1797 Augustin Fangé Buch "Geschichte des männlichen Barts unter allen Völkern der Erde bis auf die neueste Zeit (Für Freunde der Sitten und Völkerkunde)"/Drittes Kapitel

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I. Zweck der Haare
II. Warum haben nur Männer einen Bart, und die Weiber nicht?
III. Hat es bärtige Weiber gegeben?
IV. Wächst der Bart an Verstorbenen noch?

I. Zweck der Haare

Die alten und neuern Naturforscher der belebten Körperwelt , sind nicht weniger verschiedener Meynung, wenn sie über den Nutzen der Haare am menschlichen Körper sprechen, als sie es in Hinsicht des Ursprungs und der Natur der Haare sind.

Nach den alten Aerzten haben die Haare einen dreyfachen zweck. Der erste besteht nach ihnen darin, die Theile, die das Haar umhüllt, zu bedecken und zu stärken. Busbecq erzählt, er habe zu Konstantinopel einen Janitscharen gesehen, der auf dem Kopf eine so grosse Menge Haare gehabt habe, dass ihn ein Stoss mit einem Flintenkolben nicht habe verwunden können. Der zweyte Zweck ist es, den Körper zu verschönern.

Eine dürre Wiese ohne Gras
Ist hässlich wie ein kahler Kopf,
Wie ein verstümmelt Thier,
Ein blätterloser Baum.

Ein dritter und zwar der wichtigste Nutzen der Haare besteht darin, dass sie den Schmutz und die kohlenstoffartigen Theile des ganzen Körpers aufzehren. Deshalb lehren Rhösis und Avincennius, es sey zur Erhaltung des Gesichts sehr gut, wenn man sich die Haare oft abschneiden lasse; denn das Haar ziehe die dunstartigen Theile der Säfte an. Celsus ist der Meynung, man solle sich bey eingewurzelten Schnupfen rasiren lassen. Arist. liess sich nach Diogenes von Laerte Bericht zur Erhaltung seiner Gesundheit oft die Blatte des Kopfs schären, und Galen sagt uns, diess sey zu seiner Zeit so Sitte gewesen. Levinus von Lemnos räth dagegen in seinem Werk: die verborgenen Wunder der Natur: wer sich wohl befinde, solle sich weder auf dem Kopfe, noch am Kinn rasiren lassen. Der Grund, der er zur Unterstützung seines Raths gibt, ist der: dass man dadurch sich schwäche, und dass es die Menschen schlaff und weichlich mache, indem es den Lebensgeist und die natürliche Wärme zerstreue, die Kühnheit und den Muth vermindere. Aber die Erfahrung beweist das Gegentheil; denn die Athleten liessen sich am ganzen Körper rasiren. Man sehe Lucians Dialog.

Herr Heister glaubt in seiner Anatomie, die Haupthaare haben den Nutzen, den Kopf warm zu halten und ihn zu zieren; aber er gesteht, es sey nicht leicht, den Nutzen der übrigen Haare, ausser dem der Augenbraunen und Augenlieder, zu entdecken.

Dionys glaubt, der wahre Nutzen der Haare des Körpers und des Kopfs sey nicht, die Theile zu beschützen, zu bedecken und zu erwärmen, dem Körper zur Zierde zu dienen und dem Menschen ein ehrwürdiges Ansehen zu geben; sondern er hält sich überzeugt, dass sie vorzüglich dazu bestimmt seyen, um viele ausgeschiedene Theile aus dem Körper zu leiten, so wie man im Nacken durch die Haut Fäden von Zwirn oder Baumwolle zieht, um überflüssige Feuchtigkeiten auszuleeren. Gleichwohl ist es nicht unvortheilhaft, sie abzuschneiden, um sie an denjenigen Punkten, die der Feuchtigkeit am nächsten sind, desto fähiger zu machen, von den zu verflüchtigenden Stoffen durchdrungen zu werden. Diese Meynung hat sich durch die Erfahrung an solchen Menschen bestätiget, die sich leichter fühlten nachdem sie sich den Kopf und andere Theile des Körpers hatten rasiren lassen, und die sich übel befinden, wenn sie es unterlassen, sich derselben zu entledigen.

Riolan hält nicht dafür, dass der Bart dem männlichen Geschlecht in der ASbsicht gegeben sey, um das Gesicht vor Kälte zu schützen. Sonst, sagt er, hätte die Natur den Weibern unrecht gethan, die ein empfindlicheres Gesicht haben, als die Männer. Eben so wenig glaubt er, die Männer haben einen Bart, damit er ihnen zur Zierde dienen, und ihnen ein ehrwürdigeres Ansehn geben solle. Es scheint ihm vielmehr, der Bart habe den zweck, das Zeichen von Mannbarkeit zu seyn, und Vätern und Müttern einen Wink zu geben, dass sie dann die Knaben von den Mädchen zu trennen hätten.

Dieser Schriftsteller sagt noch, es sey zu vermuthen, der Bart habe den zweck, den Kohlenstoff in den Säften wegzuschaffen, der bey dem männlichen Geschlecht in grösserer Menge vorhanden sey, als bey dem weiblichen; und ein Theil davon habe den Bart gebildet, weil sich das Ganze nicht habe in Haar verwandeln können. Deshalb leeren die Männer, die heisseres Blut haben, als die Weiber, diese Art Ausscheidungsstoff durch das Haut- und Barthaar aus. Die Weiber hingegen entladen sich dessen bloss durch das Haupthaar.

II. Warum die Weiber keinen Bart haben

Es ist hier nur die Frage wie man den natürlichen physischen Grund auffinden will, warum die Männer einen Bart haben, und die Weiber nicht. Mehrere Schriftsteller, die uns Abhandlungen über den männlichen Bart hinterlassen haben, sind auf den Einfall gerathen, der Urheber der Natur habe dem Manne den Bart geschenkt, um durch diese eigenthümliche Zierde seinen Vorrang vor dem Weibe zu bezeichnen. Nur der Mann, sagen sie, ist zur Herrschaft gebohren, und er trägt ein Abzeichen seiner Vollmacht, das deshalb keinen Zweifel mehr übrig lässt. Dieser Bart, welcher sein Kinn ziert, und der ihn bald furchtbar bald bloss ehrwürdig macht; dieser Bart - wenn man ihn genau betrachtet -, entdeckt den Weibern die Absichten der Natur, und lehrt sie Demuth, Unterwerfung, Gehorsam. Der Schöpfer des Universums konnte keine Zierde für den Mann wählen, die seiner Wahl würdiger gewesen wäre. - Ich will mir nicht anmassen zu untersuchen, ob diese Gründe viel für sich haben möchten, und ob der Urheber der Natur dadurch, dass er dem Manne am Kinn einen Bart gab, eine andere Absicht habe beurkunden wollen, als dass er dadurch die Aufrechterhaltung des männlichen Ansehens über das Weib bezweckt habe. Wäre dem so, würde dann Gott nicht allen Männern das Verlangen eingepflanzt haben, ihre Bärte wachsen zu lassen, um sich durch dieses äussere Zeichen vor den Weibern mehr Achtung zu verschaffen? Warum gibt es dann in Hinsicht des Barts unter den Menschen so viel Verschiedenheit? denn wir wissen ja, dass bald ganze Nationen unter einander wetteiferten, sich durch einen langen Bart auszuzeichnen, während ihn andere sich abscheren liessen. Man wird in der Folge dieses Werks sehen, dass kein Gegenstand menschlicher Gebräuche mehr Veränderungen erlitten habe, als der Bart.

Was es auch mit der Absicht des Schöpfers, die er durch die Verschiedenheit zwischen Mann und Weib in dieser Hinsicht hat erreichen wollen, für eine Bewandniss haben mag; ich suche hier in der physischen Beschaffenheit des Mannes einen natürlichen Grund dieser Verschiedenheit auf.

<poem> Schriftsteller, die über physiologische Gegenstände geschrieben haben, haben die Bemerkung gemacht: 1) das männliche Gesicht trockne leicht ein - man bemerkt diess gewöhnlich bey denen, die viel Bart haben -; aber das weibliche Gesicht erhalte sich besser. 2) Die Männer haben eine starke Ausdünstung durch die Haut, da hingegen bey den Weibern nur eine leichte Hautausdünstung Statt finde. Der Mann erhält daher ein dickes schwarzes Blut, während das Blut im weiblichen Körper flüssiger bleibt. 3) Die Fibern haben bey dem Mann weit mehr Stärke, als bey dem Weibe. Sie können daher das Blut mit weit mehr Stärke forttreiben. Diess wären denn Verschiedenheiten zwischen Mann und Weib; könnten sie wohl auch noch diejenige hervorbringen, wovon wir reden? Man wird mir sogleich entgegnen, die Weiber dürften dieser Annahme zufolge auch anderwärts keine langen Haare haben. Ich gestehe, dass sich diese Schwierigkeit nicht ganz heben lässt. Könnte man nicht sagen, das Blut fliesse in grosser Menge nach den Theilen, die zur Zeugung dienen, und die Achsel sey eine sehr heisse Gegend des Körpers, und das Blut könne an diesen Orten auch bey dem Weibe Haare erzeugen?