1797 Augustin Fangé Buch "Geschichte des männlichen Barts unter allen Völkern der Erde bis auf die neueste Zeit (Für Freunde der Sitten und Völkerkunde)"/Drittes Kapitel

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I. Zweck der Haare
II. Warum haben nur Männer einen Bart, und die Weiber nicht?
III. Hat es bärtige Weiber gegeben?
IV. Wächst der Bart an Verstorbenen noch?

I. Zweck der Haare

Die alten und neuern Naturforscher der belebten Körperwelt , sind nicht weniger verschiedener Meynung, wenn sie über den Nutzen der Haare am menschlichen Körper sprechen, als sie es in Hinsicht des Ursprungs und der Natur der Haare sind.

Nach den alten Aerzten haben die Haare einen dreyfachen zweck. Der erste besteht nach ihnen darin, die Theile, die das Haar umhüllt, zu bedecken und zu stärken. Busbecq erzählt, er habe zu Konstantinopel einen Janitscharen gesehen, der auf dem Kopf eine so grosse Menge Haare gehabt habe, dass ihn ein Stoss mit einem Flintenkolben nicht habe verwunden können. Der zweyte Zweck ist es, den Körper zu verschönern.

Eine dürre Wiese ohne Gras
Ist hässlich wie ein kahler Kopf,
Wie ein verstümmelt Thier,
Ein blätterloser Baum.

Ein dritter und zwar der wichtigste Nutzen der Haare besteht darin, dass sie den Schmutz und die kohlenstoffartigen Theile des ganzen Körpers aufzehren. Deshalb lehren Rhösis und Avincennius, es sey zur Erhaltung des Gesichts sehr gut, wenn man sich die Haare oft abschneiden lasse; denn das Haar ziehe die dunstartigen Theile der Säfte an. Celsus ist der Meynung, man solle sich bey eingewurzelten Schnupfen rasiren lassen. Arist. liess sich nach Diogenes von Laerte Bericht zur Erhaltung seiner Gesundheit oft die Blatte des Kopfs schären, und Galen sagt uns, diess sey zu seiner Zeit so Sitte gewesen. Levinus von Lemnos räth dagegen in seinem Werk: die verborgenen Wunder der Natur: wer sich wohl befinde, solle sich weder auf dem Kopfe, noch am Kinn rasiren lassen. Der Grund, der er zur Unterstützung seines Raths gibt, ist der: dass man dadurch sich schwäche, und dass es die Menschen schlaff und weichlich mache, indem es den Lebensgeist und die natürliche Wärme zerstreue, die Kühnheit und den Muth vermindere. Aber die Erfahrung beweist das Gegentheil; denn die Athleten liessen sich am ganzen Körper rasiren. Man sehe Lucians Dialog.

Herr Heister glaubt in seiner Anatomie, die Haupthaare haben den Nutzen, den Kopf warm zu halten und ihn zu zieren; aber er gesteht, es sey nicht leicht, den Nutzen der übrigen Haare, ausser dem der Augenbraunen und Augenlieder, zu entdecken.

Dionys glaubt, der wahre Nutzen der Haare des Körpers und des Kopfs sey nicht, die Theile zu beschützen, zu bedecken und zu erwärmen, dem Körper zur Zierde zu dienen und dem Menschen ein ehrwürdiges Ansehen zu geben; sondern er hält sich überzeugt, dass sie vorzüglich dazu bestimmt seyen, um viele ausgeschiedene Theile aus dem Körper zu leiten, so wie man im Nacken durch die Haut Fäden von Zwirn oder Baumwolle zieht, um überflüssige Feuchtigkeiten auszuleeren. Gleichwohl ist es nicht unvortheilhaft, sie abzuschneiden, um sie an denjenigen Punkten, die der Feuchtigkeit am nächsten sind, desto fähiger zu machen, von den zu verflüchtigenden Stoffen durchdrungen zu werden. Diese Meynung hat sich durch die Erfahrung an solchen Menschen bestätiget, die sich leichter fühlten nachdem sie sich den Kopf und andere Theile des Körpers hatten rasiren lassen, und die sich übel befinden, wenn sie es unterlassen, sich derselben zu entledigen.

Riolan hält nicht dafür, dass der Bart dem männlichen Geschlecht in der ASbsicht gegeben sey, um das Gesicht vor Kälte zu schützen. Sonst, sagt er, hätte die Natur den Weibern unrecht gethan, die ein empfindlicheres Gesicht haben, als die Männer. Eben so wenig glaubt er, die Männer haben einen Bart, damit er ihnen zur Zierde dienen, und ihnen ein ehrwürdigeres Ansehn geben solle. Es scheint ihm vielmehr, der Bart habe den zweck, das Zeichen von Mannbarkeit zu seyn, und Vätern und Müttern einen Wink zu geben, dass sie dann die Knaben von den Mädchen zu trennen hätten.

Dieser Schriftsteller sagt noch, es sey zu vermuthen, der Bart habe den zweck, den Kohlenstoff in den Säften wegzuschaffen, der bey dem männlichen Geschlecht in grösserer Menge vorhanden sey, als bey dem weiblichen; und ein Theil davon habe den Bart gebildet, weil sich das Ganze nicht habe in Haar verwandeln können. Deshalb leeren die Männer, die heisseres Blut haben, als die Weiber, diese Art Ausscheidungsstoff durch das Haut- und Barthaar aus. Die Weiber hingegen entladen sich dessen bloss durch das Haupthaar.

II. Warum die Weiber keinen Bart haben

Es ist hier nur die Frage wie man den natürlichen physischen Grund auffinden will, warum die Männer einen Bart haben, und die Weiber nicht. Mehrere Schriftsteller, die uns Abhandlungen über den männlichen Bart hinterlassen haben, sind auf den Einfall gerathen, der Urheber der Natur habe dem Manne den Bart geschenkt, um durch diese eigenthümliche Zierde seinen Vorrang vor dem Weibe zu bezeichnen. Nur der Mann, sagen sie, ist zur Herrschaft gebohren, und er trägt ein Abzeichen seiner Vollmacht, das deshalb keinen Zweifel mehr übrig lässt. Dieser Bart, welcher sein Kinn ziert, und der ihn bald furchtbar bald bloss ehrwürdig macht; dieser Bart - wenn man ihn genau betrachtet -, entdeckt den Weibern die Absichten der Natur, und lehrt sie Demuth, Unterwerfung, Gehorsam. Der Schöpfer des Universums konnte keine Zierde für den Mann wählen, die seiner Wahl würdiger gewesen wäre. - Ich will mir nicht anmassen zu untersuchen, ob diese Gründe viel für sich haben möchten, und ob der Urheber der Natur dadurch, dass er dem Manne am Kinn einen Bart gab, eine andere Absicht habe beurkunden wollen, als dass er dadurch die Aufrechterhaltung des männlichen Ansehens über das Weib bezweckt habe. Wäre dem so, würde dann Gott nicht allen Männern das Verlangen eingepflanzt haben, ihre Bärte wachsen zu lassen, um sich durch dieses äussere Zeichen vor den Weibern mehr Achtung zu verschaffen? Warum gibt es dann in Hinsicht des Barts unter den Menschen so viel Verschiedenheit? denn wir wissen ja, dass bald ganze Nationen unter einander wetteiferten, sich durch einen langen Bart auszuzeichnen, während ihn andere sich abscheren liessen. Man wird in der Folge dieses Werks sehen, dass kein Gegenstand menschlicher Gebräuche mehr Veränderungen erlitten habe, als der Bart.

Was es auch mit der Absicht des Schöpfers, die er durch die Verschiedenheit zwischen Mann und Weib in dieser Hinsicht hat erreichen wollen, für eine Bewandniss haben mag; ich suche hier in der physischen Beschaffenheit des Mannes einen natürlichen Grund dieser Verschiedenheit auf.

Schriftsteller, die über physiologische Gegenstände geschrieben haben, haben die Bemerkung gemacht:
1) das männliche Gesicht trockne leicht ein - man bemerkt diess gewöhnlich bey denen, die viel Bart haben -; aber das weibliche Gesicht erhalte sich besser.
2) Die Männer haben eine starke Ausdünstung durch die Haut, da hingegen bey den Weibern nur eine leichte Hautausdünstung Statt finde. Der Mann erhält daher ein dickes schwarzes Blut, während das Blut im weiblichen Körper flüssiger bleibt.
3) Die Fibern haben bey dem Mann weit mehr Stärke, als bey dem Weibe. Sie können daher das Blut mit weit mehr Stärke forttreiben. Diess wären denn Verschiedenheiten zwischen Mann und Weib; könnten sie wohl auch noch diejenige hervorbringen, wovon wir reden? Man wird mir sogleich entgegnen, die Weiber dürften dieser Annahme zufolge auch anderwärts keine langen Haare haben. Ich gestehe, dass sich diese Schwierigkeit nicht ganz heben lässt. Könnte man nicht sagen, das Blut fliesse in grosser Menge nach den Theilen, die zur Zeugung dienen, und die Achsel sey eine sehr heisse Gegend des Körpers, und das Blut könne an diesen Orten auch bey dem Weibe Haare erzeugen?

Der Gegenstand, den ich mir in dieser Schrift vorgesetzt habe, nämlich die verschiedenen Gebräuche in Beziehung auf den Bart unter den Menschen darzustellen, erlaubt mir nicht, in eine weitere Untersuchung über diesen Gegenstand einzugehen, den ich den Aerzten und Physiologen überlasse. Das Gewisseste ist, dass bey den Weibern eine Verschiedenheit in Absicht der Structur ihrer Haut, in Absicht der Säfte, woraus sich das Haar erzeugt, in Absicht der Art, wie die Feuchtigkeiten durch die Bewegung des Bluts und durch die Transpiration ausdünsten, von welchen Feuchtigkeiten wir kurz vorher gesehen haben, dass sie den Haaren zur Nahrung dienen, Statt findet.

Die Wahrheit zu gestehen, ist es ausgemacht, dass alle Weiber Bart haben, aber in geringerer Menge, als die Männer, und der Art nach ihn viel weicher und zarter haben. In der That ist die Haut des Mannes ganz haarig; aber die des Weibes ist es weniger. Auch hat ja selbst ein Mann immer mehr oder weniger Haare, als der andere. Hierzu kommt, dass man die Haare am Kopfe, Gesicht, Achseln leicht; aber sehr schwer diejenigen entdeckt, die auf der ganzen Oberfläche der Haut existiren. Auch die glätteste Haut hat in jeder porösen Oeffnung ein kleines Haar, das daraus hervorgeht, und das seine Wurzel in einer dieser kleinen Drüsen hat, womit die Haut an ihrer innern Oberfläche überall übersäet ist. Das kleine Haar sieht man mehr oder weniger, nachdem es blond oder braun ist. Man hat sogar Menschen gefunden, die eine eben so behaarte Haut hatten, als Bäre; aber das ist eine Seltenheit, auf die man keine Regel bauen kann.

Aus allem diesen, scheint mir, könne man schliessen
1) dass die Weiber einen Bart haben, obgleich er seiner Stärke und Art nach dem des Mannes nicht gleich kommt; man schreibe nun diese Verschiedenheit dem Nahrungssaft des Barts oder der Structur der weiblichen Haut, oder jeder andern Ursache zu. Immer kann man, wie ich sagte, daraus schliessen, dass die Verschiedenheit zwischen Mann und Weib in dieser Hinsicht nur auf dem Mehr oder Weniger beruht.
2) Scheint es sehr wahrscheinlich, dass der Urheber der Natur, da er beyde Geschlechter voneinander unterscheiden wollte, sie auch durch diejenigen Eigenschaften, die nur zur Zierde dienen, habe auszeichnen wollen, und dass er vielleicht in dieser Hinsicht dem Mann den Bart in der Gegend des Mundes als eine männliche Zierde, welche, wie es scheint, das Weib sehr übel gekleidet, und einen unangenehmen Eindruck an ihm gemacht haben würde, gegeben habe, und dass man also bey dem ersten Anblick die Verschiedenheit des Geschlechts durch die äussern Zierrathen erkennen könne. Deshalb haben Knaben vor dem Zeitalter der Mannbarkeit noch keinen Bart, der bey ihnen nur wächst, wenn sie fähig werden, ihres Gleichen zu erzeugen.

III. Hat es bärtige Weiber gegeben?

Wir haben so eben gesagt, man könne streng genommen den Bart nicht in dem Sinne für ein Antheil des Mannes ansehen, dass man ihn dem Weibe ganz absprechen könnte. Man hat gesehen, dass die Haut des weiblichen Gesichts, ob sie gleich bey dem grössten Theil dieses Geschlechts sehr glatt ist, immer noch Haare hat, und dass sie sich von den Barthaaren des männlichen Geschlechts nur ihrer Menge, Stärke und Länge nach unterscheiden. Jetzt fragt es sich, ob es eben so bärtige Frauen als es die Männer sind, oder doch fast so sehr bärtige Frauen gibt. Es ist allgemein bekannt, dass man bey mehrern unter ihnen, wenn sie ein gewisses Alter erreicht haben, Haare bemerkt, die an Stärke, Farbe und selbst an Grösse denen der Männer gleichen.

Hippocrates erzählt, Phaetuse, Pytheas Frau und amysica, Gorgippus Frau, haben Bärte gehabt. Alexander von Alexandrien bezeugt, dass wenn Amphictyen, einem Ort in der Nachbarschaft von Halicarnass ein grosses Unglück bevorstehe, ein langer Bart, welcher der Priesterin der Minerva plötzlich wuchs, das Volk zu Vorkehrungen dagegen auffordere; und diess sey schon zweymahl der Fall gewesen. Derselbe Schriftsteler lehrt uns, in Carien sey der Glaube herrschend gewesen, bärtige Frauen hätten vortrefliche Anlagen, Orakel zu sprechen. "Auch bemerkt man die sonderbare Erscheinung, die sich an der Priesterin der Minerva ereignet haben soll: dass ihr nämlich, so bald die Amphictyenser, die Bewohner dieser Gegenden, ein Unglück zu treffen droht, ein grosser Bart wachse, gleichsam als stehe dieses ausserordentliche Ereigniss mit einem zukünftigen Unglück in Verbindung; so wie in Carien es ein Zeichen von Vorherverkündigung wichtiger Begebenheiten war, wenn den geweihten Frauen an den Wangen oder an dem Kinne Haar wuchsen." Es scheint als hätten diese Frauen nur wegen Unterdrückung ihrer monatlichen Reinigung, da sie vielleicht schon etwas bey Jahren seyn mochten, einen Bart bekommen (?)

Man erzählt, dass unter den Damen von dem Hofstaat der Erzherzogin von Oesterreich, die im sechzehnten Jahrhunderte ihren Hof zu Grätz in Steuermark hatte, ein junges Frauenzimmer, mit Namen Antonia Helena gewesen sey, welche von ihrem frühen Alter an einen vollkommenen, zu einem völligen Knebelbart angewachsenen Bart noch vor der Zeit ihrer Reinigung an sich getragen habe. Auch versichert derselbe Beobachter, zu Paris eine junge Deutsche von ungefähr fünftehalb Jahren gesehen zu haben, die am ganzen Körper mit Haaren bedeckt gewesen sey, und einen ausserordentlich grossen Backenbart gehabt habe. Ein Portugiesischer Arzt gesteht, ein kleines Mädchen von drey Jahren mit einem grossen Bart gesehen zu haben.

Man erzählt sich von einer Santa Paula, einer Jungfrau von Avila in Spanien, welche, um den Verfolgungen eines jungen ausschweifenden Mannes zu entgehen, der ihr Gewalt anthun wollte, sich in eine, dem heiligen Laurentius gewihte Kapelle, die ausserhalb der Stadt lag, flüchtete; sie habe die Kniee des Kruzifix umfasst und Gott mit Inbrunst gebeten, er solle ihr Gesicht verändern. Sie wurde erhört, und der Bart wuchs ihr so voll, dass sie der junge Mann nicht mehr erkennen konnte *).

*) Das ist doch nur alles, was der strengste Moralist, alles, was sogar der Eremit in der Wasserkufe von einer modernen Daphne verlangen kann! Dafür wurde aber auch die schöne Jungfrau für ihre Tugend nach ihrem Wunsche belohnt; ein Wunsch, der unsern Schönen, die das, ihnen von der stiefmütterlichen Natur versagte gefährliche Geschenk durch keine Kunst der Toilette von dem unerbittlichen Himmel erzwingen können, leider nicht zu Theil wird. - Indess möchte wohl mancher neumodische Skeptiker, dem der Sänger der Kunst zu lieben die Herzensgeheimnisse der frühesten Heclyne, der schönen Sünderin von Magdala und der schlauen Maria verrathen hat, mit feinen erborgten Waffen gegen die Wahrheit der Bitte, welche die Jungfrau von Avila that und welcher auch Erhörung tröstlich zugesagt ward, (obgleich vergeblich) zu Felde ziehn!

Ich theile einen Auszug von dem Portugiesischen Briefe mit, der 1754 von Lissabon aus an den Verfasser des Journals ausländische Angelegenheiten geschrieben wurde. "Ich habe zu Lissabon den 12. May dieses Jahrs ein Mädchen mit Namen Marie, die den ersten May 1747 zu Alcande, einem Marktflecken in der Provinz Extremedura bey Santa-Cruz gebohren war, und deren Eltern Manuel Ausanes und Maria von Sylva waren, gesehen. Dieses Kind, das noch nicht über sieben Jahr zählt, ist schon fast vier Fuss hoch, hat einen äusserst dicken Kopf, robuste und giganteskische Gliedmaassen; sein ganzes Gesicht ist mit grossen Haaren von verschiedenen Farben und verschiedener Grösse bedeckt; auf der Stirn sind sie beynah einen Zoll lang, und haben die Farbe des Haars von gemeinen Affen; an den Augenbraunen sind sie anderthalb Daumen lang und so wie die Augenlieder von einem sehr dunklen Schwarz; diejenigen, welche den noch übrigen Theil des Gesichts bedecken, sind einen Daumen lang und sehr weiss; an der Oberlippe sind sie kürzer und von heller Kastanienfarbe; an dem übrigen Theil des Körpers sind sie ganz weiss und buschicht; am Rückgrad hat sie deren noch mehr, sie sind auch weiss und sind etwas länger als einen Daumen lang. Das sonderbarste ist, dass die Haupthaare dieses behaarten Mädchens mit den übrigen Haaren gar nichts gemein haben; sie haben die gewöhnliche Länge und Feinheit der Kopfhaare, und ihre Farbe ist dunkelbraun."

St. Gregorius der Grosse erzählt in seinen Dialogen, eine Dame mit Namen Gala, eine Tochter des Consul Symmachus sey sehr jung verheyrathet und noch in demselben Jahre Wittwe geworden. Da sie ein sehr heisses Temperament hatte, so versicherten sie die Aerzte, sie würde, wenn sie sich nicht wieder verheyrathete, wie ein Mann einen Bart bekommen, und diess traf auch wirklich zu. Diese fromme Dame zog diese äusserliche Ungestaltheit ihres Körpers, um sich der Liebe Jesus Christus zu versichern, den Vergnügungen des Ehestandes vor.

Heinrich Kornmann erzählt dem Zeugniss eines gewissen Schriftstellers zufolge, die Weiber, welche den Berg Climax in Aethiopien am rothen Meere bewohnen, hätten alle einen langen Bart. "Der Berg Climax in Aethiopien am rothe Meere bietet dem Reisenden die eigene Erscheinung dar, dass man Weiber mit langen Bärten daselbst findet: und es gehorchen ihnen Tiger und Parder auf der Jagd." Es scheint aber, als wenn dieser Schriftsteller übel unterrichtet sey und seine Erzählung trägt ganz den Charakter einer Fabel an sich. Auch sagt man, dass in Georgien bärtige Frauenzimmer zu sehen seyen. Aber alle diese Beyspiele und viele andere, die man anführen könnte, sind so viele natürliche Wunder und bisarre Erzeugnisse der Natur, die nie beweisen werden, dass der Bart kein eigenthümliches Geschenk des Mannes sey.

Der Verfasser der Belustigungen des Herzens und des Geistes erzählt im dreyzehnten Theile einen sehr sonderbaren Umstand, der fast unglaublich scheint. Ein gewisser Franz Severino, Canzellist bey dem geheimen Conseil zu Neapel, einer der lasterhaftesten Menschen, hatte eine Schwester und eine Niece bey sich, deren Güter er an sich bringen wollte. Dieser Barbar schloss die beyden Frauenzimmer in eine unterirdische Gruft ein, wo er ihnen zu ihrer ganzen Nahrung nur ein wenig Brod und Wasser, und zu ihrer ganzen Bekleidung nur eine einfache wollene Decke reichen liess, in der Hofnung, sich ihrer dadurch so bald als möglich zu entledigen. Diese armen Frauenzimmer lebten ganzer sechzehn Jahr so, bis der Sohn von der Einen derselben seine Studien geendigt vhatte, zu seinem Oncle zurück kam, sich nach seiner Mutter erkundigte, die er nicht sah, und den Oncle zugleich zur Rechenschaft wegen seines Vermögens zog. Der Oncle suchte ihn so lange er konnte, mit Täuschungen zu hintergehen, und bezahlte seinen Neffen mit Unwahrheit. Dieser, der es endlich müde ward, sich als einen Tropf behandeln zu lassen, kam im August 1647 zu Severino, und wollte wissen, was aus seiner Mutter und seiner Schwester geworden wäre.

Der Oncle sagt ihm nach mancherley Ausflüchten, sie wären gestroben. Der Neffe fragt ihn, wo sie begraben seyen, und der Onkle antwortet nur durch Invektiven. Da der Streit sich von beiden Seiten so sehr erhitzt, spricht man so laut, dass es die armen Gefangenen hören konnten und beyde so sehr zu schreyen anfingen, als es ihre Kräfte zuliessen. Der Sohn, nur zu sehr auf das, was zwischen ihm und seinem Oncle vorging, geheftet, hört nichts; aber es hörte sie jemand, der in diesem Augenblick an dem Hause auf der Seite, wo das unterirdische Gefängniss war, vorbey ging. Das Volk auf der Strasse lief zusammen; man wusste nicht, was es seyn könnte; man riss die Mauer nieder und entdeckte mit Erstaunen zwey arme Frauenzimmer. Kaum hatten sie noch menschliche Gestalt. Sie waren nur noch unförmliche Skelette; ihre Körper waren ganz von einem groben und struppigten Haar bedeckt; sie hatten am Kinn einen langen Bart, der bis auf die Brust reichte, und ihre Nägel an Händen und Füssen waren lang und einwärts gebogen wie die Krallen der Raubvögel.

IV. Wächst der Bart bey Verstorbenen noch?

Einige Alten und selbst einige Neuern haben daran gezweifelt, ob der Bart noch bey Verstorbenen wachse. Alexander von Aphrodisia behandelt das als Chimäre, was man über dieses Wachsen sagt. Er versichert, die Haut und das Fleisch, die nach dem Tode zusammen fallen und eintrocknen, entblössen dadurch alle Theile der Haare bis auf ihre Wurzel; sie würden dadurch dem Schein nach länger, aber sie wachsen und vermehren sich nicht. Aristoteles scheint der Meynung zu seyn, dass die Haare an Kadavern länger werden; aber er glaubt nicht, dass sie an ihnen noch des Wachsthums fähig seyen. Plinius folgt ihm hierin, so wie auch Albert der Grosse und mehrer ältere und neuere Schriftsteller.

Es ist gewiss, wie Hieronymus Cardanus versichert, dass man mehrere Beyspiele an Kadavern hat, an welchen Bart und Nägel noch gewachsen sind *). Wir lesen in dem Leben des heiligen Gautencius, dass seine Nägel und Haare, da er sechs Monate lang unbeerdigt blieb, während dieser Zeit nicht unterlassen haben, zu wachsen. Amand Bischof zu Utrecht stribt gegen das Jahr 660; und hundert und fünfzig Jahr nachher fand sichs, dass diesem Heiligen der Bart und die Nägel gewachsen waren. Der Verfasser des Lebens vom heiligen Eloy, Bischof von Noyon, den man für den heiligen Ouen hielt, versichert, Haare und Bart seyen ihm nach seinem Tode von neuem in Grabe gewachsen, ob man gleich, setzt er hinzu, Sorge dafür getragen habe, ihn der angenommenen Sitte gemäss, sobald er gestorben sey, zu rasiren. "Und was das bewundernswürdigste ist: Bart und Haare desselben, die, so wie das Lebenslicht bey ihm erloschen war, ihm waren rasirt worden, wuchsen ihm in Grabe wieder, und jedermann staunte diess unerhörte Wunder an." (Audoin. Leben des heilg. Eligius) Auch liest man in der Geschichte der Beysetzung des heiligen Eduards, Königs von England, der 1066 starb, man habe seinen Körper noch völlig unversehrt gefunden, er sey noch mit seinem königlichen Ornat angethan gewesen, und habe einen langen weissen Bart gehabt. Diese Beysetzung geschah 1163 durch den heiligen Thomas von Canterburg in Gegenwart des Königs Heinrich des Ersten.

*) Auch der grosse Haller versichert diese Beobachtung an Mumien, die der Fäulniss widerstanden, gemacht zu haben. Dass aber Nägel und Haare noch Jahre und Jahrhunderte lang nach dem Tode wachsen, gehört in die Geschichte der Legenden, die Betschwestern männlichen und weiblichen Geschlechts sehr erbauen können.

Erasmus Bartolin erzählt, er habe das Kadaver von einem Menschen gesehen, der schon über acht und zwanzig Jahre gestorben sey, und dieser habe noch einen Bart gehabt *), und was ihn noch mehr in Verwunderung setzte, ist, dass er diesen Bart an dem Kadaver gelb fand, obgleich der Mensch bey seinem Lebzeiten einen schwarzen Bart gehabt habe; und dass die Haare an diesem Bart noch länger waren, als der noch Lebende sie je gehabt hatte. Hadrian Junius bemerkt, dass Bart und Haare bey den verstorbenen Egyptiern noch ein ganzes Jahr wachsen, ob sie gleich vor ihrem Tode sich sehr glatt haben rasiren lassen. Dasselbe, versichert man, geschehe bey den Gehangenen oft.

*) Das ist doch eben so wunderbar nicht; es ist ja bekannt, dass sich das Haar sehr lange vor Verwesung schützt; bekannt, dass sich die Farbe an todten Theilen ändert, und dass ein todter Körper, wenn man ihn nicht berührt, seine Gestalt noch lange an einem Ort, den den freyen Zugang der Luft nicht hat, beybehält.

Die Wahrheit dieser Thatsachen vorausgesetzt, fragt man, welches die Ursache dieser Erscheinung seyn kann? Riolan glaubt, das Haar wachse bey Verstorbenen, von den Ueberresten der Wärme und Feuchtigkeit noch mechanisch, aber nicht mehr durch Einwirkung der Lebenskraft fort; so wie sich an Steinen Moos erzeuge. In der That finden die Wurzeln der Haare unter der Haut eine Feuchtigkeit, die sie nährt *) so wie die Pflanzen, die man oft beschneidet, wieder aufschiessen, weil die Erde ihnen einen Saft darbietet, der ihnen zur Nahrung dient.

*) Aber auch dieses mechanische Wachsthum ist nicht mehr möglich, wenn die seröse Feuchtigkeit, der Nahrungsstoff der Haare schon in Fäulniss übergegangen ist.