1797 Augustin Fangé Buch "Geschichte des männlichen Barts unter allen Völkern der Erde bis auf die neueste Zeit (Für Freunde der Sitten und Völkerkunde)"/Achtes Kapitel

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I. Man schnitt sich das Haar als Zeichen von Betrübniss und Trauer ab
II. Man liess sein Haupthaar und seinen Bart wachsen, um seinen Schmerz worüber auszudrücken
III. Ein rasirter Bart, als Strafe für grosse Verbrechen oder als Mittel, jemanden lächerlich zu machen
IV. Sprichwörtliche Redensarten, die man mit dem Wort Bart machte
V. Andere Arten, diess Wort zu nehmen

Man schnitt sich das Haar als Zeichen von Betrübniss und Trauer ab

Es ist überraschend, dass ganz verschiedene, einander ganz entgegengesetzte Gebräuche, bey denselben Völkern zur Bezeichnung einer und derselben Sache dienen konnten. Diess sehen wir an der Sitte, sich Haupthaar und Bart während der Trauer ganz rasiren zu lassen, um dadurch seinen Schmerz auszudrücken; ein bey den Juden eingeführter Gebrauch, während dieselbe Nation, um dasselbe Leiden auszudrücken, sich bisweilen den Bart wachsen liess.

Die Aegypter, die Moabiter, die Babylonier, die Assyrier schnitten sich gewöhnlich die Haare während der Trauer ab. Der Prophet Jesaias, wo er von der Rache spricht, die der Herr an den stolzen Moabitern nehmen müsste, sagt, Moab würde heulen und schreyen müssen; seine Einwohner würden sich alle Haare ausreissen, würden sich alle den Bart scheren lassen. "Moab heult; alle seine Köpfe sind kahl, jeder Bart hat sich scheren lassen."

Man weiss, dass das gänzliche Abschneiden des Barts zur Bezeichnung seiner Trauer bey den Juden durch das Gesetz verboten war, zumahl, wenn es zur Ehre heidnischer Gottheiten geschah. "Sie," (die Priester) "beschneiden nicht ihr Haupt, nicht ihr Haar, kasteyen, geisseln nicht ihr Fleisch." (Levit. 21, 5) Das will so viel sagen, als habe Jehova den Priestern durch dieses Gesetz verbieten lassen, die Zeichen der Trauer für ihre Mitbürger an sich erblicken zu lassen. Sie durften ausser der Zeit ihres Dienstes um irgend einen ihrer Verwandten trauren; aber sie durften es nicht für Fremde, mit denen sie in Verbindung oder in Verhältnissen der Freundschaft stehen mochten. Ueberhaupt muss man in Hinsicht der Juden anders entscheiden, wenn von der Trauer der Priester; und anders, wenn von der Trauer des Volks die Rede ist.

Man muss das Verbot, von dem wir so eben geredet haben, nicht buchstäblich nehmen; so dass man glaubte, Moses habe es den gemeinen Juden schlichthin verboten, sich während der Zeit der Trauer Kopf- und Barthaar abschneiden zu lassen; sondern dieses Verbot bezog sich nur auf eine gewisse Art, diess zur Ehre des Gottes des Todes, das heisst zur Ehre des Adonis und Osiris zu thun. Die Trauer mit allen Zeremonien war dem Jüdischen Volke erlaubt; sie durften deshalb alle Kennzeichen derselben an sich tragen, worunter Bart- und Haar-Beschneiden den ersten Rang behaupteten; aber diess war den Priestern untersagt. So war nur diejenige Art, sich den Bart abscheren zu lassen, den Israeliten verboten, die sich auf Aegyptische Gebräuche bezog; denn bey den Aegyptern beschränkte sich der Bart nur auf die Spitze des Kinns, wie man an den Mumien und an den Figuren der Aegyptischen Gottheiten sieht, die uns noch übrig sind. Bey Menschen und Göttern waren Schläfe, Wangen und Lippen ganz glatt. Nur am Kinn sah man Barthaar, und dieses stieg bis unter die Brust hinab; und diesen Bartbüschel schnitten sich die Aegypter während der Trauer ab. Und diese Art sich den Bart abzuscheren, verbot Moses den Israeliten.

Der Prophet Jeremias, der die Expedition Nebucadnezars gegen die Moabiter vorher verkündigt, sagt, alle Köpfe würden unter ihnen ohne Haar, alle Bärte rasirt seyn. In dem Brief, welchen derselbe Jeremias den Juden in der Babylonischen Gefangenschaft schrieb, bezeugt er, falsche Priester hätten sich in ihre Tempel gesetzt, sie hätten zerrissne Kleider an, und hätten geschornen Kopf und Bart.

Wir lesen in demselben Propheten, dass nach der Zerstöhrung Jerusalems achtzig Männer von Sichem, Silo, Samaria nach Masphat kamen, um daselbst Godolias und den Ueberrest des Volks zu sehen; sie hatten rasirten Bart, zerrissne Kleider, ganz entstelltes Gesicht; das heisst, diese Menschen hatten alle Zeichen der Trauer an sich, zeigten sich dadurch als Leute, die den Sturz des Vaterlands, die Einäscherung und Entweihung des Tempels ihres Gottes tief betrauerten; und diess zeigt, dass diese Arten Trauergebräuche nicht durch das Gesetz verboten waren, weil sie bey einer regelmässigen und erlaubten Trauer vorkamen.

Bey den Römern war es ein zeichen der Trauer, man mochte sich nun Bart und Haare des Kopfs ganz abscheren lassen, oder man mochte sie auch nachlässig wachsen lassen, ohne dass man sie sich abschneiden liess. Wir lernen aus Sueton, dass, so bald der Tod des Germanikus bekannt wurde, die Asiatischen Könige, um ihren Schmerz über einen solchen Verlust auszudrücken, sich den Bart ausrissen, und ihren Gemahlinnen das Haupthaar abschneiden liessen. Nach der Einnahme der Stadt Sybaris durch die Krotonier rasirten sich fast alle Milesier zum Zeichen ihrer Traurigkeit den Bart. Aulus Gellius erzählt in seinen Attischen Nächten, dass sich die angesehensten Römer zu Zeit des Kriegs mit den Carthagern den Bart abschneiden liessen, um dadurch das Unglück zu bezeichnen, das die Republik bedrohte.

II. Man liess den Bart als Zeichen seiner Trauer wachsen

Man liess vordem in der Trauer und um seinen tiefen Schmerz an den Tag zu legen, den Bart auch wachsen. Miphiboset, der Sohn Sauls hatte die ganze Zeit über, als der König David durch Absalon aus Jerusalem vertrieben worden war, seinen Bart nicht rasirt; und er erschien in diesem Aufzug vor diesem Regenten bey seiner Zurückkehr. Auch "Miphiboset, der Sohn Sauls, ging dem Könige entgegen mit ungewaschnen Füssen und ungeschornem Bart", heisst es im zweyten Buch der Könige. Auch war es bisweilen bey den Römern ein Zeichen von Betrübniss und Trauer, wenn man sich den Bart wachsen liess. Markus Livius war bey seinem Abgange als Konsul von dem Volk verurtheilt worden, und dies verursachte ihm so viel Missvernügen, dass er sich auf das Land zurück zog, und sich Bart und Kopfhaar wachsen liess. MAn sah bisweilen bey Trauerfällen eine ganze Familie in ihre Wohnung sich verbannen; die Männer gingen dann in zerrissenen Kleidern, langem Bart, nachlässig um den Kopf hängenden Haaren; die Weiber trugen ihr Haar unordentlich über das Gesicht herabhängend und lagen auf den Fussboden niedergeworfen.

Die Perser rasirten sich während der Trauer; aber zur Zeit Alexanders des Grossen, wo sie ganz weichlich geworden waren, hatten sie dem Bart gänzlich entsagt. Unter der Regierung der Semiramis, welche für einen Mann gelten wollte, sah man bey den Assyriern keinen Bart mehr.

III. Rasirter Bart, als Strafe für grosse Verbrechen

Jehova droht im Jesaias, sich eines geliehenen Rasirmessers zu bedienen, um alles Haar am Körper seines Volks abzuscheren. "Der Herr wird mit einem gedungenen Schermesser das Haupt, die Haare der Füsse und den ganzen Bart scheren." (Jes. 7, 20) Das will sagen: er wird seine Rache gegen sein Volk durch das Schwerdt der Völker jenseit des Euphrats ausüben.

Andreas Thevet bezeugt in seiner allgemeinen Kosmogenie, die Bewohner von Kandia und der Insel Kreta seyn so sehr in ihren Bart verliebt, dass sie es für den grössten Schimpf und die grösste Beleidigung hielten, die man ihnen zufügen könnten, wenn man ihnen denselben abscheren liess. Er erzählt, er habe einen Menschen gesehen, der dazu verurtheilt gwesen sey, öffentlich einen rasirten Bart zu tragen, und er sey zur Strafe dafür verurtheilt worden, weil er mörderischer Weise einen Pfeil auf seinen Nachbar abgedrückt habe; und er habe diese Strafe für eben so hart gehalten, als wenn er gehängt worden wäre. Er sagt, auf der Insel Java verurtheile man diejenigen zu gleicher Strafe, der sich eines Weibes gelüsten lasse, das für den Serail des Königs bestimmt sey.

In der Geschichte der Wunder des heiligen Julus und des heiligen Clement, der Patrone des Klosters unter demsleben Namen in der Stadt Volterre in Toskana wird erzählt, es hätten Räuber in der Kirche dieser Heiligen einen Kelch und ein Evangelienbuch mit goldnen und silbernen Blatten gestohlen gehabt, und sich auf ein Schiff, das nach Pisa habe fahren wollen, gerettet. Gott habe sogleich einen Sturm entstehen lassen, der das Schiff in Gefahr, unterzugehen, gebracht habe. Die Einwohner von Pisa hätten diesen Sturm irgend einem seit kurzen begangenen Verbrechen beygemessen, hätten alle Passagiere durchsucht und die gestohlnen Sachen gefunden. Sie hätten hierauf die Räuber in die Kirche der Heiligen gebracht; man hätte ihnen vor der Kirchthüre die Haare des Barts abgeschnitten und sie an einen Ast von einem Baum aufgehängt, wo sie lange hängen geblieben wären. "Auch wurden den Räubern die Bärte abgeschoren, sie blieben vor der Thür der Heiligen lange an dem Ast eines Baums hängen, und verwitterten endlich." (Man sehe die genannte Schrift)

Eine der härtesten Strafen, die man über den Araber verhängen kann, besteht darin, dass man ihm den Bart nimmt. Diese Strafe führt bey selbigen eine beständig haftende Unehre nicht nur für den Schuldigen, sondern auch für seine ganze Familie mit sich. Es gibt keinen Araber, der nicht lieber seinen Kopf als seinen Bart verlöhr. (S. die Memoiren des Herrn von Arvieux)

In einigen Ländern von Indien rasirt man diejenigen auf königlichen Befehl, welche die grössten Verbrechen begangen haben; diess sagt Alexander von Alexandrien. Bey den Indiern wird derjenige, welcher ein grosses Verbrechen begangen hat, mit der Strafe belegt, dass ihn der König zu rasiren befiehlt, welches für die grösste Strafe gilt.

IV. Rasirter Bart, als Zeichen des öffentlichen Spotts

Den ganzen Bart und das gesammte Kopfhaar abzuscheren war in der Kindheit der Welt eine Beleidigung und ein äusserst entehrender Schimpf. Hanon, der König der Ammoniter wollte die Gesandten des Königs David beschimpfen und schnitt ihnen die Hälfte des Barts und die Hälfte ihrer Kleider ab. (Man sehe das zweyte Buch der Könige) Er liess ihnen nämlich den Bart auf der einen Seite des Gesichts ganz abschneiden, und David erlaubte ihnen nicht, bey Hofe zu erscheinen, bis ihnen der Bart ganz wieder gewachsen war. David rächte sich für diesen Schimpf durch einen Krieg, der für die Ammoniter sehr verderblich war. Man weiss, dass sich die Israeliten den Bart nur zur Zeit der Trauer rasiren liessen, und dass sie unter diesen Umständen ihre Kleider zerrissen. Es scheint also, als haben die Ammoniter, um den Gesandten Davids eine Beleidigung zuzufügen, sie wider ihren Willen um den König Naas, über dessen Tod sie bey seinem Sohn und Nachfolger ihr Beyleid zu bezeugen gekommen waren, zu trauren nöthigen wollen.

Herodot erzählt, dass ein Aegypter einige Soldaten, welche den Körper seines Bruders, der am Galgen hing, bewachten, betrunken gemacht; ihnen, um sie zu höhnen, die Hälfte des Barts abgeschnitten, und den Körper seines Bruders mit sich genommen habe. - Plutarch sagt, ein jeder, der bey den Lacedemoniern einer Feigheit habe überführt werden können, sey genöthigt worden, als ein äusserst schimpfliches Schandmahl, einen Theil des Knebelbarts rasirt, und den andern behaart zu tragen. (Siehe dessen Leben des Agesilaus)

In Frankreich war es in ältern Zeiten ein Schimpf, der blutige Rache forderte, wenn man jemanden den Bart abschnitt. Man liest im Leben des Königs Dagobert des Ersten, dieser Prinz habe sich, da er noch sehr jung gewesen sey, an dem Herzog Sadregisile, welchem der König, sein Vater, seine Erziehung anvertraut hatte, rächen wollen, und habe kein schrecklicheres Mittel dazu finden zu können geglaubt, als wenn er ihm bey einem Gastmahl, wozu er ihn eingeladen hatte, den Bart abschneiden liess. "Hierauf brachte er ihn durch Rasiren seines Barts (denn diess war für jemanden der grösste Schimpf) um alle Ehre." (Gesch. Dagob. des Erst.>/i>)

In einem alten, von Etienne Pasquier in seinen Untersuchungen angeführten Roman unter dem Titel: die Jugend Ogiers des Dänen heisst es von den Gesandten Karlmanns, welche dieser nach Dännemark an Gottfried, Ogiers Vater, um den, dem Kaiser schuldigen Tribut einzutreiben, abgeordnet hatten, und welche von Gottfrieds Gemahlin undwürdig behandelt worden waren:

Berichtet sey das grosse Leid,
Das ungeehrt erfuhren Karlmanns Leut':
Ein jeder lässt sein'n Bart scher'n wider sein'n Will'n.
Ihr'm Karlmann, der so stolz sich zeigt,
Möcht' traun das Herz vor Aerger spring'n.
Dass sein'n Leut sind dahin gebracht
Dass sie so verunziert sich sehn.
Da lässt sich's denk'n, wie sehr 's ihm thut leid.

Und die Gesandten sagten Karlmann bey ihrer Rückkehr:

Ihr werd't Euch ärg'rn, w'r wurd'n üb'l g'halt'n,
Maass'n ohn' unsr' Bärt' komm'n mit unsr'n G'stalt'n.

Hierauf führt der Verfasser das Raisonnement Karlmanns an, als er Gottfried seine Beweggründe zum Kriege mit ihm, den er ihm erklärte, aus dieser Beleifigung herleitete. Diese Erzählung beruhe nun auf wirklichen Thatsachen, oder sey bloss in dem Charakter der damahligen Zeiten gedichtet, so erhellt daraus immer, dass man es für eine grosse Beleidigung hielt, wenn man jemanden den Bart wider seinen Willen abschnitt. Daher sind ohne Zweifel die sprüchwörtlichen Redensarten: "jemanden den Bart beschneiden", anstatt zu sagen, man hätte jemanden verächtlich behandelt, ihn beschimpft; ferner die Bezeichnungen: "ich wollte, man scherte mich; ich werde meinen Bart, mein Haar für ihn haben; ich will ihm den Bart scheren" und ähnliche Ausdrücke entstanden.

In alten deutschen Gesetzen vom Jahr 630 war es unter schweren Strafen verboten, einem freyen Manne den Bart wider seinen Willen zu beschneiden. Die Strafe an Geld wurde, wenn man gegen dieses Gesetz sich verging, auf die Hälfte der Strafe gesetzt, die demjenigen zuerkannt war, der das Haupthaar jemanden beschnitt *).

*) Si Barbam alicujus tonderit non volentis, cum sex solidis componat.... Sin autem aliqua plaga in facie alicujus facta fuerit, quam capilli vel barba non cooperiant, sex solidis componant. (Capitul. ann. 680)

Der Kaiser Friedrich verurtheilte diejenigen, die es thun würden, zu zehn Livres Geldstrafe. "Wenn jemand den Versuch gemacht haben, oder er ihn wirklich, ohne jedoch, dass Blut darnach flöss, verletzt haben sollte, oder wenn er ihn um seine Haare und seinen Bart plünderte, der soll demjenigen, dem das Unrecht zugefügt seyn mag, zum Ersatz zehn Livres auszahlen." Einige Rechtsgelehrten sagen, diejenigen, welche dergleichen Beeinträchtigungen anderer sich erlaubten, verdienten eben so bestraft zu werden, als diejenigen, die jemandem ein Glied verstümmelt hätten. (Baldus in L. Reos)

In einem Gesetz Rotharichs, Königs der Lombarden verurtheilt man denjenigen, der bey einer Fehde einem freyen Manne den Bart oder das Kopfhaar ausgerauft hätte, zu einer Geldstrafe. "Wer bey einer entstandenen Streitigkeit einen freyen Mann bey dem Bart oder am Kopfhaar herum schleppt, soll sechs schwere Livres zahlen; wenn er aber einen Dienstsklaven, oder eines andern Sklaven für Landarbeiten am Bart oder Kopfhaar herum zieht, so soll er einen schweren Livre zahlen." (Longobard. Gesetze)

Es war daher nicht nur In Frankreich, Deutschland und der Lombardey, sondern auch bey den Orientalern und mehreren andern Nationen eine sehr schimpfliche Starfe, wenn man jemanden den Bart abschnitt. Wilhelm von Tyrus bezeugt, die Orientaler und benachbarten Völker hegten so viel Ehrfurcht für den Bart, dass sie es als die grösste Entehrung und die grösste Infamie ansehen, wenn man ihnen verächtlicher Weise ein einziges Haar des Barts ausriss. "Die Orientaler, die Griechen und andere Völker haben die Gewohnheit, sich den Bart mit der grössten Sorgfalt und Aengstlichkeit zu erhalten, und sie halten es für die grösste Beleidigung und den entehrendsten Schimpf, wenn ihnen auch nur ein Haar bey irgend einer Gelegenheit verächtlicher Weise ausgerissen wird."

Paul Hiob erzählt im Leben des Franz Philelphus, dieser berühmte Grammatiker habe sich in einer Streitigkeit, die er mit einem Griechen hatte, und die bloss eine einzige Sylbe betraf, verbindlich gemacht, eine gewisse Summe Gelds zu erlegen, im Fall er unter der Bedingung, dass er nach seiner Willkühr über den Bart seines Gegners verfügen dürfte, wenn er den Streit gewänn, zu einer Strafe verurtheilt werden sollte. Philelphus siegte, und Thimotheus mochte ihm noch so viel Vorstellungen und Anerbietungen machen, um ihn von seiner Idee abzubringen; sein Bart wurde rasirt und Philelph trug ihn im Triumph herum; allerdings eine sehr grosse Kleinlichkeit, die von der Halsstarrigkeit dieses Grammatikers zeugt, den man beschuldigt, er habe sich in wichtigen Angelegenheiten nur mit Kleinigkeiten abgegeben.

V. Sprichwörtliche Redensarten, die mit dem Wort Bart gebildet wurden

Es würde diesen Beyträgen zur Geschichte des männlichen Barts an Vollständigkeit gebrechen, wenn wir der verschiedenen sprichwörtlichen Redensarten nicht erwähnen wollten, in welchen man dieses Wort gebraucht hat. Das Wort Bart wird sprichwörtlich genommen in folgenden Phrasen: "ein gut gewachsener Bart ist schon halb rasiert"; wodurch man jemanden bezeichnet, den man auf eine demüthigende Art an seine Schuldigkeit erinnert. Auch sagt man: "etwas an jemandes Bart vornehmen"; wodurch man zu erkennen gibt, dass man etwas auf eine durchgreifende Art, wider jemandes Willen, in seiner Gegenwart thut. Eben so sagt man: "der oder jener muss sich den Bart wischen", wenn er sich in eine Angelegenheit mischen möchte, auf die er keinen Einfluss erhält. Man sagt: "man müsse weise seyn, wenn man einmahl einen Bart am Kinn trage", weil man den Bart immer als Zeichen eines reifern Alters anzusehen hat, und man daher von jemanden, der schon einen Bart hat, auch ein männliches, weises Betragen erwartet. "Unter den Bart lachen *) oder in die Kappe lachen" sagt man, wenn man ein Gespräch mit Vergnügen anhört, ohne dass man sein Vergnügen äusserlich zu erkennen geben will.

*) Die deutsche Sprache hat hier eine andere Vorstellung in sich aufgenommen: man sagt im deutschen: "ins Fäustchen lachen".

Man sagt, aber durch Missbrauch, "einen Strohbart zum Zehenden geben", anstatt: "die schlimmsten Garben zum Zehenden geben", das schlechteste dazu geben, was man nur hat. Dieses Sprichwort ist aus der Bibel genommen, und wurde von denjenigen gesagt, die Jehova Strohgarben darbrachten, indem sie sich stellten, als brächten sie Korngarben dar.

So erklärt Herr Pasquier in seinen Untersuchungen ein anderes Sprichwort: "jemandem den Bart zurecht machen", indem er sagt: wir bezeichnen damit, dass wir jemanden gering schätzen, dass wir ihm einen Schimpf angethan haben; weil es, wie wir bemerkt haben, eine schimpfliche Strafe war, jemandem den Bart zu rasiren. Denselben Sinn legt man auch folgenden Redensarten unter: "ich wollte, dass man mich rasirte; ich werde Haare für ihn haben; ich will ihm den Bart rasiren."

Jungen Leuten, die es sich einfallen lassen ältern ungebetenen Rath zu geben und die sich ein Ansehen von Selbstgenügsamkeit geben, sagt man: "Ihr habt einen zu jungen Bart, ihr seyd ein junger Bart", wodurch man jemandem zu verstehen gibt, dass es ihm noch an der zur glücklichen Beseitigung von Geschäften in der wirklichen Welt nöthigen Erfahrung fehle. Man sagt im niedrigen Styl: "den heiligen Bart tanzen lassen", um dadurch zu bezeichnen, man müsse diejenigen traktiren, ihnen Feten geben, deren Stimmen man zu erhalten wünscht *). "Bart" sagt man oft in einem figürlichen Sinn, und zum Spott gegen die Person, die ihn trägt; die schlechten Bocksbärte sind gemeynt. Bart bezeichnet auch die Gegenwart; Moliere sagt: "er kommt in der Kutsche, und um dich unsern Bärten zu entreissen", anstatt, um uns deine Gegenwart zu entziehn, dich aus unserer Mitte mit sich fortznehmen.

*) Es ist bekannt, dass in diesem Sinn keine Nation den heiligen Bart mehr, als die Englische tanzen lässt! Man weiss, welche Bestechungen man sich in diesem Lande bey den Parlamentswahlen, bey - bey - erlaubt; und nur England hat es zu einem Bestechungssystem gebracht. Auch wird das souveräne Englische Volk, wenn es zur Wahl seiner Repräsentatnten schreitet, wirklich traktirt. Diesen Kunstgriff hat die Englische Aristokratie der altrömischen abgelernt, und das panem et Circenses (welches letzere Herr Pitt durch Matrosenpressen übersetzt) thut dem Ministerium manchen guten Dienst.

Man sagt: "ein grosser und hässlicher Bart; ein Bart von drey Stockwerken, ein sehr breiter, umfangreicher, buschigter Bart." Man sagt von Jemandem: "er lacht sich in den Bart", um dadurch auszudrücken, dass ihm etwas viel Spas macht, dass er es aber nicht merken lassen will. Man sagt: "Rothbart, Schwarzhaar, pass' auf, wenn du kannst."

Die Spanier sagen: "Bart an Bart", das heisst, einander gegenüber, im Angesicht. Icellui Etienne sagt zu einem Supplicanten: "Du hast Dich an mich gewandt, Schalk; eh' eine Stunde vergeht, seh ich Dir in den Bart oder ins Gesicht."

VI. Andere Arten, wie man das Wort Bart braucht

Das Wort "Bart" wird der Analogie, wozu der Bart dem Manne dient, gemäss, in verschiedenem Sinn genommen. Bart heissen z. B. auch die Haare, welche die Tiere am Kinn oder am Maul tragen. So haben unserm Sprachgebrauch nach Böcke und Ziegen am Kinn einen Bart. Haase, Kaninchen, Katze, Ratze haben einen Bart.

"Bart" wird auch von einem Kometen gebraucht, und bedeutet die Strahlen, die er in die Himmelsgegend wirft, nach welcher seine eigene Bewegung ihn hinzutreiben scheint; und so unterscheidet man den Bart von dem Schwanz des Kometen, welche Benennung man den Strahlen gibt, die sich nach denjenigen Gegenden des Himmels hin verbreiten, von welchen sich der Komet selbst zu bewegen scheint.

Bart heissen die kleinen Absätze oder Knorpel, welche platte Fische haben, und die bey ihnen das Schwimmen befördern; wie z. B. die Tornbutte, der Meerkütt, die Zunge, die Scholle. Die Bärte des Wallfisches sind diejenigen Flosse, die ihnen am Kinnbacken herabgehen; es sind platte und biegsame Streifen Fischbein, die man zu den Weiberröcken nahm, um ihnen eine festere Form zu geben; man nennt sie auch sonst Hängebauch.

Bart nennt man ferner die kleinen Aeste, welche die Feder auf der rechten und linken Seite wirft, und mit denen der Kiel derselben besetzt ist. Bart nennt man die langen Haare, welche an der Spitze der Kornstengel sich befinden und woraus die Aehre besteht. Gerste und Rocken haben längere Bärte, als sie der Weizen hat. Man braucht dieses Wort auch von Haaren, die man zur Bearbeitung zäher Stoffe anwendet, z. B. die Schweinsborsten, die man an das Ende des Hanfdraths befestigt, womit man die Schuhe näht. Auch braucht man es von Dingen, die so weit gearbeitet sind, dass man ihnen nur noch die letzte Politur gibt. "Er macht", sagt man da, "dieser Garnitur, diesem Mantel nur noch den Bart."

Bart nennt man die Auswüchse und kleinen Haare, die den Schimmel von Sachen ausmachen, welche in Fäulniss übergehen. "Dieses Zuckerwerk ist verdorben, ist schimmlich geworden; es hat einen Bart bekommen." An Münzen nennt man Bart die kleinen Einschnitte am Rand, oder auch die rauhen Theile, die sich am Metall befinden, ehe es frottirt und polirt worden ist.

Bart nennt man das rothe Fleisch, welches bey dem Hahn unter dem Schnabel herab hängt. Bart oder Unterbart ist der Theil des Kopfes beym Pferde, welcher die Kinnkette trägt, und es ist die äussere Oberfläche des untern Kinnbackens über dem Kinn. Bärte sind in der Kunstsprache der Reitbahn die überflüssigen Fleischtheile, welche bey dem Pferde in der Oeffnung des Mauls in dem Zwischenraum entstehen, welcher die Stange von beyden Seiten umgibt, und unter der Zunge sich befinden. Man nennt sie auch Frösche, Pferdefrösche; auch Ochsen.

Bart heissen die kleinen angebrachten, hervorstehenden Stücke, welche an einer von den Seiten der Riegel seines Schlosses sich befinden, und dem Schlüssel einen Punkt geben, um das Schloss zu öffnen oder zuzuschliessen. Bey der Marine nennt man Bart die Theile, womit das Schiff von vorn, wo sich der Vorderstern mit dem Schiffskeil vereinigt; und wenn man von einem kleinen Fahrzeuge spricht, so ist der Bart ein kleines am untersten Theil des Schiffs von vorn befindliches Stück am Ende des Vordertheils; in grossen Fahrzeugen ist es zwey Fuss gross, und an zwölf Daumen dick.

Es gibt noch mehrere andere Arten, wie man das Wort Bart in mancherley Beziehungen braucht. Darüber muss man aber die Wörterbücher befragen.