1797 Augustin Fangé Buch "Geschichte des männlichen Barts unter allen Völkern der Erde bis auf die neueste Zeit (Für Freunde der Sitten und Völkerkunde)"/Einleitung des Uebersetzers

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Einleitung des Uebersetzers; die zugleich Grundlinien zu einer Theorie der Haare des menschlichen Körpers nach ihren Naturzwecken befasst

Ein Alter sagte: nichts, was in den Kreis der Menschheit falle, könne für Menschen ohne Interesse seyn; und die neuere Welt hat dieser menschlich gefühlten Wahrheit dadurch die schönste Huldigung verschaft, dass sie allem, was uns mit dem Menschen, seiner physischen und geistigen Natur, seinem Denken und Handeln, seinen Trieben, Neigungen und Leidenschaften, seinen Sitten und Gewohnheiten näher bekannt zu machen dient, das lebhafteste Interesse schenkt. Der Verfasser gegenwärtiger Schrift machte es sich zum besondern Geschäft, einen individuellen Gegenstand der Sitten und Gebräuche der Menschen nach allen seinen Abänderungen, die er unter den verschiedenen Nationen der Erde, unter verschiedenen Menschenklassen und Individuen erlitt, am Leitfaden der Geschichte zu verfolgen und ihn mit Hinsicht auf den Charakter der dabey vorkommenden Völker und Personen zu behandeln. Man darfte glauben, dass die durch eine historische Behandlung seines Gegenstandes bezielte Mannigfaltigkeit und die dadurch dargebotene Veranlassung zu Reflexionen und Vergleichungen dem deutschen Publikum keine ganz uninteressante und fruchtlose Lektüre gewähren könne (vielleicht wäre es für eine gewisse Klasse von Lesern, unter die sich Uebersetzer selbst zu zählen kein Bedenken trägt, nicht ohne Interesse, wenn sich der Verfasser noch öfter die Freyheit genommen hätte, den raschen Gang der Erzählung durch Zurückführung der Daten auf allgemeine Gesichtspunkte zu unterbrechen und das vorwärtsstrebende Verlangen des neubegierigen Lesers durch verweilende Rückblicke auf das schon Mitgetheilte anzuhalten), und man hat deshalb gegenwärtige deutsche Uebertragung versucht.

Die gegenwärtiger Geschichte des Barts vorangeschickten Untersuchungen über Ursprung, Form, Farbe, Grösse, Verschiedenheit, Zweck der Haare hätten vielleicht etwas kürzer und populärer ausfallen können. Allein nicht bloss die gelehrte Form, auch die Richtigkeit mancher Behauptungen und Raisonnements möchte nicht ohne Grund in Anspruch zu nehmen seyn. Oft würden seine Behauptungen in diesen Untersuchungen weniger willkührlich, halbwahr oder schief befunden werden, hätte er nur, anstatt sich an ältere Physiker und Aerzte zu halten, aus neuern Quellen, die es aber für ihn noch nicht gab, geschöpft. Er würde dann nicht Erscheinungen aus unbekannten Ursachen erklärt, nicht zu Erklärungsgründen seine Zuflucht genommen haben, die man sich willkührlich schuf; und er hätte dann nicht Wirkungen des belebten (nach chemischen Processen) beurtheilt. Aber, um gerecht zu seyn, gestehe ich gern, dass er auch noch jetzt über das Problem, das er sich vorlegte, wenig gedacht finden würde, so wie er bey der Herausgabe seines Werks zuerst eine, obgleich noch sehr mangelhafte Theorie der Haare gab.

Ich wage es daher, mit Vorbeygehung des anatomischen *) Theils dieser Untersuchung, der für das grosse Publikum der Nichtärzte wenig Interesse haben dürfte, selbst einige Ideen über den vom Verfasser abgefassten gegenstand vorzutragen, und es wird mich freuen, wenn die Aufmerksamkeit eines denkenden Naturforschers auf diesen nicht unwichtigen Gegenstand der Nachforschung gelenkt werden sollte, da er wirklich als noch ganz neu und unbearbeitet angesehen werden kann.

*) Durch chemische Analyse des Haares möchte auch wenig für eine bestimmte Einsicht in die Zusammensetzung desselben zu hoffen seyn.

Zuvörderst, scheint mir, müsse die Untersuchung über die Haare und eine Theorie derselben nach dem Prinzipe der Naturzwecke zus Stande gebracht werden, wodurch man von selbst jeden beliebigen Zweck, den Menschen durch das Haar zu erreichen gedächten, und jede mechanische Erklärung des Daseyns der Haare ausschliesst. Alles an einem orhganischen Körper muss als zweckmässig beurtheilt werden *), weil man ein Produkt der Art nur aus diesem Gesichtspunkt betrachtet versteht, anstatt dass eine mechanische Erklärung, - als sey das Haar z. B. bloss das Produkt eines Ueberflusses von Säften, die, mechanisch d. h. ohne für die Erhaltung des organischen Körpers berechnet zu seyn, und dieselbe nach organischen Gesetzen zu befördern, das Haar hervorbringen - der Natur der organischen Körper widerstreitet, und das Haar gänzlich unerklärt lässt. Damit wird jedoch nicht gleugnet, dass das Haar ausser diesem Hauptzweck noch einen Nebenzweck, z. B. den, zur Zierde und Schönheit des Körpers zu dienen, haben könne, so wie die äussere organische Körperwelt der Gräser, Kräuter, Pflanzen und Bäume ausser der zweckmässigen Konstruction ihrer Theile zu einem Ganzen, das sich durch organische Gesetze erhält, und ausser der äussern Nutzbarkeit für die Thier- und Menschenwelt, auch noch den Absichten der Natur gemäss zur Verschönerung der sonst öden Erde, zur Bekleidung nackter Thäler und Berge mit wohlthätigem Grün dient.

*) Diess heisst nicht so viel als: jeder Theil eines organischen Körpers, z. B. das Blut bey Thieren, sey ein lebendiger Theil. Thierisches Leben äussert sich, was man auch dagegen sagt, nur durch Empfindung und willkührliche Bewegung, und Empfindung und der letzte Grund der willkührlichen Bewegung kommt allerdings nur einem geistigen Princip zu, das wir Seele nennen. Aber Empfindung und willkührliche Bewegung sind nur vermittelst der Nerven, die ein Substratum haben müssen, das keine Flüssigkeit seyn kann (denn wie lässt sich da eine Fortpflanzung der Eindrücke denken, wo wegen der kubischen Gestalt einer Materie die Theile allaugenblicklich ihren Ort verändern, und kein stetiges Continuum bilden?), möglich; und der Begriff einer chemischen Organisation, den man zur Behauptung der gegentheiligen Meynung zu Hülfe nimmt, widerspricht sich selbst. Das Blut steht nur unter dem Einfluss der Lebenskraft, ist aber eben so wenig organisirt, als belebt. Deshalb kann man Herrn Professor Reils Theorie der Lebenskraft, zu der noch neuerlich Herr Professor Schmid übertrat, in dieser Hinsicht nicht beystimmen.

Dieser gedoppelten Ansicht gemäss will ich einige Gesichtspunkts (der Nützlichkeit der Haare für den organischen Körper) befördern die Haare I) die innere Oekonomie des Körpers, tragen zur Erhaltung desselben als Organe, die, unter der Haut angelegt, sich über die Oberfläche derselben erstrecken, bey; II) dienten sie dem Körper von aussen zum Schutz.

I) Die Haare haben ausserordentlich viel Capacität für den Wärmestoff. Wärmestoff dehnt die Körper aus, vermindert den Zusammenhang der Theile. Ein Organ des Körpers, in dem sich Wärmestoff leicht anhäuft, befördert durch diese Eigenschaft die Transpiration *). Hieraus folgt, wie mich dünkt, zweyerley:

*) Man unterscheidet in der Physiologie Transpiration und Exhalation; letztere Ausdünstung ist mechanisch; erstere geschieht durch Organe. Die Ausdünstung durch Haare muss organischer Natur seyn, da die Haare einen eigenthümlichen Geruch haben. Auch weiss man, dass das Haar mit Gefässen versehen ist.

1) Die Haare, welche über den ganzen Körper, auch wo wir sie mit blossen Augen nicht sehen, verbreitet sind - wovon die Betrachtung eines menschlichen Körpers durch das Mikroscop überzeuget - sind natürliche Ableiter für feinere Stoffe, die zur innern Oekonomie des Körpers nicht weiter verarbeitet werden können, und deren längeres Daseyn im Körper eine Störung der Verrichtungen desselben zur Folge haben würde. Dass die Haare diess sind, zeigt der eigenthümliche Geruch der Haare gewisser Menschen, der zwar allerdings auf eine eigenthümliche Anlage dazu bey diesen Menschen, aber auch zugleich auf die Eigenschaft der Haare als Ableiter überhaupt, schliessen lässt. Auch hat das Haar in gewissen Krankheiten einen eigenthümlichen Geruch, welches gleichfalls auf die genannte Eigenschaft desselben führt.

2) Sie befördern durch die vermehrte Wärme der Theile, an welchen sie sich befinden, den freyen Umlauf der Säfte. Zur Erreichung dieses Zwecks scheint die Natur vorzüglich diejenigen Theile des thierischen Körpers mit vielen Haaren bekleidet zu haben, wo in verwickelten und feinen, leicht vertopfbaren Gefässen a) ein äusserst ausgearbeiteter Saft zubereitet werden soll, oder wo durch die Feinheit der Gefässe b) eine Verstopfung, oder durch äussere Reibung gewisser Theile c) eine Entzündung zu besorgen wäre. Wahrscheinlich haben die Haare an den männlichen Geschlechtstheilen neben beyden letztern b, c, noch besonders den erstgenannten (den die Natur aber durch einerley Mittel erreicht); die Haare an den weiblichen Geschlechtstheilen den gedoppelten letzten b, c, Zweck. Auch könnte man sagen, dass die Haare an den Geschlechtstheilen (ob sie selbige gleich nicht eigentlich bedecken) der Schamhaftigkeit zu Hülfe kommen; wiewohl dieser und der letzt vorhergehende c. Gesichtspunkt nicht unter diese Rubrik gehört. Ich gebe sie bloss an, um von den Haaren dieser Theile nicht wieder an einem andern Ort, den ihm der Leser selbst anweisen kann, reden und das Raisonnement darüber theilen zu müssen. - Die Haare unter den Armen haben vielleicht gleichfalls den zweck, jede Stöhrung oder Hemmung der Verrichtungen der innern Theile zu verhüten. Denn da ein Paar starke Pulsschlagadern ihren Lauf nach der Gegend unter den Armen nehmen, so dienen sie diesen vielleicht durch die vermehrte Wärme und durch Verdünstung gewisser Stoffe zum Schutz.

II) Wenn mancher der so eben angegebenen Naturzwecke der Haare zur Beförderung der innern Oekonomie des Körpers nicht sogleich in die Augen fällt, und etwas tiefer liegt, so ist dagegen der Zweck des Haars als Schutzmittel von aussen gegen die Einflüsse eines rauhen kalten Klima's und zur Abhaltung der Nässe vom Körper so klar, dass er auch dem nicht wissenschaftlich gebildeten Kopfe offen liegt. - Wirklich lehrt die Erfahrung, dass dem Wilden, der sich noch nicht durch Kunst vor dem Einfluss der Kälte in dem Grade, wie der kultivirte Mensch verwahren kann, über dem ganzen Körper Haar, und zwar dichtes Haar wächst; und diess ist bey kultivirten Menschen nur darum nicht der Fall, weil die Anlage dazu durch Kunst (durch Bekleidung und Wohnung ausserhalb der freyen Luft) unterdrückt wird, und sich nur nicht entwickelt. So liegen, wie ein grosser Denker bemerkt, in Vögeln derselben Art Keime zur Auswickelung einer neuen Schicht Federn, auf den Fall, dass sie in einem kalten Klima leben; welche Keime aber sich nicht entwickeln, so lange sich diese Vögel in gemässigten Erdstrichen aufhalten. - Das Haar gewährt gegen Kälte Schutz, wie fern es, so wie z. B. Stroh, ein Federbett, kein guter Leiter des Wärmestoffs ist, und die natürliche Wärme des Körpers zusammenhält; da hingegen z. B. Eisen ein guter Leiter des Wärmestoffs ist, und glühend Eisen bald verkühlt. Gegen Nässe schützt das Haar, wie fern es öligte Bestandtheile enthält; und es lässt sich aus dieser Eigenschaft der Haare die Erscheinung erklären, dass Wasser von den Haaren wieder abgleitet, während es die Kleider durchnässt; wie man wissen wird, wenn man sich auf Spatziergängen von starkem Regen überraschen lässt.

Vor allen andern Theilen des menschlichen Körpers versah die Natur den Kopf mit Haar; und in der That war er dieses Schutzes mehr als ein anderer Theil des Körpers benöthigt, da er der oberste Theil des Körpers ist, und ihn durch die Stelle, die er am Körper einnimmt, jeder schädliche Einfluss der Witterung von allen Seiten zuerst trifft. Ueberdiess widersteht der Kopf einer Beschädigung nicht durch Elastizität; und die Natur verhütet daher möglichen Schaden von hinten zu oder von oben herab, wo wir uns nicht so, wie von vorn vermittelst des Gesichtssinnes, vor einer Annäherung an einen beschädigenden Gegenstand verwahren können, durch das Haar.

Die Haare der Augenbraunen haben, wie mir scheint, den Zweck, den Schweiss nicht in die Augen dringen zu lassen, und ihn auf die seiten von dem Auge abzuleiten. Auch bricht die Natur durch sie, durch die Knochen der Augenhölen und durch die dickern und längern obern Augenwimpern das von oben einfallende Tageslicht; und es ist daher mit dünnen Augenbraunen und zarten Augenwimpern auch eine grössere Empfindlichkeit der Augen und davon herrührende Röthe der Augenlieder, besonders bey sehr hervorliegenden Augäpfeln, verknüpft; anstatt dass ein tiefer liegendes Auge, das dichte buschichte Augenbraunen, und lange und starke Augenwimpern beschatten, auch bey starkem Sonnenlicht freyer um sich blickt. Ueberdiess schützen Augenbraunen und Augenlieder die Augen vor Staub: jene, wenn er von oben herabfällt; diese, wenn er sich von unten und in gerader Richtung gegen das Auge bewegt.

Endlich dient der Bart, - worunter ich nicht nur die Haare am Kinn, sondern auch die Haare, welche sich über die ganze Oberlippe hinziehn, und die von den Backen bis hinter das Ohr herab wüchsen, wenn man ihnen zu dieser weiten Ausbreitung Zeit liesse, so dass im Naturstande nur der mittlere Theil des Gesichts von Haaren frey seyn würde, - den Theilen, die er bedeckt, und an die er grenzt, zum Schutz. Höchst wahrscheinlich wollte die Natur durch das Haar am Kinn die zarten Theile des Halses vor Kälte verwahren; die Haare der Oberlippe erfüllen ihren Absichten gemäss für die Oberlippe selbst, und für die benachbarte Nase; die Haare an den Backen für diesen Theil des Gesichts und für das empfindliche Ohr denselben zweck; wovon man sich leicht überzeugen kann, wenn man sich an den Eindruck erinnert, den bey uns eine scharfe kalte Winterluft auf diese Theile - der schwachen Natur am Halse kam die gefällige Modegöttin bey dem männlichen Geschlecht durch starke Bollwerke von Halstüchern, bey ihrem eigenen Geschlecht durch die weitreichende Hülle des Busens zu Hülfe, und die galanten Herren und Damen erfuhren da, meiner Berufung darauf leider zur Schande! diesen Eindruck nicht, - zu machen pflegt.

Der zwryte oben angegebene Hauptgesichtspunkt, woraus sich das Daseyn der Haare betrachten lässt, war der, dass die Haare zur Zierde und Schönheit des Körpers dienen. - Sollte die Natur, die in der unbelebten Körperwelt so verschwenderisch Schönheit austheilte, nur bey dem Menschen, der allein von Schönheit gerührt wird, und welchem Hässlichkeit seine eigene Gattung zum Gegenstand des ästhetischen Missfallens machen müsste, dem gesetze der Schönheit nicht gehuldigt haben? Wie so gar nicht glaublich ist diess! Ich nehme daher an, dass das Haar an gewissen Theilen diesen Zweck negativ und positiv befördert. Negative Schönheit kommt dem Haare zu, wenn es bloss dem Gefühl von Hässlichkeit in der Seele nicht Raum gibt; positive, wenn es ein wahres Gefühl von Schönheit in der Seele erweckt.

Negative Schönheit legt Diderot in den Versuchen über die Mahlerey dem Haar an den natürlichen Theilen des Mannes in Absicht auf Kunst bey, und er sagt: "sie würde diese natürlichen Theile des Mannes, wenn sie von Haar entblösst wären, als einen schmächtigen Darm, als einen Wurm von missfälliger Gestalt zeigen" (warum sollte man der Natur nicht eben so viel Delikatesse zugestehen, als der Kunst?); "während der Weg der unendlich angenehmen Linie, welche die natürlichen Theile des Weibes bilden, in ihrem Laufe durch eine dazwischen liegende Flocke unterbrochen werde; diese Flocke, vereinzelt, verschmelze sich mit Nichts, und bilde in dem Gemählde des Weibes einen Fleck, statt dass an dem Manne, diese Art natürlciher Bekleidung, von ziemlich dickem Schatten bereits an seinen Brüsten, nach den Seiten und der Wölbung des Unterleibes zu, freylich etwas heller werde, gleichwohl aber noch immer, obschon dünner, darauf vorhanden sey; und so, ohne Unterbrechung, sich selbst gedrängter, erhöhter, buschichter, um die natürlcihen Theile, wiederinde." Die züchtigere Natur hat wohl auch, eben weil sie Natur und nicht Kunst ist, in Absicht dieses Schleyers der natürlichen Theile des Weibes Recht.

Welch eine Missgestalt bildete nicht ein kahler Kopf! Durch seine Bekleidung mit Haar gewinnt deshalb der Kopf zuvörderst negative Schönheit; er macht nun keinen unangenehmen Eindruck mehr. Aber das Kopfhaar ist auch von wesentlich positiver Schönheit. Nicht bloss die Dichter rühmen uns an dem Weibe die Schönheit eines langen seidenen Silberhaars, das wellenartig den weissen Nacken herabfliesst, und ein artigstes Gesicht angenehm umgrenzt; jedes natürlcihe Gefühl empfindet hier den Dichtern gleich. Und welchen Theil des Körpers könnte man - wenn von Schönheit des Haars die Rede ist - wohl nennen, der in allgemeinerem Ruf von Schönheit wäre, als ein Paar volle schwarze Augenbraunen zu einem von Röthe der Gesundheit durchglühten Gesicht? Diess wissen diejenigen Schönen sehr wohl, die sich schwarze Augenbraunen mahlen, um das arme Männergeschlecht in das Netz ihrer natürlichen und nicht natürlichen Reize zu verstricken, es wie jenen Griechischen Beller zu täuschen, der das künstliche Ross des Bildners für ein natürliches nahm. Nur Schade! dass sie ihre Kunst nicht so gut, als jener Griechische Künstler die seinige, verstehn, und Schwarz auf Weiss gesetzt, schwarze Augenbraunen einem blassweissen Gesicht nicht die besten Dienste thun. Aber die kunstsinnigen Schönen erreichen doch ihren Zweck.

Auch der Bart geht in Absicht auf Schönheit nicht leer aus. Die Natur wollte den Mann durch den Bart, den sie dem untern Theile des Gesichts zuvörderst zum Schutze gab, doch gewiss nicht verunstalten. Wir können uns, da wir an die Verstümmelung der Natur in Absicht dieses Punktes gewöhnt sind, kaum noch denken, dass ein nicht rasirter Bart schön seyn könne. Weiblich schön ist er freylich nicht; aber weibliche Schönheit kommt auch dem Manne nicht zu. Und in der That gibt ein rasirtes Gesicht dem Manne ein weibisches Ansehn; und der junge Telemach bei Fenelon, sagt, da er zuerst einen Griechischen Popen mit rasirtem Bart erblickt, aus wahrem Naturgefühl: einen solchen Bart wünschte er immer gahbt zu haben; ob er sich gleich getäuscht hätte, wenn er mit diesem Ausspruch den Bart auch der Jugend für angemessen hielt. Die Jugend, wie das Weib, sollten der Absichten der Natur gemäss, die männliche, ehrfurchterweckende Physiognomie des Mannes nicht theilen, und sie würden dadurch - da Annehmlichkeit der wahre Ausdruck ihrer Gesichtsbildung ist - zur Karrikatur. - Wollte man sich von einem unrasirten männlichen Gesicht eine richtige Idee machen, (und ein vorurtheilloser Mensch muss sich in den Standpunkt der Natur versetzen können) so muss man sie sich nur nicht von den Juden abziehen, weil die eigene, unangenehme Physiognomie des Juden auf unser Urtheil über den Bart überhaupt Einfluss gewinnt, und der Jude überdiess seinen Backenbart rasirt, wodurch der Bart am Kinn sein richtiges Verhältniss zum ganzen Gesicht verliert. Man müsste vielmehr den Naturmenschen, wie ihn anatomische Tafeln zeichnen, oder auch den Bart an Griechischen männlichen Physiognomien zum Muster nehmen.

Noch erwähne ich einer Erscheinung, die eigentlich ausserhalb der Grenzen gegenwärtiger Abhandlung liegt, aber doch als Anhang angesehen werden kann. Es ist bekannt, dass viel und starkes Haar für ein Zeichen von Stärke gilt. Die Erscheinung ist wahr. Aber der Grund der Stärke liegt nicht in den Haaren, wie man wohl fälschlich glaubt; vielmehr sind die vielen und starken Haare erst eine Folge der einem Körper der Art beywohnenden Stärke selbst, und wir schliessen nur aus dem Haare auf die Stärke, aus der Folge auf den Grund, und man hält dann die Folge selbst für den Grund. Die grössere Stärke mancher Menschen hat ihren Grund in einer stärkern Muskelkraft, und diese erzeugt, treibt dann auch mehr Haare. Dass Simson durch Abschneidung seines Kopfhaars seine Stärke verlohren habe, und nachdem sie wieder gewachsen seyen, dieselbe auch wieder erhalten haben soll, möchte sich schwerlich aus physiologischen Grundsätzen rechtfertigen lassen. Ein anderes wäre es, wenn man alle Haare am ganzen Körper mit ihrer Wurzel ausrottete, welches vielleicht für den lebendigen Körper eine ähnliche Folge haben würde, die bey einem Baum eintritt, den man ganz seiner grünen Blätter beraubt, indem er dann verwelkt.

Karl Gottlob Schelle