, um gutes Blut zu erzeugen. Galen erzählt, ein junger Mensch, der sich diese Krankheit durch den Genuss von Erdschwämmen zugezogen gehabt habe, sey durch den Gebrauch guter Fleischspeisen davon wieder hergestellt worden. Diese Krankheit werde bei denjenigen, deren Haut durch Reibung nicht roth werde, für unheilbar gehalten, weil das gute Blut nicht so weit durchdringen könnne.

*) Die Alopecie ist eine Krankheit, in welcher die Haupthaare, die ihre natürliche Farbe verlieren, weiss werden, ausgehen und leere Plätze auf dem Kopfe zurücklassen. Sie wird von dem Griechischen Wort "Alopex" (ἀλωπηξ) so genannt, das einen Fuchs bedeutet; weil sich der Fuchs im Sommer einmal maust, und während dieser Zeit des Mausens einen Theil seiner Haare verliert.

Aristoteles schreibt Problem. 22, Sect. 10, die Wolle, die nach ihm nur eine Menge Haare ist, werde durch dieselben Nahrungsmittel, als das Fleisch genährt. Das Haar nährt sich daher nicht von ausgeschiedenen hefen- und rusartigen Säften. Hierzu nehme man, dass, wenn man irgendein Haar ausreisst, es, wie derselbe Aristoteles sagt, scheint, als käme Blut zum Vorschein; es gibt daher in der Wurzel des Haars Blut. Uebrigens würde, wenn es wahr wäre, dass die Haut die Farbe des Haars während der Dauer von Krankheiten verändere, daraus folgen, dass es sich nicht aus einem groben, zähen und klebrigen Stoffe bilde; weil der geringste Zufall, der eine Veränderung in der Haut hervorbrächte, und die geringste Flüssigkeit der Säfte, die Substanz und Farbe desselben verändern würden. Diess bestätigt Hyppokrates in seinem Buch: de Natura Pueri, worin er sagt: "die Feuchtigkeiten, welche die lebendigen Theile in sich aufnehmen, mögen seyn, von welcher Farbe sie wollen, weiss, roth oder schwarz; so wird das Haar immer davon modifizirt." (Man sehe Riolan. 5tes Buch der Antropograghie, Kap. 52 Seite 861 und folgend., der Ausgab. von 1629)

Meynungen der Neuern

Unsere neuern Anatomen scheinen die Erklärung der Natur und des Ursprungs der Haare und des Barts mit mehr Glück, als die Alten, versucht zu haben; ob sich gleich in Hinsicht der Art, wie sie sich über diese Gegenstände erklären, einige Verschiedenheit unter ihnen findet. Ich werde mich damit begnügen, hier einige von denjenigen anzuführen, welche diese Materie ausdrücklich behandelt haben, und die es mir besser getroffen zu haben scheinen, uns ein haltbares System über den gegenstand zu geben, den wir behandeln.

Riolans Meynung

Riolan unterscheidet in dem Werke, das wir so eben angeführt haben, zwewy Arten Haare; diejenigen, die sich mit den übrigen Theilen des Körpers bilden , und solche, welche erst nach der Geburt eines Kindes zum Vorschein kommen. Die erstere Art Haare erzeugt sich nach diesem berühmten Arzt aus dem überflüssigen Saamen, das heisst, aus seinen gröbsten Theilen; wie die Knochen, die Nägel, die Hornhaut, die, wie Aristoteles in seinem Buch von der Erzeugung der Thiere sagt, alle einerley Unrsprung haben.

Riolan beweist seine Meynung folgendermassen: "die Materie des Haars", sagt er, "steht in einem wunderbaren Verhältniss mit dem Saamen;