1797 Augustin Fangé Buch "Geschichte des männlichen Barts unter allen Völkern der Erde bis auf die neueste Zeit (Für Freunde der Sitten und Völkerkunde)"/Drittes Kapitel: Unterschied zwischen den Versionen

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3) Die Fibern haben bey dem Mann weit mehr Stärke, als bey dem Weibe. Sie können daher das Blut mit weit mehr Stärke forttreiben. Diess wären denn Verschiedenheiten zwischen Mann und Weib; könnten sie wohl auch noch diejenige hervorbringen, wovon wir reden? Man wird mir sogleich entgegnen, die Weiber dürften dieser Annahme zufolge auch anderwärts keine langen Haare haben. Ich gestehe, dass sich diese Schwierigkeit nicht ganz heben lässt. Könnte man nicht sagen, das Blut fliesse in grosser Menge nach den Theilen, die zur Zeugung dienen, und die Achsel sey eine sehr heisse Gegend des Körpers, und das Blut könne an diesen Orten auch bey dem Weibe Haare erzeugen?
 
3) Die Fibern haben bey dem Mann weit mehr Stärke, als bey dem Weibe. Sie können daher das Blut mit weit mehr Stärke forttreiben. Diess wären denn Verschiedenheiten zwischen Mann und Weib; könnten sie wohl auch noch diejenige hervorbringen, wovon wir reden? Man wird mir sogleich entgegnen, die Weiber dürften dieser Annahme zufolge auch anderwärts keine langen Haare haben. Ich gestehe, dass sich diese Schwierigkeit nicht ganz heben lässt. Könnte man nicht sagen, das Blut fliesse in grosser Menge nach den Theilen, die zur Zeugung dienen, und die Achsel sey eine sehr heisse Gegend des Körpers, und das Blut könne an diesen Orten auch bey dem Weibe Haare erzeugen?
 
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Der Gegenstand, den ich mir in dieser Schrift vorgesetzt habe, nämlich die verschiedenen Gebräuche in Beziehung auf den Bart unter den Menschen darzustellen, erlaubt mir nicht, in eine weitere Untersuchung über diesen Gegenstand einzugehen, den ich den Aerzten und Physiologen überlasse. Das Gewisseste ist, dass bey den Weibern eine Verschiedenheit in Absicht der Structur ihrer Haut, in Absicht der Säfte, woraus sich das Haar erzeugt, in Absicht der Art, wie die Feuchtigkeiten durch die Bewegung des Bluts und durch die Transpiration ausdünsten, von welchen Feuchtigkeiten wir kurz vorher gesehen haben, dass sie den Haaren zur Nahrung dienen, Statt findet.
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Die Wahrheit zu gestehen, ist es ausgemacht, dass alle Weiber Bart haben, aber in geringerer Menge, als die Männer, und der Art nach ihn viel weicher und zarter haben. In der That ist die Haut des Mannes ganz haarig; aber die des Weibes ist es weniger. Auch hat ja selbst ein Mann immer mehr oder weniger Haare, als der andere. Hierzu kommt, dass man die Haare am Kopfe, Gesicht, Achseln leicht; aber sehr schwer diejenigen entdeckt, die auf der ganzen Oberfläche der Haut existiren. Auch die glätteste Haut hat in jeder porösen Oeffnung ein kleines Haar, das daraus hervorgeht, und das seine Wurzel in einer dieser kleinen Drüsen hat, womit die Haut an ihrer innern Oberfläche überall übersäet ist. Das kleine Haar sieht man mehr oder weniger, nachdem es blond oder braun ist. Man hat sogar Menschen gefunden, die eine eben so behaarte Haut hatten, als Bäre; aber das ist eine Seltenheit, auf die man keine Regel bauen kann.
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Aus allem diesen, scheint mir, könne man schliessen
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1) dass die Weiber einen Bart haben, obgleich er seiner Stärke und Art nach dem des Mannes nicht gleich kommt; man schreibe nun diese Verschiedenheit dem Nahrungssaft des Barts oder der Structur der weiblichen Haut, oder jeder andern Ursache zu. Immer kann man, wie ich sagte, daraus schliessen, dass die Verschiedenheit zwischen Mann und Weib in dieser Hinsicht nur auf dem Mehr oder Weniger beruht.
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2) Scheint es sehr wahrscheinlich, dass der Urheber der Natur, da er beyde Geschlechter voneinander unterscheiden wollte, sie auch durch diejenigen Eigenschaften, die nur zur Zierde dienen, habe auszeichnen wollen, und dass er vielleicht in dieser Hinsicht dem Mann den Bart in der Gegend des Mundes als eine männliche Zierde, welche, wie es scheint, das Weib sehr übel gekleidet, und einen unangenehmen Eindruck an ihm gemacht haben würde, gegeben habe, und dass man also bey dem ersten Anblick die Verschiedenheit des Geschlechts durch die äussern Zierrathen erkennen könne. Deshalb haben Knaben vor dem Zeitalter der Mannbarkeit noch keinen Bart, der bey ihnen nur wächst, wenn sie fähig werden, ihres Gleichen zu erzeugen.
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== III. Hat es bärtige Weiber gegeben? ==
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Wir haben so eben gesagt, man könne streng genommen den Bart nicht in dem Sinne für ein Antheil des Mannes ansehen, dass man ihn dem Weibe ganz absprechen könnte. Man hat gesehen, dass die Haut des weiblichen Gesichts, ob sie gleich bey dem grössten Theil dieses Geschlechts sehr glatt ist, immer noch Haare hat, und dass sie sich von den Barthaaren des männlichen Geschlechts nur ihrer Menge, Stärke und Länge nach unterscheiden. Jetzt fragt es sich, ob es eben so bärtige Frauen als es die Männer sind, oder doch fast so sehr bärtige Frauen gibt. Es ist allgemein bekannt, dass man bey mehrern unter ihnen, wenn sie ein gewisses Alter erreicht haben, Haare bemerkt, die an Stärke, Farbe und selbst an Grösse denen der Männer gleichen.
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Hippocrates erzählt, Phaetuse, Pytheas Frau und amysica, Gorgippus Frau, haben Bärte gehabt. Alexander von Alexandrien bezeugt, dass wenn Amphictyen, einem Ort in der Nachbarschaft von Halicarnass ein grosses Unglück bevorstehe, ein langer Bart, welcher der Priesterin der Minerva plötzlich wuchs, das Volk zu Vorkehrungen dagegen auffordere; und diess sey schon zweymahl der Fall gewesen. Derselbe Schriftsteler lehrt uns, in Carien sey der Glaube herrschend gewesen, bärtige Frauen hätten vortrefliche Anlagen, Orakel zu sprechen. "Auch bemerkt man die sonderbare Erscheinung, die sich an der Priesterin der Minerva ereignet haben soll: dass ihr nämlich, so bald die Amphictyenser, die Bewohner dieser Gegenden, ein Unglück zu treffen droht, ein grosser Bart wachse, gleichsam als stehe dieses ausserordentliche Ereigniss mit einem zukünftigen Unglück in Verbindung; so wie in Carien es ein Zeichen von Vorherverkündigung wichtiger Begebenheiten war, wenn den geweihten Frauen an den Wangen oder an dem Kinne Haar wuchsen." Es scheint als hätten diese Frauen nur wegen Unterdrückung ihrer monatlichen Reinigung, da sie vielleicht schon etwas bey Jahren seyn mochten, einen Bart bekommen (?)

Version vom 30. August 2009, 20:04 Uhr

I. Zweck der Haare
II. Warum haben nur Männer einen Bart, und die Weiber nicht?
III. Hat es bärtige Weiber gegeben?
IV. Wächst der Bart an Verstorbenen noch?

I. Zweck der Haare

Die alten und neuern Naturforscher der belebten Körperwelt , sind nicht weniger verschiedener Meynung, wenn sie über den Nutzen der Haare am menschlichen Körper sprechen, als sie es in Hinsicht des Ursprungs und der Natur der Haare sind.

Nach den alten Aerzten haben die Haare einen dreyfachen zweck. Der erste besteht nach ihnen darin, die Theile, die das Haar umhüllt, zu bedecken und zu stärken. Busbecq erzählt, er habe zu Konstantinopel einen Janitscharen gesehen, der auf dem Kopf eine so grosse Menge Haare gehabt habe, dass ihn ein Stoss mit einem Flintenkolben nicht habe verwunden können. Der zweyte Zweck ist es, den Körper zu verschönern.

Eine dürre Wiese ohne Gras
Ist hässlich wie ein kahler Kopf,
Wie ein verstümmelt Thier,
Ein blätterloser Baum.

Ein dritter und zwar der wichtigste Nutzen der Haare besteht darin, dass sie den Schmutz und die kohlenstoffartigen Theile des ganzen Körpers aufzehren. Deshalb lehren Rhösis und Avincennius, es sey zur Erhaltung des Gesichts sehr gut, wenn man sich die Haare oft abschneiden lasse; denn das Haar ziehe die dunstartigen Theile der Säfte an. Celsus ist der Meynung, man solle sich bey eingewurzelten Schnupfen rasiren lassen. Arist. liess sich nach Diogenes von Laerte Bericht zur Erhaltung seiner Gesundheit oft die Blatte des Kopfs schären, und Galen sagt uns, diess sey zu seiner Zeit so Sitte gewesen. Levinus von Lemnos räth dagegen in seinem Werk: die verborgenen Wunder der Natur: wer sich wohl befinde, solle sich weder auf dem Kopfe, noch am Kinn rasiren lassen. Der Grund, der er zur Unterstützung seines Raths gibt, ist der: dass man dadurch sich schwäche, und dass es die Menschen schlaff und weichlich mache, indem es den Lebensgeist und die natürliche Wärme zerstreue, die Kühnheit und den Muth vermindere. Aber die Erfahrung beweist das Gegentheil; denn die Athleten liessen sich am ganzen Körper rasiren. Man sehe Lucians Dialog.

Herr Heister glaubt in seiner Anatomie, die Haupthaare haben den Nutzen, den Kopf warm zu halten und ihn zu zieren; aber er gesteht, es sey nicht leicht, den Nutzen der übrigen Haare, ausser dem der Augenbraunen und Augenlieder, zu entdecken.

Dionys glaubt, der wahre Nutzen der Haare des Körpers und des Kopfs sey nicht, die Theile zu beschützen, zu bedecken und zu erwärmen, dem Körper zur Zierde zu dienen und dem Menschen ein ehrwürdiges Ansehen zu geben; sondern er hält sich überzeugt, dass sie vorzüglich dazu bestimmt seyen, um viele ausgeschiedene Theile aus dem Körper zu leiten, so wie man im Nacken durch die Haut Fäden von Zwirn oder Baumwolle zieht, um überflüssige Feuchtigkeiten auszuleeren. Gleichwohl ist es nicht unvortheilhaft, sie abzuschneiden, um sie an denjenigen Punkten, die der Feuchtigkeit am nächsten sind, desto fähiger zu machen, von den zu verflüchtigenden Stoffen durchdrungen zu werden. Diese Meynung hat sich durch die Erfahrung an solchen Menschen bestätiget, die sich leichter fühlten nachdem sie sich den Kopf und andere Theile des Körpers hatten rasiren lassen, und die sich übel befinden, wenn sie es unterlassen, sich derselben zu entledigen.

Riolan hält nicht dafür, dass der Bart dem männlichen Geschlecht in der ASbsicht gegeben sey, um das Gesicht vor Kälte zu schützen. Sonst, sagt er, hätte die Natur den Weibern unrecht gethan, die ein empfindlicheres Gesicht haben, als die Männer. Eben so wenig glaubt er, die Männer haben einen Bart, damit er ihnen zur Zierde dienen, und ihnen ein ehrwürdigeres Ansehn geben solle. Es scheint ihm vielmehr, der Bart habe den zweck, das Zeichen von Mannbarkeit zu seyn, und Vätern und Müttern einen Wink zu geben, dass sie dann die Knaben von den Mädchen zu trennen hätten.

Dieser Schriftsteller sagt noch, es sey zu vermuthen, der Bart habe den zweck, den Kohlenstoff in den Säften wegzuschaffen, der bey dem männlichen Geschlecht in grösserer Menge vorhanden sey, als bey dem weiblichen; und ein Theil davon habe den Bart gebildet, weil sich das Ganze nicht habe in Haar verwandeln können. Deshalb leeren die Männer, die heisseres Blut haben, als die Weiber, diese Art Ausscheidungsstoff durch das Haut- und Barthaar aus. Die Weiber hingegen entladen sich dessen bloss durch das Haupthaar.

II. Warum die Weiber keinen Bart haben

Es ist hier nur die Frage wie man den natürlichen physischen Grund auffinden will, warum die Männer einen Bart haben, und die Weiber nicht. Mehrere Schriftsteller, die uns Abhandlungen über den männlichen Bart hinterlassen haben, sind auf den Einfall gerathen, der Urheber der Natur habe dem Manne den Bart geschenkt, um durch diese eigenthümliche Zierde seinen Vorrang vor dem Weibe zu bezeichnen. Nur der Mann, sagen sie, ist zur Herrschaft gebohren, und er trägt ein Abzeichen seiner Vollmacht, das deshalb keinen Zweifel mehr übrig lässt. Dieser Bart, welcher sein Kinn ziert, und der ihn bald furchtbar bald bloss ehrwürdig macht; dieser Bart - wenn man ihn genau betrachtet -, entdeckt den Weibern die Absichten der Natur, und lehrt sie Demuth, Unterwerfung, Gehorsam. Der Schöpfer des Universums konnte keine Zierde für den Mann wählen, die seiner Wahl würdiger gewesen wäre. - Ich will mir nicht anmassen zu untersuchen, ob diese Gründe viel für sich haben möchten, und ob der Urheber der Natur dadurch, dass er dem Manne am Kinn einen Bart gab, eine andere Absicht habe beurkunden wollen, als dass er dadurch die Aufrechterhaltung des männlichen Ansehens über das Weib bezweckt habe. Wäre dem so, würde dann Gott nicht allen Männern das Verlangen eingepflanzt haben, ihre Bärte wachsen zu lassen, um sich durch dieses äussere Zeichen vor den Weibern mehr Achtung zu verschaffen? Warum gibt es dann in Hinsicht des Barts unter den Menschen so viel Verschiedenheit? denn wir wissen ja, dass bald ganze Nationen unter einander wetteiferten, sich durch einen langen Bart auszuzeichnen, während ihn andere sich abscheren liessen. Man wird in der Folge dieses Werks sehen, dass kein Gegenstand menschlicher Gebräuche mehr Veränderungen erlitten habe, als der Bart.

Was es auch mit der Absicht des Schöpfers, die er durch die Verschiedenheit zwischen Mann und Weib in dieser Hinsicht hat erreichen wollen, für eine Bewandniss haben mag; ich suche hier in der physischen Beschaffenheit des Mannes einen natürlichen Grund dieser Verschiedenheit auf.

Schriftsteller, die über physiologische Gegenstände geschrieben haben, haben die Bemerkung gemacht:
1) das männliche Gesicht trockne leicht ein - man bemerkt diess gewöhnlich bey denen, die viel Bart haben -; aber das weibliche Gesicht erhalte sich besser.
2) Die Männer haben eine starke Ausdünstung durch die Haut, da hingegen bey den Weibern nur eine leichte Hautausdünstung Statt finde. Der Mann erhält daher ein dickes schwarzes Blut, während das Blut im weiblichen Körper flüssiger bleibt.
3) Die Fibern haben bey dem Mann weit mehr Stärke, als bey dem Weibe. Sie können daher das Blut mit weit mehr Stärke forttreiben. Diess wären denn Verschiedenheiten zwischen Mann und Weib; könnten sie wohl auch noch diejenige hervorbringen, wovon wir reden? Man wird mir sogleich entgegnen, die Weiber dürften dieser Annahme zufolge auch anderwärts keine langen Haare haben. Ich gestehe, dass sich diese Schwierigkeit nicht ganz heben lässt. Könnte man nicht sagen, das Blut fliesse in grosser Menge nach den Theilen, die zur Zeugung dienen, und die Achsel sey eine sehr heisse Gegend des Körpers, und das Blut könne an diesen Orten auch bey dem Weibe Haare erzeugen?

Der Gegenstand, den ich mir in dieser Schrift vorgesetzt habe, nämlich die verschiedenen Gebräuche in Beziehung auf den Bart unter den Menschen darzustellen, erlaubt mir nicht, in eine weitere Untersuchung über diesen Gegenstand einzugehen, den ich den Aerzten und Physiologen überlasse. Das Gewisseste ist, dass bey den Weibern eine Verschiedenheit in Absicht der Structur ihrer Haut, in Absicht der Säfte, woraus sich das Haar erzeugt, in Absicht der Art, wie die Feuchtigkeiten durch die Bewegung des Bluts und durch die Transpiration ausdünsten, von welchen Feuchtigkeiten wir kurz vorher gesehen haben, dass sie den Haaren zur Nahrung dienen, Statt findet.

Die Wahrheit zu gestehen, ist es ausgemacht, dass alle Weiber Bart haben, aber in geringerer Menge, als die Männer, und der Art nach ihn viel weicher und zarter haben. In der That ist die Haut des Mannes ganz haarig; aber die des Weibes ist es weniger. Auch hat ja selbst ein Mann immer mehr oder weniger Haare, als der andere. Hierzu kommt, dass man die Haare am Kopfe, Gesicht, Achseln leicht; aber sehr schwer diejenigen entdeckt, die auf der ganzen Oberfläche der Haut existiren. Auch die glätteste Haut hat in jeder porösen Oeffnung ein kleines Haar, das daraus hervorgeht, und das seine Wurzel in einer dieser kleinen Drüsen hat, womit die Haut an ihrer innern Oberfläche überall übersäet ist. Das kleine Haar sieht man mehr oder weniger, nachdem es blond oder braun ist. Man hat sogar Menschen gefunden, die eine eben so behaarte Haut hatten, als Bäre; aber das ist eine Seltenheit, auf die man keine Regel bauen kann.

<poem> Aus allem diesen, scheint mir, könne man schliessen 1) dass die Weiber einen Bart haben, obgleich er seiner Stärke und Art nach dem des Mannes nicht gleich kommt; man schreibe nun diese Verschiedenheit dem Nahrungssaft des Barts oder der Structur der weiblichen Haut, oder jeder andern Ursache zu. Immer kann man, wie ich sagte, daraus schliessen, dass die Verschiedenheit zwischen Mann und Weib in dieser Hinsicht nur auf dem Mehr oder Weniger beruht. 2) Scheint es sehr wahrscheinlich, dass der Urheber der Natur, da er beyde Geschlechter voneinander unterscheiden wollte, sie auch durch diejenigen Eigenschaften, die nur zur Zierde dienen, habe auszeichnen wollen, und dass er vielleicht in dieser Hinsicht dem Mann den Bart in der Gegend des Mundes als eine männliche Zierde, welche, wie es scheint, das Weib sehr übel gekleidet, und einen unangenehmen Eindruck an ihm gemacht haben würde, gegeben habe, und dass man also bey dem ersten Anblick die Verschiedenheit des Geschlechts durch die äussern Zierrathen erkennen könne. Deshalb haben Knaben vor dem Zeitalter der Mannbarkeit noch keinen Bart, der bey ihnen nur wächst, wenn sie fähig werden, ihres Gleichen zu erzeugen.

III. Hat es bärtige Weiber gegeben?

Wir haben so eben gesagt, man könne streng genommen den Bart nicht in dem Sinne für ein Antheil des Mannes ansehen, dass man ihn dem Weibe ganz absprechen könnte. Man hat gesehen, dass die Haut des weiblichen Gesichts, ob sie gleich bey dem grössten Theil dieses Geschlechts sehr glatt ist, immer noch Haare hat, und dass sie sich von den Barthaaren des männlichen Geschlechts nur ihrer Menge, Stärke und Länge nach unterscheiden. Jetzt fragt es sich, ob es eben so bärtige Frauen als es die Männer sind, oder doch fast so sehr bärtige Frauen gibt. Es ist allgemein bekannt, dass man bey mehrern unter ihnen, wenn sie ein gewisses Alter erreicht haben, Haare bemerkt, die an Stärke, Farbe und selbst an Grösse denen der Männer gleichen.

Hippocrates erzählt, Phaetuse, Pytheas Frau und amysica, Gorgippus Frau, haben Bärte gehabt. Alexander von Alexandrien bezeugt, dass wenn Amphictyen, einem Ort in der Nachbarschaft von Halicarnass ein grosses Unglück bevorstehe, ein langer Bart, welcher der Priesterin der Minerva plötzlich wuchs, das Volk zu Vorkehrungen dagegen auffordere; und diess sey schon zweymahl der Fall gewesen. Derselbe Schriftsteler lehrt uns, in Carien sey der Glaube herrschend gewesen, bärtige Frauen hätten vortrefliche Anlagen, Orakel zu sprechen. "Auch bemerkt man die sonderbare Erscheinung, die sich an der Priesterin der Minerva ereignet haben soll: dass ihr nämlich, so bald die Amphictyenser, die Bewohner dieser Gegenden, ein Unglück zu treffen droht, ein grosser Bart wachse, gleichsam als stehe dieses ausserordentliche Ereigniss mit einem zukünftigen Unglück in Verbindung; so wie in Carien es ein Zeichen von Vorherverkündigung wichtiger Begebenheiten war, wenn den geweihten Frauen an den Wangen oder an dem Kinne Haar wuchsen." Es scheint als hätten diese Frauen nur wegen Unterdrückung ihrer monatlichen Reinigung, da sie vielleicht schon etwas bey Jahren seyn mochten, einen Bart bekommen (?)